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Plädoyer für die moderne Mischextraktion

31.10.2005  00:00 Uhr
.Phytogalenik

Plädoyer für die moderne Mischextraktion

von Martin Tegtmeier und Götz Harnischfeger, Goslar

Die Ursprünge der medikamentösen Therapie liegen in der Isolation, Identifizierung, Zubereitung und Verabreichung spezifischer Arzneipflanzen beziehungsweise ihrer Inhaltsstoffe.

Wird die Frage diskutiert, ob zur Herstellung eines pflanzlichen Kombinationsarzneimittels die Produktion von Einzelextrakten oder die Mischextraktion sinnvoll ist, so lässt sich grundsätzlich sagen: Die Vorzüge der Mischextraktion liegen auf der Hand. Dieser Beitrag soll dazu dienen, diesem Verfahren, das sich bei den Zulassungsbehörden bislang noch nicht etablieren konnte, seinen Platz als anerkannte Extraktionsmethode zu sichern.

Vom Tee zur Arznei

Einen ersten und wichtigen Schritt zur Erzielung von Arzneipflanzenzubereitungen vergleichbarer Qualität bildete die definierte Herstellung von Tinkturen und Einzel- beziehungsweise Misch-Extrakten in der Offizin, nachdem über Jahrhunderte der Arzneitee gängige Darreichungsform war. Dieser Tee wurde zum Beispiel auf Grund einer ärztlichen Verschreibung in der Apotheke gemischt und dem Patienten ausgehändigt, dem wiederum selbst die Zubereitung durch Übergießen mit heißem oder kochendem Wasser oblag. Die Teezubereitung entspricht damit einer Mischextraktion, da die Drogen gemeinsam extrahiert werden.

Die Nachteile dieser individuellen Zubereitung liegen in großen Qualitätsschwankungen, die eine gleich bleibende und konstante Therapie kaum ermöglichen. Mit Wasser steht zudem nur ein Extraktionsmittel zur Lösung hydrophiler Inhaltsstoffe zur Verfügung. Diese Nachteile lassen sich auch durch Variation des Temperaturgradienten nicht kompensieren.

Bereits die vorindustrielle Herstellung von Tinkturen und Extrakten aus einer oder mehreren Teedrogen in der Apotheke nach verbindlichen Vorgaben zum Beispiel des Deutschen Arzneibuches galt als großer Fortschritt. Es brach sodann die industrielle Herstellung von Phytopharmaka in spezialisierten Betrieben an. Auch hier bietet sich zum einen die separate Extraktion per Mazeration oder Perkolation jeder letztlich im Kombinationspräparat enthaltenen Arzneidroge und die Zusammenführung der Extrakte in einem der letzten Herstellungsschritte, zum Beispiel der Granulation, an. Es können hingegen zum anderen alle letztlich im Kombinationspräparat enthaltenen Arzneidrogen gemeinsam extrahiert und anschließend weiterverarbeitet werden.

Vorteile überwiegen

Generell unterliegt die Herstellung von Extrakten als Basis von Phytotherapeutika einem immer stärker werdenden Gebot der Wirtschaftlichkeit und Erfüllung weitreichender GMP- und Behördenregularien. Die Mischextraktion besticht durch eine einfache Produktionslogistik und geringere Rüst- und Reinigungsarbeiten. Die Qualitätsprüfung und -sicherung ist der von Einzelextrakten vergleichbar. Es kommen dieselben Analysenmethoden zum Einsatz, doch kann der Aufwand verfahrensbedingt verringert werden.

