Pro Woche ein neues Nahrungsmittel |
11.11.2002 00:00 Uhr |
von Tanja Schweig, Alsdorf
Diätversuche bei Neurodermitis sind beliebt. Doch oft bedeuten sie Stress und die Gefahr einer Fehlernährung. Nur bei 20 bis 30 Prozent der Kinder triggern tatsächlich ein bis zwei Nahrungsmittel das Ekzem; noch seltener ist dies bei Erwachsenen. Allerdings lohnt es sich bei allen Kindern mit atopischem Ekzem, sie schrittweise an Nahrungsmittel zu gewöhnen.
Für Kinder mit atopischer Disposition eines oder beider Elternteile lässt sich die Wahrscheinlichkeit abschätzen, mit der sie selbst einmal eine Allergie bekommen (Tabelle 1). Eltern können bei Kindern mit einer erhöhten Allergiebereitschaft eine Ernährungsprophylaxe betreiben, um den Ausbruch einer allergischen Erkrankung hinauszuzögern oder vielleicht sogar zu verhindern.
Tabelle 1: Prozentualer Anteil an Kindern mit atopischem Ekzem in den ersten zwei Lebensjahren (modifiziert nach 5)
Eltern mit
Untersuchungen belegen, dass bereits im Mutterleib eine Sensibilisierung auf Nahrungsmittel möglich ist. Mütterliche Antigene gelangen per Nabelschnurblut in den Körper des Kindes. Allergische Reaktionen werden schon bei Feten ab dem zweiten Trimenon nachgewiesen. Trotzdem resümieren derzeit Experten, dass diätetische Maßnahmen in der Schwangerschaft keinen Einfluss auf die Manifestation eines atopischen Ekzems hätten. Allgemeine Empfehlungen für Schwangere existieren deshalb nicht. Einziger Tipp: Erdnüsse und Produkte daraus, die zu frühen und schweren anaphylaktischen Reaktionen bei Kindern führen können, sollten Schwangere meiden.
Lactobacillus halbiert Allergierisiko
In einer finnischen Studie (doppelblind, randomisiert, placebokontrolliert) mit 132 Müttern konnte die Einnahme von Lactobacillus GG bei Risikokindern die Wahrscheinlichkeit einer atopischen Erkrankung in den ersten beiden Lebensjahren halbieren. Die Schwangeren erhielten die Probiotika ab der zweiten bis vierten Woche vor dem Entbindungstermin und weitere sechs Monate lang während der Stillzeit. Nicht gestillte Kindern erhielten den Kapselinhalt auf dem Löffel. Die Autoren halten Probiotika für Kinder für unbedenklich. Derzeit laufen Studien mit mehr Teilnehmern und über längere Zeit. Erst dann können Empfehlungen ausgesprochen werden.
Der Behandlung mit Probiotika liegt folgende Beobachtung zugrunde: Werden Kinder nach anthroposopischen Vorstellungen ernährt und medizinisch behandelt, leiden sie seltener an allergischen Erkrankungen als Kinder aus anderen Familien. Die Autoren der Studie vermuten, dass unter anderem der reichliche Verzehr von fermentiertem Gemüse, das lebende Milchsäurebakterien wie Lactobacillus plantarum enthält, eine Rolle spielt. Es wird angenommen, dass die Intestinalflora für die Mucosabarriere und damit für den Übertritt von allergenen Nahrungsbestandteilen mitverantwortlich ist.
Stillen wirkt allergiepräventiv
Nach der Geburt gilt Stillen als beste Allergieprophylaxe. In einer prospektiven Studie, in der Kinder von der Geburt bis zum 17. Lebensjahr kontrolliert wurden, war die Prävalenz der Atopie bei den nicht oder nur wenig gestillten Kindern signifikant erhöht. Deshalb sollten Säuglinge mindestens vier, besser noch sechs Monate ausschließlich gestillt werden –ohne jegliche Zusatznahrung und Nachtflasche. Auch während der ersten Lebenstage, bevor ausreichend Milch bei der Mutter einschießt, darf das Kind keinen Milchersatz bekommen. Bei Bedarf kann es Glucoselösung trinken.
Die Vorteile der Muttermilch: Sie enthält arteigenes Protein, das nicht allergisierend wirkt. Außerdem fördert sie die Bifidusflora im Darm des Säuglings. Damit beschleunigt Muttermilch die Ausbildung der Mucosabarriere und hemmt so den Übertritt von Fremdeiweiß.
