Oxidativer Stress schädigt das Herz |
29.11.2004 00:00 Uhr |
Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz leiden meist an erheblichem oxidativen Stress, der alle Organe schädigen und die Mortalität erhöhen kann. Anämie, chronische Nieren- und Herzinsuffizienz bilden einen Teufelskreis, in dem sich alle Komponenten gegenseitig beeinflussen. Wird die Anämie korrigiert, sinkt auch das kardiovaskuläre Risiko der schwer kranken Patienten.
Eine Niereninsuffizienz ist mit einem meist starken oxidativen Stress verbunden. Sauerstoff-Reduktionsprodukte und oxidativer Stress, also ein Ungleichgewicht zwischen Antioxidantien und Prooxidantien, tragen zur Pathogenese und Progression der akuten und chronischen Niereninsuffizienz bei (Alfrey 1994, Baliga et al. 1997, Miyata et al. 2000, Trachtman et al. 1992). Sauerstoffradikale und ihre Folgeprodukte – zusammen als reaktive Sauerstoffspezies (ROS) bezeichnet – lösen angiotoxische und kardiotoxische Wirkungen aus. Daher erhöhen solche Verbindungen das kardiovaskuläre Risiko. Zusätzlich löst die Dialyse selbst oxidativen Stress aus (Wratten et al. 2000).
Es gibt erste Berichte über erfolgreiche Therapieansätze mit Antioxidantien, speziell mit Sulfhydrylgruppen-Donatoren wie Acetylcystein, wenn auch an einer relativ kleinen Patientengruppe (Tepel und Zidek 2004, Scholze et al. 2004, Tepel et al. 2003). Immerhin wurden bei 134 Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz unter Behandlung mit Acetylcystein die kardiovaskulären Endpunkte (Myokardinfarkte, kardiovaskulärer Tod, Erfordernis für Koronarangioplastie oder Koronarbypass-Operation, periphere arterielle Verschlusskrankheit mit Amputation) signifikant reduziert.
► Ziele einer antioxidativen Therapie sind sowohl die günstige Beeinflussung der renalen Grunderkrankung als auch die Prävention oder Reduktion des kardiovaskulären Risikos und der kardiovaskulären Komplikationen.
Die verstärkte Bildung von ROS bei akuter und chronischer Niereninsuffizienz, die reduzierten Aktivitäten antioxidativer Enzyme, die negativen Wirkungen von Superoxidradikalen auf Stickstoffmonoxid (NO), die Bildung von Peroxi-NO und entsprechende pathophysiologische Konsequenzen wurden bereits gründlich diskutiert (Siems et al. 2002a). Rajagopalan und Mitarbeiter (1996) sowie Nishida und Mitarbeiter (2000) fanden, dass ein Angiotensin-II-induzierter Hypertonus mit einer erhöhten vaskulären Superoxidradikal-Produktion durch die NADH/NADPH-Oxidase der glatten Gefäßmuskelzellen assoziiert ist.
Erst kürzlich wurden auch Effekte auf der genomischen Ebene untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass das Monozyten-Chemoattractant-Protein-1 (MCP-1), das eine bedeutsame Rolle bei der inflammatorischen Antwort von Blutgefäßen spielt, durch verschiedene Zytokine wie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) reguliert wird. Sowohl Proteinkinasen als auch ROS sind an der Zytokin-vermittelten Signalübertragung beteiligt (DeKeulenaer et al. 2000). TNF-α induzierte parallel die Phosphorylierung – und damit Aktivierung – von extrazellulärer signalregulierter Kinase 1/2 (ERK 1/2) und von p38-Mitogen-aktivierter Proteinkinase (p38-MAPK). Der Faktor stimulierte zugleich die MCP-1-mRNA-Expression in kultivierten Gefäßmuskelzellen. Die simultane Hemmung der ERK 1/2 und der ROS-Bildung begünstigte die Fähigkeit von MAP-Kinase-Inhibitoren, die MCP-1-mRNA-Expression zu unterdrücken bis hin zu deren kompletter Hemmung. Daraus wurde geschlussfolgert, dass nur die gemeinsame Aktion von ROS und Proteinkinasen die Zytokin-induzierte, inflammatorische Genexpression der Blutgefäße vermittelt (DeKeulenaer et al. 2000).