Für die Kombination der Einzelextrakte spricht einerseits, dass das für die jeweilige Droge optimale Extraktionsverfahren zum Einsatz kommen kann. Daneben sind Einzelextrakte für den Extrakthersteller flexibler verwendbar, weil sie als Basis für verschiedene Phytotherapeutika genommen werden können. Zudem sind sie bei den Zulassungsbehörden etabliert, da die meisten pflanzlichen Arzneimittel nur noch einen Einzelextrakt als arzneilich wirksamen Bestandteil besitzen. Jedoch ist das Interaktionspotenzial bei der Mischung von Einzelextrakten größer: So kann es bei flüssigen Darreichungsformen zu Trübungen und Ausfällungen kommen. Die Kombination der Einzelextrakte geht mit höheren Herstell- und Analysenkosten sowie einem größerem Reinigungsaufwand einher. Jeder Extrakt für sich bedarf einer Charakterisierung inklusive eigener Stabilitätsstudien. Bei einer Kombination von Einzelextrakten in einem Phytopharmakon müssen aufwendige klinische Studien durchgeführt werden, sofern nicht eine Monographie für diese Kombination von der Aufbereitungskommission E publiziert worden ist. In der klinischen Studie, welche der erforderlichen Kombinationsbegründung in einem Zulassungsantrag dienen soll, müssen neben einem Verum- und Placeboarm auch Prüfmedikationen getestet werden, welche nur jeweils einen Einzelextrakt aus der Kombination enthalten. So verdoppelt sich bereits bei einer Kombination mit zwei Einzelextrakten der klinische Prüfungsaufwand. Hier offenbart sich, wie ressourcenintensiv die Verwendung von Einzelextrakten bei Kombinationsphytopharmaka ist.

Bei der Mischextraktion hingegen kann man sich spezifischer Extraktionssynergismen bedienen. So können zum Beispiel Saponine als natürliche Lösungsvermittler die Zusammensetzung von Mischextrakten optimieren. Auch liegt eine geringere Tendenz zu Ausfällungen oder Trübungen bei flüssigen Darreichungsformen vor. Im Vergleich zu Kombinationen von Einzelextrakten ist eine bessere Haltbarkeit und Stabilität gegeben. Um einen Mischextrakt herzustellen, ist nur ein Arbeitsgang unabhängig von der Anzahl der eingesetzten Drogen erforderlich. Die Mischextraktion geht mit einem reduzierten Aufwand einher. Es ist nur eine toxikologische Prüfung notwendig und eine umfangreiche klinische Kombinationsbegründung entfällt.

Mit anderen Worten: Mischextrakte zeichnen sich durch eine einfache Produktionslogistik sowie durch eine bessere Ökologie und Ökonomie bei Vermeidung von Doppel- und Mehrfacharbeiten aus. Sie sind ressourcenschonend. Zwar ist die andere Seite der Medaille, dass das Auszugsmittel bei einer Mischextraktion nicht den speziellen Belangen jeder Einzeldroge angepasst werden kann. Doch lässt sich konstatieren, dass Mischextrakte gegenüber der Kombination von Einzelextrakten der jeweiligen Drogen etliche Vorteile aufweisen, die mit zunehmender Anzahl der eingesetzten Drogen und der generellen Bedeutung des pflanzlichen Kombinationsarzneimittels zunehmen.

Noch immer Nischendasein

Leider wird die Mischextraktion heute nur wenig genutzt. Zwei wichtige Gründe für dieses Nischendasein sind sicherlich die generelle Skepsis gegenüber Kombinationsarzneimitteln, aber auch die vorzeitige, vom Gesetzgeber angeordnete Beendigung der Monographieerstellung durch die Kommission E. Dieses abrupte Ende trat unglücklicherweise gerade zu dem Zeitpunkt ein, als sich die Experten der Kommission verstärkt den Kombinationen zugewendet hatten.

 

GlossarAuszugsmittel
Um die für die arzneiliche Wirkung einer Arzneidroge verantwortlichen Inhaltsstoffe in einen Extrakt überführen zu können, wird ein Auszugsmittel ausgewählt, welches die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Inhaltsstoffe berücksichtigt. Üblicherweise werden Ethanol, Isopropanol, Methanol und Aceton sowie deren Mischungen mit Wasser verwendet.