Über die Ernährung der Mutter gelangen auch antigene Nahrungsbestandteile in die Muttermilch und damit zum Kind. Bisher sind die Studien an Stillenden zu wenig aussagekräftig, um der Mutter zu einer vorbeugenden Diät in der Stillzeit raten zu können. Wahrscheinlich ist der allergiepräventive Effekt relativ gering, wohingegen durch das Weglassen bestimmter Nahrungsmittel, vor allem von Kuhmilch, Hühnerei, Fisch und Weizen, das Risiko einer Fehlernährung für Mutter und Kind besteht. Lediglich einen exzessiven Genuss dieser Nahrungsmittel sollten Mütter unterlassen. Wie in der Schwangerschaft gilt auch in der Stillzeit: Erdnüsse vermeiden.
Anders sieht es aus, wenn das Kind erkrankt. Symptome eines atopischen Ekzems wie Milchschorf treten erst nach dem zweiten Lebensmonat auf. Zunächst sollte die Mutter weiter stillen. Denn neben Nahrungsmitteln können zahlreiche andere Faktoren den Ausbruch beim Säugling verursacht haben. Ob für die Mutter eine Diät sinnvoll ist, kann ein Allergie-Test beim Kind klären. Werden Sensibilisierungen im Blut- und Provokationstest erkannt, sollte die Mutter auf dieses Nahrungsmittel verzichten.
In einer kleinen Studie wurden 14 asymptomatische, ausschließlich stillende Mütter, deren Säuglinge eine durch Tests gesicherte Kuhmilch-Allergie hatten, mit zehn Müttern mit gesunden Säuglingen verglichen. Nachdem alle Mütter eine Kuhmilch-Eliminationsdiät eingehalten hatten und daraufhin in steigender Dosierung wieder Kuhmilch tranken, zeigten die Kinder mit Kuhmilch-Allergie zunehmend Ekzeme.
Aber auch eine Eliminationsdiät der Mutter ist nicht immer erfolgreich. Verläuft die Neurodermitis bei einem Säugling trotzdem weiterhin stark, treten sogar Durchfälle und Erbrechen auf und ist bereits das Wachstum des Kindes verzögert, kann das Abstillen von Vorteil sein.
Zu diesem Ergebnis kam eine finnische Studie mit 100 voll gestillten Kindern mit schwerer Neurodermitis. Die Kinder erhielten danach eine hypoallergene Säuglingsnahrung. Die atopische Dermatitis besserte sich signifikant, und die Kinder legten im Wachstum wieder deutlich zu.
Schutz aus der Babyflasche
Wenn Mütter ihre Babys nicht stillen, sollten Risikokinder während der ersten sechs Lebensmonate hypoallergene Säuglingsnahrung erhalten. Unterschieden werden diese Formula-Nahrungen hinsichtlich der eingesetzten Proteine: Es gibt Casein- und Molkehydrolysate sowie Nahrungen auf Soja- und Rindercollagenbasis. Des weiteren spielt der Hydrolysierungsgrad des Eiweißes eine Rolle. Durch die Hydrolysierung wird die allergene Potenz der Proteine in unterschiedlichem Maß reduziert. Neben schwachen beziehungsweise partiell hydrolysierten Formula (Teilhydrolysate) sind stark beziehungsweise extensiv hydrolysierte Formula im Handel (Tabellen 2 und 3).
Tabelle 2: Hydrolysat-Säuglingsnahrungen auf dem deutschen Markt
Hydrolysierungsgrad Ausgangsprotein Präparatebeispiele, Hersteller schwach/partiell Molke Humana HA, Humana
Schwache Hydolysate schmecken weniger bitter als die stark hydrolysierten Nahrungen. Einer Molkehydrolysat-Nahrung sind Bifiduskeime zugesetzt (Beba HA® 2 probiotisch). Weiterhin gibt es Nahrungen auf Aminosäurebasis (zum Beispiel Pregomin AS®, Neocate® für Säuglinge, Neocate Advance für Kinder zwischen 1 und 10 Jahren); sie sind nicht allergen, weil sie kein Eiweiß enthalten.
Tabelle 3: Säuglingsnahrungen auf Sojabasis
Präparatebeispiele Hersteller Lactopriv Töpfer Milupa SOM
Wichtig zu wissen: Säuglingsnahrungen sind Diätetika. Das heißt, der Hersteller kann jederzeit die Zusammensetzung seines Produktes unter gleichem Namen ändern, so lange er die Vorschriften für ein Diätetikum einhält.