Oxidantien im Übermaß
Für die Beurteilung und quantitative Bewertung des oxidativen Stresses ist zum einen die Evaluierung der antioxidativen Schutzsysteme von Interesse. Es gibt umfangreiche Literatur über die Abnahme der antioxidativen Kapazitäten bei akuter und chronischer Niereninsuffizienz. So wurden verringerte Werte von Glutathion, Tocopherol sowie der niedermolekularen und enzymatischen intraerythrozytären Antioxidantien gemessen (Siems et al. 2000, Grune et al. 2000).
Andererseits ist es wichtig zu wissen, welche Arten von Prooxidantien beschleunigt gebildet werden. Es gibt klare Hinweise, dass bei Hämodialyse-Patienten eine verstärkte Bildung von Superoxidradikalen, aldehydischen Lipidperoxidationsprodukten, zum Beispiel Malondialdehyd (MDA) (Sommerburg et al. 1997), 4-Hydroxynonenal (HNE) und HNE-modifizierten Serumproteinen (Siems et al. 2002b), von Homocystein (Carluccio et al. 2002) und Cholesterol-Oxidationsprodukten, auch Oxysterole genannt, auftritt (Siems et al. 2002a). Zudem wurden erhöhte Isoprostan-Spiegel im Blutserum von Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz gemessen (Walter et al. 2000, Handelman et al. 2001, Wiswedel et al. 2003).
Alle genannten Verbindungen sind kardiovaskuläre Risikofaktoren. Die erhöhten Serumspiegel bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz und auch die Verringerung der antioxidativen Kapazitäten erhöhen ohne Zweifel das kardiovaskuläre Risiko (Siems et al. 2002a, Hingtgen und Davisson 2001, Hattori et al. 2001, Eaton et al. 1999, Leichtweis und Ji 2001, Ramires und Ji 2001). Myokardinfarkte und andere kardiovaskuläre Ereignisse sind streng mit verminderten Tocopherol-Spiegeln (Mezzetti et al. 2001), erhöhten Isoprostan-Konzentrationen (Kijima et al. 2001) und oxidativen Schäden mitochondrialer DNA assoziiert (Ide et al. 2001).
Kardio-renales Anämiesyndrom
Neben der vermehrten Bildung von Oxidationsprodukten, die das kardiovaskuläre Risiko erhöhen können, gibt es enge Beziehungen zwischen Niereninsuffizienz, der dabei auftretenden Anämie und Herzinsuffizienz. Viele Patienten mit Anämie und chronischer Niereninsuffizienz leiden an koronarer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz.
Die Triade aus Anämie, chronischer Niereninsuffizienz und Herzinsuffizienz wird als kardio-renales Anämiesyndrom bezeichnet (Silverberg et al. 2003a, b, c, Silverberg et al. 2001a). Wie in einem Teufelskreis ist jede einzelne Erkrankung in der Lage, die andere hervorzurufen oder zu verstärken oder durch die andere hervorgerufen oder verstärkt zu werden. Die Anämie kann das Ausmaß der Herzinsuffizienz verstärken und damit zu steigender Mortalität, Hospitalisierung und Fehlernährung beitragen. Sie kann auch die Nierenfunktion verschlechtern und zur schnelleren Dialysepflichtigkeit beitragen. Die Herzinsuffizienz wiederum kann die Nierenfunktion erheblich stören und eine Anämie hervorrufen. Eine chronische Niereninsuffizienz kann ebenfalls eine Anämie bedingen und auch den Grad der Herzinsuffizienz verschlechtern.
Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz haben eine erheblich gesteigerte Mortalität und Hospitalisierungsrate wegen chronischer Herzinsuffizienz. Die intensive Therapie der Herzinsuffizienz scheitert häufig, wenn gleichzeitig eine Anämie vorhanden ist und nicht oder nicht ausreichend behandelt wird. In Studien, in denen die Anämie korrigiert wurde, konnte die Herzfunktion, dokumentiert anhand der linksventrikulären Ejektionsfraktion und des Sauerstoffverbrauchs während maximaler körperlicher Belastung, verbessert werden.
Wesentliche Zusammenhänge des kardio-renalen Anämiesyndroms werden durch ROS und sekundäre Produkte radikalischer Reaktionen vermittelt. Der Hauptgrund für den drastisch verringerten antioxidativen Schutz während einer Anämie ist die reduzierte Zahl von Erythrozyten, die hocheffektive mobile Fänger freier Radikale und weiterer ROS sind (Siems et al. 2000). Es ist bekannt, dass die Erythrozyten, die regelmäßig dem höchsten Sauerstoff-Partialdruck (pO2-Wert) innerhalb des menschlichen Körpers ausgesetzt sind, auch die höchsten Konzentrationen an wichtigen antioxidativen Enzymen wie Superoxiddismutase und Glutathionperoxidase bilden. Somit verringert jede Form von Anämie das antioxidative Potenzial des menschlichen Organismus.
Belastende Oxidationsprodukte
Verschiedene Produkte von ROS, die bei Patienten mit Niereninsuffizienz vermehrt gebildet werden, korrelieren signifikant mit dem Grad der renalen Anämie (Sommerburg et al. 1997, Siems et al. 2002b). Solche ROS-Produkte sind MDA, HNE und Aldehyd-modifizierte Serumproteine (Proteincarbonyle). Abbildung 4 zeigt die HNE-Serumkonzentrationen bei Hämodialyse-Patienten mit Hämoglobin-Konzentrationen (Hb) unter oder über 10 g/dl vor und nach Hämodialyse sowie bei gesunden Kontrollpersonen. Je höher die Hb-Konzentration war, desto niedriger war die HNE-Serumkonzentration.
Zudem sind die Konzentrationen der als In-vivo-Parameter eines oxidativen Stresses akzeptierten F2-Isoprostane im Serum von Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz im Vergleich zu Normalpersonen erhöht (Walter et al. 2000, Handelman et al. 2001, Wiswedel et al. 2004). Im Gegensatz zu der hochsignifikanten Korrelation zwischen HNE, MDA und Proteincarbonylen und dem Grad der renalen Anämie gibt es diese Korrelation nicht zu den Serumspiegeln der Isoprostane. Diese korrelierten eher mit Entzündungsparametern wie dem C-reaktiven Protein (Wiswedel et al. 2004).
Ein erhöhter Homocystein-Serumspiegel ist typisch für etwa 80 Prozent der hämodialysierten Patienten. Unsere Analysen zeigten keine signifikante Korrelation zwischen den Serumspiegeln von Homocystein und von HNE, MDA oder dem Grad der renalen Anämie. Offensichtlich repräsentiert der Homocystein-Spiegel einen unabhängigen kardiovaskulären Risikofaktor bei diesen Patienten. Eine signifikante Korrelation bestand zwischen der Homocystein-Konzentration im Serum und nutritiven Faktoren wie der Albumin-Plasmakonzentration (Carluccio et al. 2002).
Gibt es klare Beziehungen zwischen den Cholesterol-Oxidationsprodukten (Oxysterolen) im Serum und anderen Parametern, die bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz gemessen wurden? Die Oxysterol-Spiegel korrelierten nicht signifikant mit der Gesamtcholesterol-Konzentration. Nur für einige Oxysterole wurde eine signifikante Korrelation mit dem Grad der renalen Anämie gefunden, und zwar für β-Cholesterolepoxid, α-Triol-Cholesterol und 7-Ketocholesterol. Die Oxysterole korrelierten nicht signifikant mit den Serumspiegeln an HNE, MDA und Proteincarbonylen, aber mit der Verfügbarkeit und dem Verbrauch an lipophilen Antioxidantien wie Vitamin E. Je höher die Konzentration von β-Epoxycholesterol war, umso höher war der Vitamin-E-Verbrauch während der Dialyse.