Droge-Extrakt-Verhältnis
Das Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) gibt an, wie viele Teile der Arzneidroge für die Herstellung des Extraktäquivalentes benötigt werden. Bei einem nativen Fluidextrakt sind das Volumen und die Masse des Extraktes meist größer als die eingesetzte Ausgangsmenge an Arzneidroge. Deswegen wird der Drogenanteil stets auf den Wert 1 festgelegt. Auf Grund der natürlichen Schwankungen an Inhaltsstoffen in der Arzneidroge ergibt sich eine Spanne für den Extraktanteil. So könnte das DEV für einen nativen Fluidextrakt lauten: 1:4-6. Im Europäischen Arzneibuch wird innerhalb der Allgemeinen Monographie »Extrakte« auch eine Definition für Fluidextrakte angegeben. Danach sollte bei Fluidextrakten das DEV 1:1 betragen. Um ein solches DEV zu erreichen, wird ausdrücklich auf zusätzliche Verfahrensschritte nach der Extraktion hingewiesen. Damit handelt es sich bei dem in der Allgemeinen Monographie des Europäischen Arzneibuches genannten Fluidextrakt um eine Fluidextraktzubereitung. Eine andere Relation besteht bei Trockenextrakten, da die Masse des Extraktes kleiner ist als die der eingesetzten Arzneidroge. Damit wird der Extraktanteil auf den Wert 1 fixiert. Eine Spanne beim Anteil der Arzneidroge berücksichtigt dafür deren natürliche Schwankungen im Gehalt der Inhaltsstoffe. Ein typisches DEV für einen Trockenextrakt ist: 3,5-5,5 : 1.

Einzelextrakt
Aus einer Arzneidroge wird ein Extrakt hergestellt.

Extraktzubereitung
Eine Extraktzubereitung besteht aus einem nativen Extrakt und inerten Hilfsstoffen.

Fluidextraktzubereitung
Eine Fluidextraktzubereitung wird aus einem nativem Fluidextrakt meist durch Einengen und anschließendes Verdünnen mit dem Auszugsmittel hergestellt. Entsteht der native Fluidextrakt über eine Mazeration, ist gegebenenfalls nur eine Zugabe des Auszugsmittels erforderlich. Dadurch kann auch das in der Allgemeinen Monographie »Extrakte« des Europäischen Arzneibuches genannte DEV von 1:1 für eine Fluidextraktzubereitung erreicht werden.

Mazeration
Bei der Mazeration wird zu der Arzneidroge das Auszugsmittel gegeben, um anschließend den Extraktionsansatz in Ruhe über einen definierten Zeitraum stehen zu lassen. Während der Standzeit löst das Auszugsmittel die Extraktivstoffe aus der Arzneidroge bis ein Gleichgewichtszustand eingetreten ist. Die Mazeration ist somit kein erschöpfendes Extraktionsverfahren.

Mischextrakt
Mehrere Arzneidrogen werden gemeinsam extrahiert, sodass ein Mischextrakt entsteht. Generell kann bei einer Mischextraktion jedes Extraktionsverfahren (zum Beispiel Mazeration oder Perkolation) eingesetzt werden.

Nativer Extrakt
Ein nativer Extrakt enthält nur die Extraktivstoffe der Arzneidroge. Lediglich bei nativen Fluidextrakten ist neben den Extraktivstoffen auch noch das Auszugsmittel vorhanden.

Perkolation
Die Perkolation ist ein erschöpfendes Extraktionsverfahren. Dafür wird die Arzneidroge kontinuierlich mit dem Auszugsmittel versetzt und der entstandene Extrakt abgetrennt.

Tinktur
In der Allgemeinen Monographie »Extrakte« des Europäischen Arzneibuches wird nur das Verhältnis von Droge zu Auszugsmittel, jedoch kein DEV definiert. Da nach Abschluss der Extraktion gegebenenfalls nur eine Filtration des Extraktes erfolgt, ansonsten aber keine Veränderungen in der Zusammensetzung stattfinden, ist die Tinktur ein nativer Fluidextrakt.