Bisher gilt die Regel: Schwache Hydrolysate erhalten alle nicht gestillten Risikokinder zur Vorbeugung und erkrankte Kinder ohne nachgewiesene Kuhmilcheiweiß-Allergie; wird bei ihnen eine Kuhmilcheiweiß-Allergie diagnostiziert, benötigen sie ein starkes Hydrolysat, eine Säuglingsnahrung auf Aminosäuren- oder Soja-Basis. Das Forschungsinstitut für Kinderernährung, Dortmund, empfiehlt allerdings, Hydrolysate den Soja-Nahrungen vorzuziehen, weil etwa 25 Prozent der Säuglinge mit einer Kuhmilchallergie nach einiger Zeit auch auf Sojaeiweiß allergisch reagieren.
Prävention mit Hydrolysaten?
Der prophylaktische Wert von partiell hydrolysierten Formula bei atopischer Disposition ist noch unsicher. Weitere Aufklärung sollen mehrere laufende Studien bringen, unter anderem die German Infant Nutritional Interventions Study, kurz GINI-Studie, die an 2252 Säuglingen durchgeführt wird. Sie vergleicht drei unterschiedliche hypoallergene Säuglingsnahrungen mit normaler Kuhmilchnahrung. Zur Zeit liegt das Ein-Jahres-Ergebnis vor. Bevor allerdings Empfehlungen gegeben werden können, ist das Drei-Jahres-Ergebnis abzuwarten. Es erfasst auch spätere Manifestationen sowie kindliches Asthma.
Nach dem vorläufigen Ergebnis hatte neben der Nahrung auch die Vererbung einen entscheidenden Einfluss. Gab es bei den Eltern oder Geschwistern zwar allergische Erkrankungen, aber keinen Neurodermitisfall, konnten alle drei hypoallergenen Nahrungen bei den Babys das relative Risiko einer atopischen Dermatitis um 45 bis 58 Prozent im Vergleich zu Kuhmilchformula senken. Hatte allerdings ein Familienmitglied ersten Grades eine atopische Dermatitis, konnte nur ein starkes Caseinhydrolysat das Neurodermitis-Risiko um über die Hälfte reduzieren; ein schwaches und ein starkes Molkehydrolysat schützten deutlich weniger.
Der erste Brei nach Plan
Ab dem sechsten Lebensmonat muss das Baby Beikost bekommen, weil sein Nährstoffbedarf steigt. Am besten gehen die Eltern stufenweise vor und bieten pro Woche immer nur ein Nahrungsmittel mehr an. Während der Woche wird die Haut des Kindes beobachtet, ob eine Reaktion auf das Nahrungsmittel oder ein Ekzemschub auftreten. Die Eltern sollten wissen, dass Kinder keine Vielfalt brauchen. Das Immunsystem soll besser nach und nach lernen, sich mit Fremdstoffen auseinander zusetzen.
Einige Nahrungsmittel zeichnen sich durch eine meist gute Verträglichkeit aus. In welcher Reihenfolge sie zugefüttert werden können, beschreibt die Grafik. Der Plan wurde für Kinder mit atopischem Ekzem entwickelt; es können aber auch Risikokinder ohne manifeste Allergie vorbeugend danach ernährt werden. Es fällt auf, dass Frühkarotte nicht als erstes Gemüse empfohlen wird. Obwohl Allergien gegen Karotten ohne gleichzeitige Pollenallergie im Säuglingsalter extrem selten sind, raten einige Allergologen, damit bis zum 9. Lebensmonat zu warten.
Bei Getreidebreien sollten Eltern zuerst nur auf Reis- oder Hirsebrei zurückgreifen, der ohne Kuhmilchprotein zubereitet wird. Eine Alternative ist ein Brei aus Reis und Johannisbrotkeimen (Sinlac®), der weder Soja noch Kuhmilch enthält und gut schmeckt. Erst im 11. Monat werden Weizen, Hafer, Roggen und andere Getreide in die Ernährung eingeführt.