In unseren Messungen fanden wir einen weiteren, klinisch interessanten Befund. Zwischen dem linksventrikulären Massenindex (g/m2) und HNE besteht eine annähernd lineare Korrelation, und beide Parameter korrelieren invers mit Hämoglobin. Diese Relation konnten wir bei 27 Patienten des Berliner Kuratoriums für Dialyse und Nierentransplantation nachweisen. Dies spricht einmal mehr für den Nutzen einer kompletten Korrektur der renalen Anämie, wie sie seit mehreren Jahren durch die Gruppen von Hampl in Berlin und Silverberg in Tel Aviv vorgeschlagen und gefordert wird (Hampl 2000, Berweck et al. 2000, Hampl et al. 2002, Silverberg et al. 2001, Silverberg et al. 2002).
► Die gemessenen Parameter des oxidativen Stresses fördern die Entwicklung einer Atherosklerose, einer linksventrikulären Hypertrophie und myokardialer Schäden. Die erhöhten Prooxidantien-Spiegel zeigen ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko der Hämodialyse-Patienten. Die Hypothese über die enge Wechselbeziehung zwischen oxidativem Stress und kardiovaskulärem Risiko wird durch die Korrelation zwischen linksventrikulärem Massenindex und renaler Anämie (Hb-Defizit) sowie HNE eindrucksvoll bestätigt.
Antioxidative kardiovaskuläre Strategien
Diese Zusammenhänge lassen es sinnvoll erscheinen, klinische kardiovaskuläre Vorteile durch Stärkung antioxidativer Kapazitäten und durch Hemmung prooxidativer Mechanismen zu erzielen. Allerdings führten klinische Studien, die kardiovaskuläre Vorteile durch Antioxidantien-Supplementation überprüften, zu kontroversen Ergebnissen.
Darüber hinaus wirft die Mainzer Hypothese über die Immunpathogenese der Atherosklerose Fragen auf (Lehr et al. 2001, Bhakdi 1998a, Bhakdi 1998b, Bhakdi 2002). Die experimentellen Resultate der Gruppe um Bhakdi sind unseres Erachtens verständlich und nachvollziehbar, einschließlich der Bildung von E-LDL (enzymatisch um- oder abgebautes LDL) und der Aktivierung des Komplementsystems. Auch ist es eine simple und ohne Probleme akzeptierbare Schlussfolgerung, dass die drastische Senkung des “Substrats der Atherogenese”, des LDL, entscheidend zur Prävention der Atherogenese beitragen sollte. Dies ist etwa genauso sicher wie der nützliche Effekt des Vermeidens von Umweltnoxen. Dagegen folgen wir nicht den einseitigen Angriffen der Autoren auf die so genannte Oxidationshypothese. Es scheint auch, dass die Autoren von einem primitiven Oxidationskonzept ausgehen und aktuelle Befunde der Bildung und Wirkung von ROS einschließlich molekularer Signalwirkungen negieren. Unserer Auffassung nach besteht mit höchster Wahrscheinlichkeit eher eine Parallele zwischen einem enzymatischen LDL-Umbau plus Komplementaktivierung, inflammatorischen Reaktionen und oxidativem Stress.