Trockenextraktzubereitung
Trockenextraktzubereitungen enthalten neben dem nativen Extrakt unter anderem mikrokristalline Cellulose, Lactose, Maltodextrin oder hochdisperses Siliciumdioxid als Trägerstoffe und Funktionshilfsmittel. Nur auf diesem Wege können die meisten Trockenextraktzubereitungen produziert werden.

 

Dieses ist besonders bedauerlich, da eine Mischextraktion auch in der Präklinik den Untersuchungsumfang reduziert: Man kann sich auf eine toxikologische Prüfung beschränken. Gleichzeitig ist eine höhere Aussagekraft gegeben, indem eventuell vorhandene Interaktionen zwischen den Inhaltsstoffen der verschiedenen Drogen erkannt werden können. Erhöht beispielsweise der Inhaltsstoff einer Droge die Bioverfügbarkeit eines unerwünschten Inhaltsstoffes einer anderen Droge des Mischextraktes, offenbart sich dies bei der toxikologischen Prüfung des Mischextraktes. Wird hingegen das pflanzliche Kombinationspräparat unter Verwendung von Einzelextrakten hergestellt, kann diese Wechselwirkung nicht entdeckt werden, da dann ja nur eine individuelle Prüfung der Einzelextrakte erfolgt. Auch klinische Studien gehen bei Mischextrakten mit einem geringeren Aufwand einher, da nicht so viele Studienarme wie beim Test von Einzelextrakten notwendig sind. Neben den fehlenden Monographien der Kommission E wird leider die Mischextraktion auch in der wissenschaftlichen Literatur wenig thematisiert. Die meisten Standardwerke der Pharmazeutischen Technologie und Phytopharmazie streifen dieses Extraktionsverfahren nur. Damit existieren kaum Bezugsquellen, welche auch dem Nicht-Spezialisten eine schnelle und leichte Beurteilung der Mischextraktion ermöglichen. Vor diesem Problem stehen auch die Gutachter in den Zulassungsbehörden, insbesondere von Ländern, in denen die Phytotherapie nicht so verbreitet ist. So verzögert nicht eine generelle Ablehnung, sondern eine zu dünne Informationslage ein schnelles und positives Zulassungsvotum.

Deklaration und Analytik

Bei der Deklaration von Phytotherapeutika basierend auf Einzelextrakten müssen unabhängig von der Darreichungsform Angaben zum Gehalt des nativen Extraktes, zum Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV), zur eingesetzten Arzneidroge sowie zum verwendeten Extraktionsmittel gemacht werden.

Auch bei einem Mischextrakt müssen diese Deklarationsregeln natürlich erfüllt werden. Bei der Ermittlung des Droge-Extrakt-Verhältnisses (DEV) wird im Gegensatz zum Phytotherapeutikum basierend auf einem Einzelextrakt nicht der Anteil an Einzeldroge, sondern der Anteil an Gesamtdroge herangezogen, der sich aus der Summe aller eingesetzten Drogen ergibt. Weiterhin müssen alle eingesetzten Arzneidrogen sowie das innere Mengenverhältnis der eingesetzten Arzneidrogen genannt werden. Darüber hinaus muss das eingesetzte Extraktionsmittel aufgeführt werden (siehe Kasten). Im Falle einer flüssigen Darreichungsform könnte die Deklaration wie folgt aussehen: »10 ml (=10 g) Flüssigkeit enthalten: 5,75 g Fluidextrakt (DEV 1:1,2-1,6) aus Baldrianwurzel, Hopfenzapfen und Melissenblätter (4,8:1,2:4), Auszugsmittel: Ethanol 30 Prozent (V/V)«. Im Falle einer festen Darreichungsform könnte die Angabe wie folgt lauten: »1 Tablette enthält: 3,2 mg nativen Trockenextrakt (DEV 4-9:1) aus Baptisiae tinctoriae radix, Echinaceae pallidae radix, Echinaceae purpureae radix und Thujae occidentalis herba (4,92:1,85:1,85:1), Auszugsmittel: Ethanol 30 Prozent (V/V)«.