Gänzlich verzichten sollten erkrankte Kinder im ersten Lebensjahr auf wenige hochallergene Nahrungsmittel. Im Klartext: Erst ab ein bis drei Jahren erhalten sie Eier, Fisch, Nüsse, Schokolade, Erbsen, Kohlgemüse und Trauben. Manche Allergologen empfehlen Müttern, die nach dem sechsten Monat nicht mehr stillen wollen, statt Kuhmilch im gesamten ersten Lebensjahr die schwachen Hydrolysat- beziehungsweise Soja-Nahrungen zu geben.
Wird Tiefkühlgemüse verwendet, sollte es frei von Zusätzen wie Gewürzen, Sahne, Butter oder anderen Milchbestandteilen sein. Bei Fertiggläschen ist die Zutatenliste zu prüfen, denn viele Gläschen enthalten Gemüsemischungen. Als Öle und Fette können milcheiweißfreie Margarine, Distel-, Sonnenblumen-, Maiskeim- und Rapsöl verwendet werden.
Fencheltee wird meist vertragen
Kleinkinder können problemlos stilles oder kohlensäurearmes Mineralwasser sowie ungesüßten Tee trinken. Neue Teesorten testen die Eltern am besten auch unter Beobachtung der Haut. Es empfehlen sich Malven-, Lindenblüten-, Stiefmütterchen- und Früchtetee, wenn die darin enthaltenen Früchte bereits in die Ernährung eingeführt und gut vertragen wurden. Ob bestimmte Heilpflanzentees mit Kamille, Fenchel oder Anis einen Einfluss auf die Allergieentstehung im Kindesalter haben, wurde bisher nicht systematisch untersucht.
Aus Beobachtungsstudien an Neugeborenen schließt man, dass der Einfluss von Tees – sollte es ihn überhaupt geben – extrem gering sein muss. Das im ätherischen Öl von Fenchel enthaltene Trans-Anethol kann zwar in Reinform oder als Fenchelöl bei direktem Hautkontakt zu Irritationen führen. Beim Überbrühen von Fenchelsamen geht allerdings kaum Anethol in die Teelösung über, so dass die Allergenität von Fencheltee gering sein dürfte. Dazu kommt, dass Allergien auf Fencheltee und -gemüse meist auf Kreuzallergien mit Pollen oder Karotte beruhen; solche Sensibilisierungen sind im Säuglingsalter aber sehr selten. Manche Autoren behaupten allerdings, dass Teesorten wie Fenchel, Kümmel und Anis die Resorption von Allergenen über die Darmmucosa verstärken könnten.
Frucht- und Gemüsesäfte können gegeben werden, wenn das Obst oder Gemüse beim wöchentlichen Zufüttern gut vertragen wurde. Um die Übersichtlichkeit zu wahren, geben die Eltern am besten keine Multivitamin- oder gemischten Gemüsesäfte. Etwas Vorsicht ist geboten bei sehr säurereiche Lebensmitteln wie Zitrusfrüchten, Kiwi, Ananas, Erdbeeren, unreifen Früchten und stark gewürzten Speisen; in großen Mengen scheinen sie manchmal Juckreiz auszulösen.
Pauschale Diäten sinnlos
Beim schrittweisen Einführen von Nahrungsmitteln kommt eventuell gar kein Verdacht auf, dass ein Nahrungsmittel das atopische Ekzem beeinflusst. Häufig prüfen Kinderärzte oder Allergologen zusätzlich mit einem Bluttest (RAST- oder CAP-Test), ob überhaupt Sensibilisierungen vorliegen. Fällt auch dieser Test negativ aus, sollten die Eltern das Kind mit einer vollwertigen Ernährung versorgen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung und die Gesellschaft für Kindheilkunde und Jugendmedizin geben dafür Richtlinien und Stellungnahmen heraus.
Sinnlos ist es dagegen, vorbeugend alle möglichen Nahrungsmittel auszuschließen. Pauschale Diäten führen zu unnötigem Stress und Leidensdruck für das Kind. Es wird unter Umständen durch die strikte Diät zum Außenseiter im Kindergarten, in der Schule und auf Kinderfesten. Außerdem besteht die Gefahr einer Mangelernährung, wenn wichtige Nahrungsmittel wie Kuhmilch ohne gleichwertigen Ersatz gestrichen werden. Diäten, die Zucker, Schweinefleisch oder generell tierisches Eiweiß verbieten, entbehren einer wissenschaftlichen Grundlage.