Welchen Nutzen bietet eine Beeinflussung der oxidativen Balance zugunsten der Antioxidantien? Epidemiologische Studien lassen vermuten, dass niedrige Antioxidantien-Spiegel mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert sind und eine erhöhte Aufnahme von Antioxidantien protektiv zu sein scheint. In Supplementationsstudien am Menschen verminderte α-Tocopherol die Lipidperoxidation, speziell die LDL-Oxidation und die F2-Isoprostan-Bildung, sowie die Thrombozytenaggregation und -adhäsion und wirkte antiinflammatorisch (Harris et al. 2002, Jialal und Devaraj 2003). Die meisten klinischen Studien, in denen Antioxidantien eingesetzt wurden, um kardiovaskuläre Vorteile zu erzielen, zeigten allerdings keine signifikanten Vorteile im Hinblick auf klinische Endpunkte.
Im Einzelnen: Die Befunde aus epidemiologischen Studien, die der Beziehung zwischen Vitamin C und kardiovaskulären Erkrankungen (CVD) gewidmet sind, sind nicht konsistent. Daher bleibt die Rolle, die Vitamin C in der Ätiologie der CVD spielt, zurzeit noch widersprüchlich (Loria 2002). Nur eine von fünf Studien, die die Beziehung zwischen Vitamin C und schwerer koronarer Herzkrankheit (KHK) untersuchten und von Loria analysiert wurden, fand eine signifikante Assoziation und eine weitere tendierte zu einer solchen Signifikanz. Die mit der Nahrung aufgenommene Vitamin-C-Menge korrelierte signifikant mit der Sterblichkeit an KHK bei finnischen Frauen, aber nicht bei finnischen Männern (Knekt et al. 1994). Chicagoer Männer mittleren Lebensalters wurden 24 Jahre lang beobachtet. Personen mit einer täglichen Vitamin-C-Aufnahme zwischen 113 und 339 mg hatten im Vergleich mit solchen, die täglich lediglich zwischen 21 und 82 mg aufnahmen, ein verringertes Risiko, an akutem Myokardinfarkt zu versterben, wenngleich nur eine Borderline-Signifikanz vorlag (Pandey et al. 1995). Eine weitere Studie, die die KHK-Mortalität bei älteren Erwachsenen untersuchte, ergab keine signifikante Korrelation (Gale et al. 1995). Zu dem gleichen Ergebnis kam eine weitere kleinere Studie (Sahyoun et al. 1996). Die fünfte Studie schließlich untersuchte die Sterblichkeit an akutem Myokardinfarkt bei Frauen des US-Bundesstaates Iowa über sechs Beobachtungsjahre und fand ebenfalls keine signifikante Korrelation (Kushi et al. 1996).
Welche Ergebnisse erbrachten die Vitamin-E-Studien? Die prospektiven Studien wurden kürzlich von Jialal und Devaraj (2002) zusammengefasst und metaanalysiert. Zwei Studien (CHAOS und SPACE) zeigten eine klare und eindeutige Reduktion sowohl der kardiovaskulären Todesfälle als auch der nicht tödlichen Myokardinfarkte, die als primäre Endpunkte festgelegt worden waren (Stephens et al. 1996, Mitchinson et al. 1999). Die GISSI-, ATBC- und PPP-Studien zeigten zwar keine signifikante Reduktion des primären Endpunkts, aber signifikante Vorteile im Hinblick auf weitere klinische Endpunkte (GISS-Prevenzione Investigators 1999, Rapola et al. 1995, Collaborative group of the Primary Prevention Project PPP 2001). Die einzige Studie, die negativ hinsichtlich aller Endpunkte ausfiel, war die HOPE-Studie. Der Anstieg der Mortalität durch subarachnoidale Blutungen bei männlichen Rauchern in der ATBC-Studie stimmte nicht anderen Studien überein.
► Zusammenfassend zeigt sich, dass die Mehrheit dieser Studien Vorteile einer α-Tocopherol-Supplementation bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit erbringt, ungeachtet dessen, dass die Erwartungshaltung an die Beweiskraft solcher Studien anfangs wesentlich höher war (Jialal and Devaraj 2002).
Glücklicherweise führte die Supplementation mit Vitamin C und E (≤400 IE) bisher in keiner Studie zu klinischen Nachteilen oder zu irgendwelchen gefährlichen oder gefährdenden Wirkungen (Jialal und Devaraj 2003).
Nutzen wahrscheinlich
Trotz der Inkonsistenz der Vitamin-C- und -E-Studien überwiegen die Argumente für kardiovaskuläre und generelle klinische Vorteile durch Supplementation von Antioxidantien. Die führenden Gruppen werden folgendermaßen zitiert: „The totality of evidence would support that antioxidant supplementation is beneficial in patients with preexisting cardiovascular disease“ (Jialal und Devaraj 2002, Pryor 2000, Salonen et al. 2003).
Herz und Niere betroffen Bei der chronischen Niereninsuffizienz entsteht starker oxidativer Stress. Dieser ist auch einer der bedeutendsten Risikofaktoren für Herzerkrankungen. Kardiovaskuläre Schäden stellen den wichtigsten Risikofaktor für die Lebensqualität und die Mortalität chronisch niereninsuffizienter Patienten dar. Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) unterhalten den Teufelskreis des kardio-renalen Anämiesyndroms.
Als Parameter des oxidativen Stresses mit hohem kardiovaskulären Risiko wurden 4-Hydroxynonenal (HNE) als aldehydisches Lipidperoxidationsprodukt, F2-Isoprostane, Homocystein und Cholesterol-Oxidationsprodukte (Oxysterole) gemessen. Die Konzentrationen von HNE und einiger Oxysterole korrelieren mit dem Grad der renalen Anämie und dem Verbrauch lipophiler Antioxidantien wie α-Tocopherol. F2-Isoprostane korrelieren mit Entzündungsparametern, Homocystein mit nutritiven Faktoren wie Serumalbumin. Es existiert eine annähernd lineare Korrelation zwischen dem linksventrikulären Massenindex und den HNE-Spiegeln. Darüber hinaus verhalten sich beide Parameter umgekehrt zu den Hämoglobin-Konzentrationen.
Die Korrektur der renalen Anämie, meist mittels Erythropoietin-Therapie, verbessert effektiv die antioxidativen Schutzsysteme und verringert das kardiovaskuläre Risiko bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz.
Ein zusätzliches Argument ist, dass die Antioxidantien-Gabe in mehreren Studien die Konzentration an HDL-Cholesterol erhöhte und Gesamtcholesterol reduzierte (Simon 1992, Simon et al. 1993, Jacques et al 1994, Hallfrisch et al. 1994). Nichtsdestoweniger wurden Vorschläge für die Optimierung der klinischen Studien unterbreitet, die zum Teil bereits beachtet werden (Jialal und Devaraj 2002, Jialal und Devaraj 2003, Pryor 2000). Ein weiteres Argument bieten die Ergebnisse bei der Verwendung von Antioxidantien-beschichteten Dialysemembranen. Damit können die Konzentrationen von Lipidperoxidationsprodukten im Plasma und die dialysebedingte Hämolyserate gesenkt werden.
Ergänzend soll vermerkt werden, dass es aus Sicht der Grundlagenforschung und der angewandten klinischen Forschung klare Hinweise auf Wechselbeziehungen zwischen oxidativem Stress und fibrotischen Prozessen, auch im Herzen, gibt. Zudem zeigten die aktuellen Daten der ASAP-Studie, dass unter Supplementation mit Vitamin E und Vitamin C (Slow-release vitamin C) das Fortschreiten der Atherosklerose bei Personen mit Hypercholesterolämie deutlich gebremst wird (Salonen et al. 2003, Salonen 2002).
Renale Anämie korrigieren
Was sagen unsere Messungen bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz aus? Die Korrektur der renalen Anämie kann die linksventrikuläre Masse (LVMI) reduzieren und zu signifikanten kardiovaskulären Vorteilen für Hämodialyse-Patienten führen (Hampl et al. 2002). Darüber hinaus wird der oxidative Stress reduziert (Siems et al. 2002a and 2002b), da die Balance zwischen Pro- und Antioxidantien günstig beeinflusst wird. Im Klartext: Die antioxidative Kapazität für den gesamten Organismus steigt, während die ROS-Bildung annähernd gleich bleibt.