Tagebuch bringt Aufklärung
Bei 20 bis 30 Prozent der Kinder mit einem schweren bis mittelschwerem Ekzem triggern Nahrungsmittel das atopische Ekzem. Ihren Höhepunkt haben die Nahrungsmittelallergien im zweiten Lebensjahr und sind am häufigsten gegen Grundnahrungsmittel gerichtet wie Kuhmilch, Hühnereiweiß und Weizen, aber auch gegen Erdnüsse, Nüsse und Soja. Üblicherweise beschränkt sich die Allergie auf ein bis zwei Nahrungsmittel, nur in 10 Prozent der Fälle auf mehr.
Was Eltern wissen müssen: Die Ernährung und Nahrungsmittelallergien sind nicht die einzigen Faktoren, die das atopische Ekzem beeinflussen, und eine Diät ist immer nur eine Maßnahme von vielen anderen.
Es ist auch nicht ratsam, eine Diät nur auf Grund eines Bluttests (RAST- oder CAP-Test) oder Hauttests (Prick-, Intrakutan-) zu beginnen, weil positive Reaktionen in 25 bis 35 Prozent der Fälle keine klinische Relevanz besitzen. Insbesondere beim Prick-Test sind kommerzielle Allergenlösungen öfter unzuverlässig, und die Testung mit frischen nativen Nahrungsmitteln (Prick-to-prick-Test) zeigt bei Neurodermitikern in bis zu 65 Prozent falsch positive Reaktionen.
Haben die Eltern den Verdacht, dass ein Nahrungsmittel den Hautzustand verschlechtert, sollten sie zunächst ein Symptom- und Ernährungstagebuch über mindestens einen Monat führen. Darin notieren sie die Menge, den Zeitpunkt der Lebensmittelaufnahme sowie das Auftreten von Symptomen. Bei Fertigprodukten sind die Bezeichnung des Produkts, der Hersteller, das Herstellungsdatum und die Chargennummer aufzuschreiben und gegebenenfalls die Verpackung mit der Zutatenliste aufzubewahren. Das Tagebuch hilft dem Arzt bei der Diagnosestellung.
Ernährungsmaßnahmen sollten erst ergriffen werden, wenn die Allergie eindeutig durch die Anamnese belegt und am besten durch einen oralen, kontrollierten Provokationstest nachgewiesen wurde. Wie im Einzelnen dabei vorgegangen wird, hat die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie in einem Positionspapier der AG Nahrungsmittelallergie zusammengefasst.
Beispiel: Bei einem placebokontrollierten Provokationstest muss der Patient das verdächtige Nahrungsmittel bis zu vier Wochen lang meiden. In dieser Zeit muss sich das Hautbild bessern. Geht das Ekzem tatsächlich zurück, wird der Patient im Anschluss mit dem Nahrungsmittel provoziert. Das Allergen ist dazu in einer Trinklösung oder einem Brei farblich und geschmacklich versteckt und von Placebo nicht zu unterscheiden. Bei einer positiven Reaktion ist beim Neurodermitiker 30 bis 60 Minuten nach der Provokation mit Juckreiz oder einem Ekzemschub zu rechnen; es können aber auch Spätreaktionen nach sechs bis 24 Stunden auftreten.
Allergie auf Milch und Ei
Bei einer nachgewiesenen Kuhmilchallergie erhalten Säuglinge starke Hydrolysat-, Soja- oder Aminosäure-Nahrungen. Mit Beginn des Zufütterns müssen sie alle Produkte meiden, die aus Milch hergestellt wurden, also Butter, Sahne, Joghurt, Buttermilch, Kefir, Quark und Käse. Ebenso müssen die Eltern die Zutatenlisten von Fertigprodukten prüfen, ob Milchpulver, Molke, Molkepulver, Milcheiweiß, Milchzucker, Casein oder Lactalbumin darin vorkommen. Milcheiweiß kann auch Margarine, Brot und Würsten zugesetzt sein.
Ein Teil der Allergiker verträgt Milchzucker, Butter, eventuell auch Crème fraîche, Sahne und kleine Mengen an Kuhmilch und Milchprodukten. Kinder im Wachstum benötigen ausreichend Calcium; es muss durch calciumreiche Mineralwässer, Gemüse wie Grünkohl, Spinat, Fenchel, Brokkoli und Hülsenfrüchte, angereicherte Fruchtsäfte, Sojadrinks und eventuell Supplemente ergänzt werden. Zusätzlich sollten durch Fisch, Fleisch und Eier ausreichend tierisches Eiweiß, Vitamin B2 und D zugeführt werden.
Getreidebreie können die Eltern mit starken Hydrolysat- oder Soja-Nahrungen zubereiten. Dabei empfiehlt es sich, die Getreideflocken mit Wasser aufzukochen und nach dem Abkühlen auf 60 °C das Pulver der Hydrolysat-Nahrung unterzurühren. Mandel-, Reis-, Hafer- und Kokosmilch können zwar küchentechnisch eingesetzt werden, sie liefern aber zu wenig Calcium. Milch anderer Tierarten wie Ziege, Schaf und Stute vertragen einige Kuhmilchallergiker; es können aber Kreuzallergien auftreten, was individuell zu prüfen ist.
Mit Hydrolysat-Nahrungen kann man auch Kakao, „Milch“-Mix-Getränke, Pudding, Milchreis, Müsli, Kartoffelpüree, Soßen oder einen Guss für Aufläufe herstellen.
Manchmal richten sich die Allergien nur gegen das hitzelabile Molkeprotein. In diesem Fall kann der Allergiker die Milch abgekocht trinken. Dazu muss sie etwa zehn Minuten bei 100 °C ins Wasserbad. Oft vertragen die Betroffenen auch Käse und Joghurt, weil der Herstellungsprozess die Allergene verändert.
Ei in jeder Form meiden
Hühnerei-Allergene kommen sowohl im rohen als auch im erhitzten Ei vor. Bei Hühnerei-Allergie müssen alle Produkte gemieden werden, die Ei enthalten, zum Beispiel Brot, Brötchen, Kuchen, Teigwaren, Kartoffelzubereitungen, Panaden, Eis und Süßwaren. Fertigprodukte mit folgenden Zutaten weisen auf einen Ei-Zusatz hin: Protein, Fremdprotein, Ovoprotein, Stabilisator, Emulgator und Lecithin. Lecithin kann auch aus Pflanzen gewonnen sein.
Zum Kochen und Backen gibt es Ei-Ersatzpulver (SHS statt Ei®; ohne Ei und Soja hergestellt, allerdings nicht für Allergiker konzipiert). Nicht empfohlen werden dürfen Ei-Ersatzpulver auf Hühnereibasis zum Cholesterol-senken wie becel dotterfrei®. Beim Backen ersetzen zum Beispiel pürierte Banane oder Nussmus ein Ei. Auch können pro Ei ein Esslöffel Sojamehl, ein Teelöffel Johannisbrotkernmehl oder ein halber Esslöffel Pfeilwurzelstärke mit je drei Esslöffel Wasser angesetzt werden. Hackfleisch lässt sich mit Quark oder roher Kartoffel lockern.
Wer Ei vom Speiseplan streicht, muss aus ernährungswissenschaftlicher Sicht nicht für Ersatz sorgen, wenn er sich ansonsten abwechslungsreich mit Fleisch, Milch, Käse, Gemüse und Getreideprodukten ernährt.
Weizen und Soja sind schwer zu umgehen
Weizenallergiker haben es schwer, denn auf Weizen zu verzichten, bedeutet eine erhebliche Einschränkung. Weizenmehl und -flocken finden sich in vielen Brotsorten und Backwaren, aber auch in Puddingpulver, Panaden, Müsli, Pfannkuchen, Kartoffelpuffern, Mehlschwitzen, angedickten Saucen und Würsten. Bei Fertigprodukten können Hinweise auf einen Weizenzusatz sein: Hartweizen, Vollkorn, Bindemittel, Stärke, Semmelmehl, Paniermehl, Malz und Vitalkleber. Auch Medikamente und Dragees können Weizenstärke beinhalten.
Alternativ müssen die Allergiker auf Roggen, Hafer, Gerste, Reis, Mais, Hirse, Buchweizen oder reine Stärkeprodukte umsteigen. Kreuzallergien sind allerdings möglich. Die Urweizenform Dinkel und unreifer Dinkel, so genannter Grünkern, werden von einigen Weizenallergikern vertragen, was zuvor der Arzt per Provokation austesten sollte. Achtung: Glutenfreie Backwaren sind nicht automatisch weizenfrei!
Bei Soja-Allergien müssen Betroffene nicht nur auf offensichtlich Soja-haltige Produkte verzichten wie Sojadrinks, -saucen, -pasten, -fleisch, -sprossen und Tofu. Vor allem isoliertes Sojaeiweiß findet in der Lebensmittelindustrie breite Anwendung. Es wird Backwaren, Frühstückscerealien wie Cornflakes, Fleischwaren, Würsten, Schokolade, Süßwaren und Molkereiprodukten wie Milchfertiggetränken zugesetzt.