► Die Korrektur der renalen Anämie stellt eine antioxidative Therapie dar und reduziert das kardiovaskuläre Risiko.
In Deutschland und in den meisten europäischen Ländern wird heute eine renale Anämie mittels Erythropoietin- und Eisen-Gabe korrigiert. Die in der Folge erreichbare Verbesserung der antioxidativen Kapazität ist komplex, da sowohl die Konzentrationen der enzymatischen antioxidativen Systeme als auch der niedermolekularen Antioxidantien ansteigen. Gut dokumentiert ist die Reduktion des kardiovaskulären Risikos der Hämodialyse-Patienten. Dies ist sowohl der beste klinische Beweis für die Effektivität einer antioxidativen Protektion als auch ein Beweis für den massiven oxidativen Stress, den Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz und nicht korrigierter renaler Anämie erleiden.
Literatur beim Verfasser
Die Autoren
Werner Siems habilitierte sich nach dem Studium der Medizin und der Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin 1987 für das Fachgebiet Biochemie. Seit 1992 arbeitet er an der Herzog-Julius-Klinik für Orthopädie und Rheumatologie in Bad Harzburg. Seine Forschungsgebiete umfassen die Bildung und Wirkung freier Radikale, insbesondere bei Reoxygenierung und Reperfusion, den Metabolismus aldehydischer Lipidperoxidationsprodukte sowie den Stoffwechsel von Antioxidantien. Seit 2003 ist er Ärztlicher Direktor der Loges-Schule Bad Harzburg, einer Fachschule für Physiotherapie.
Francesco Carluccio studierte an der Medizinischen Fakultät der Universität Bologna und wurde dort promoviert. 1996 schloss er in Parma die Facharztausbildung Innere Medizin und die Spezialisierung auf dem Gebiet der Nephrologie ab. Nach klinischer Tätigkeit in Parma und der Region Piemont arbeitet Dr. Carluccio seit einigen Jahren in seiner Heimatregion Apulien. Bei seinen Forschungen zum oxidativen Stress bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz arbeitet er mit Gruppen in Berlin (Professor Hampl), Bad Harzburg (Dr. Siems), Turin (Professor Piccoli) und Madrid (Professor Luno) zusammen.
Ingrid Wiswedel studierte Chemie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und wurde 1972 promoviert. Dr. Wiswedel ist Laborleiterin im Bereich Pathologische Biochemie des Instituts für Klinische Chemie und Pathologische Biochemie der Medizinischen Fakultät der Universität Magdeburg und hält Vorlesungen im Fach Pathobiochemie für Medizinstudenten. Ihre Forschungsschwerpunkte sind der Mitochondrienstoffwechsel, Bioenergetik, Phospholipidstoffwechsel, oxidativer Stress einschließlich Lipidperoxidation sowie biologische Wirkungen von Antioxidanzien.
Hannelore Hampl habilitierte sich nach dem Studium der Humanmedizin, der Promotion und der Facharztausbildung in Innerer Medizin mit einem nephrologischen Thema. Sie ist Professorin an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und Internistische Intensivmedizin im Campus Virchow-Klinikum der Humboldt-Universität Berlin und gleichzeitig am Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation tätig. Ihre Forschungen umfassen alle klinisch relevanten Gebiete der chronischen Niereninsuffizienz und der Hämodialyse. Professor Hampl setzt sich seit Jahren wissenschaftlich begründet für die komplette Korrektur der renalen Anämie ein. Sie ist Herausgeberin eines Buchs über das kardiorenale Anämiesyndrom.
Für die Verfasser:
Privatdozent Dr. Werner Siems
Loges-Schule für Physiotherapie
Kurhausstraße 13-17
38667 Bad Harzburg
werner.siems@loges-schule.de
© 2004 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de