Bei verpackten Lebensmitteln muss die Zutatenliste genau geprüft werden. Hinweise können sein: Backmittel, pflanzliches Eiweiß, pflanzliches Fett, Bindemittel, Stabilisator, Emulgator und Lecithin. Raffiniertes Sojaöl wird in der Regel vertragen. Am besten greifen Allergiker auf unverarbeitete Nahrungsmittel zurück und meiden Fertigprodukte. Bei Brot und Wurst ist der Hersteller zu fragen.
Gute Aussichten für Kinder
Nahrungsmittelallergien im Säuglings- und Kleinkindalter haben eine gute Prognose: Die Sensibilisierungen klingen häufig mit zunehmendem Alter ab. Vor allem Kuhmilch vertragen 90 Prozent der Betroffenen im Alter von drei Jahren wieder; Soja-Allergien sind in der Regel bei 90 Prozent und Hühnereiweiß-Allergien bei der Hälfte der Kinder mit fünf Jahren abgeklungen.
Damit sind bei der Einschulung 60 bis 80 Prozent der Nahrungsmittelallergien verschwunden. Aus diesem Grund prüfen die meisten Allergologen beim Kind alle ein bis zwei Jahre erneut durch Provokationstests, ob eine Allergie für das Ekzem noch relevant ist, vor allem dann, wenn die Hauterscheinungen bei älteren Kindern zurückgehen. Sensibilisierungen auf Fisch, Schalentiere, Erdnüsse und Nüsse bestehen meist lebenslang.
Jugendliche oder Erwachsene mit atopischem Ekzem benötigen wesentlich seltener eine Ernährungsberatung. Nur 2 bis 3 bis maximal 10 Prozent reagieren noch auf Nahrungsmittel.
Mit zunehmendem Alter verändern sich die Allergene, die das Ekzem triggern. Milch und Hühnerei-Allergien treten kaum noch auf, während Reaktionen auf frische Früchte, Gewürze, rohes Gemüse, Nüsse, Fisch und Schalentiere zunehmen. Diese sind häufig mit Pollenallergien assoziiert. Zwischen den Pollen von Birke, Erle, Hasel, Beifuß, Gräsern und Getreide und bestimmten Nahrungsmitteln bestehen Kreuzallergien (Tabelle 4). Oft beobachten die Atopiker während der Pollenflugzeit eine verstärkte Belastung.
Tabelle 4: Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien (modifiziert nach 8)
Kreuzreaktion zwischen häufige Allergene seltene Allergene Birke HaselnussApfel, Pfirsich, Nektarine, Zwetschge, Kirsche, Aprikose, Birne, Mirabelle Mandel, Paranuss, Walnuss Birke/Beifuß Sellerie, Karotte, Paprika, Tomate, (rohe) Kartoffel
Anis, Kümmel, Fenchel, Kamille, Pfefferminze
Petersilie, Dill, Koriander, Estragon, Basilikum, Majoran, Oregano, Thymian
Kiwi, Litchi, Mango, Avocado Artischocke, Sonnenblume, Löwenzahn, Aubergine
Salbei, Zitronenmelisse
Liebstöckel, Chilipfeffer/Cayenne, Rosmarin Beifuß Pfeffer Ingwer, Kardamon, Muskatnuss
Melone, Kürbis, Gurke, Zucchini Gräser/Getreide (roher) Weizen, (roher) Roggen, Erbse, Linse, Erdnuss, Soja, (rohe) Kartoffel, Tomate
Probleme mit Rohkost
Auch bei der pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie sollten diagnostische Tests einer Ernährungsumstellung vorausgehen. Meist treten die Beschwerden nur bei rohem Obst, Gemüse oder Getreide wie Frischkornbrei auf, weil die Allergene hitzelabil sind. Somit vertragen Allergiker unter Umständen gedünstetes, gebackenes, eingemachtes oder eingedostes Obst, Gemüse oder Getreide. Hilfreich ist es, rohe Früchte zu schälen.
Viele Kräuter, Gewürze, Haselnuss, Erdnuss und Soja verlieren dagegen durch Erhitzen nicht an Allergenität. Probleme bereiten vor allem in Lebensmitteln versteckte Allergene wie Soja, Erdnuss, Sellerie und Gewürze. Deshalb tun sich Allergiker vor allem mit Fertiggerichten und -produkten schwer, weil deren Zutatenlisten nicht alle Allergene angibt (siehe Kasten). Birken- und Beifuß-Allergiker vertragen manche Tees nicht, zum Beispiel Anis, Fenchel, Kümmel, Kamille und Pfefferminze. Selten vertragen Allergiker auch Früchtetees nicht. Alternativen dazu können Malven-, Hibiskus- und Stiefmütterchentee sein.
Lücken und Tücken der Kennzeichnungsverordnung Allergiker haben es schwer, Allergene in Fertigprodukten aufzuspüren, denn nicht alle Zutaten erscheinen auf den Zutatenlisten. Zum Beispiel müssen Fertigprodukte, die zusammengesetzte Zutaten enthalten, nicht vollständig deklariert sein, sofern die zusammengesetzte Zutat zu weniger als 25 Prozent darin enthalten ist. Ein Beispiel: Ei in Eiernudeln in einer Hühnersuppe muss nicht deklariert werden, ebenso nicht milchhaltige Würstchen in einem Eintopf. Der Schokolade dürfen nach Kakaoverordnung bis zu 5 Prozent Kuhmilch, Ei oder Nüsse ohne Deklaration zugesetzt sein. Hühnereiweiß wird in der Lebensmittelindustrie oft zum Klären von Flüssigkeiten wie Brühe, Aspik, Fruchtsäfte und Wein verwendet, aber nicht deklariert.
Pseudoallergien auf Lebensmittelzusatzstoffe wie Farbstoffe, Konservierungsmittel, Süßstoffe, Geschmacksverstärker und Antioxidantien oder natürliche Stoffe wie Salicylsäure, biogene Amine und Aromastoffe haben generell eine untergeordnete Bedeutung beim atopischen Ekzem. Sie betreffen nur etwa ein Prozent der Neurodermitiker. Ihre Diagnose ist schwierig; oft fallen sie nur durch die Anamnese auf.
Schluck für Schluck
Bisher gibt es lediglich Einzelfall- und Erfahrungsberichte zur oralen Hyposensibilisierung; kontrollierte Studien fehlen. So gelang es, Erwachsene mit steigenden Mengen an Kuhmilch zu hyposensibilisieren. Erfolge wurde auch mit Hühnereiweiß und -eigelb, Sellerie-, Karotten- und Petersilienextrakt erzielt. Die Behandlung sollte nur in spezialisierten Zentren und im Rahmen wissenschaftlicher Programme vorgenommen werden. Die Patienten müssen im Anschluss täglich eine Erhaltungsdosis einnehmen.
Wer mit einer Nahrungsmittelallergie leben muss, hat vor allem im Restaurant ein Problem. Allergiker mit milder Symptomatik können H1-Antagonisten der zweiten Generation wie Cetirizin, Desloratadin, Fexofenadin, Levocetirizin, Loratadin und Mizolastin prophylaktisch einnehmen, die die Beschwerden abschwächen. Sie werden auch zur Dauermedikation eingesetzt. Außerdem bietet der Mastzellenstabilisator Cromoglicinsäure - vor den Mahlzeiten eingenommen - bei leichten Beschwerden einen gewissen Schutz.
Zusammenfassend ist zu sagen: Eltern erkrankter Kinder oder Betroffene selbst sollten ohne ärztliche Diagnostik keine vorbeugenden oder pauschalen Diäten einhalten. Bestätigt ein Test den Einfluss eines Nahrungsmittels auf das Ekzem, müssen Betroffene individuell reagieren. Bei Kindern verlieren sich die meisten Nahrungsmittelallergien im Laufe weniger Jahre.
Literatur
Die Autorin
Tanja Schweig studierte in Bonn Pharmazie. Nach ihrer Approbation 1991 arbeitete sie in öffentlichen Apotheken. 1993 volontierte sie beim Govi-Verlag im Bereich Publikumsmedien und war danach als Redakteurin in der Redaktion Neue Apotheken Illustrierte/Gesundheit tätig. Für den Govi-Verlag verfasste sie Ratgeber zu den Themen Neurodermitis, Abnehmen und Nährwerte. Seit Juli 1998 schreibt sie als freie Journalistin. Sie ist freie Mitarbeiterin der PZ-Beilage PTA-Forum.
Anschrift der Verfasserin:
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