 

Vorgeschriebene Angaben zur Deklaration eines Mischextraktes
  • Gehalt des nativen Mischextraktes in der Darreichungsform
  • Angabe des Droge-Extrakt-Verhältnisses (DEV), wobei sich die Drogenmenge aus der Summe aller eingesetzten Drogen ergibt und sich der Extraktwert auf den Mischextrakt bezieht
  • Nennung aller eingesetzten Arzneidrogen
  • Angabe der inneren Mengenverhältnisse der eingesetzten Arzneidrogen und
  • Nennung des verwendeten Extraktionsmittels

 

Die Analytik von Phytopharmaka ist auf Grund der heute üblichen chromatographischen Trenntechniken in Kombination mit exzellenten Detektionsmöglichkeiten zum Beispiel mit Hilfe des Dioden-Array-Detektors (DAD) von großer Aussagekraft. Prinzipiell folgt die Analytik eines Mischextraktes dem Vorgehen bei einem Standardextrakt, der nur die Extraktivstoffe einer Droge enthält: Die Prüfungen zur Identität und Reinheit sowie eine Gehaltsbestimmung des Einzel- oder Mischextraktes sind obligatorisch. Weitere Bestimmungen orientieren sich primär an der Zubereitungsform des Extraktes. So wird bei einer Trockenextraktzubereitung der Trocknungsverlust, bei einem Fluidextrakt der Trockenrückstand ermittelt. Üblicherweise erfolgen die Identitäts- und Reinheitsprüfungen über Fingerprint-Chromatogramme, wobei die Dünnschichtchromatographie gegenüber HPLC und GC dominiert.

Zur Gehaltsbestimmung wird der Gehalt einer für die jeweilige Droge charakteristischen Leitsubstanz sowohl in der Extraktzubereitung als auch im darauf basierenden Phytotherapeutikum unabhängig von der Darreichungsform bestimmt. Die ermittelten Werte sollten nicht mehr als ± 5 Prozent voneinander abweichen. In Einzelfällen sind auch größere Gehaltsspannen von zum Beispiel ± 10 Prozent möglich, müssen jedoch gegenüber den Zulassungsbehörden begründet werden. Dabei können drogenspezifische Charakteristika Grund für höhere Abweichungen sein.

Dabei fallen insbesondere Modifikationen in der Probenvorbereitung an, um Einflüsse der Darreichungsform beziehungsweise von Hilfsstoffen zu berücksichtigen. Die Gehaltsbestimmung erfasst den Gesamtextrakt, indem analog zur Deklaration der Gehalt an nativem Extrakt pro Darreichungsform bestimmt wird. In der praktischen Durchführung wird der Gehalt einer Leitsubstanz in der Extraktzubereitung und in der hergestellten Darreichungsform gemessen. Um größere Gehaltsspannen wie Abweichungen von ± Prozent zu rechtfertigen, fordern die jeweiligen Zulassungsbehörden nachvollziehbare Begründungen. So kann beispielsweise die für das betreffende Phytopharmakon einsetzbare Analytik nicht die für eine Gehaltsspanne von ± 5 Prozent erforderliche Präzision gewährleisten. Aber auch drogenspezifische Charakteristika können der Grund für höhere Gehaltsspannen sein. Das vorgestellte Vorgehen für die Gehaltsbestimmung über eine chargenspezifische Wiederfindung einer Leitsubstanz zur Quantifizierung bei Phytopharmaka hat sich seit 10 Jahren bewährt. Diese Methode bietet sich auch zur Gehaltsbestimmung bei Mischextraktionen an und kann dort problemlos eingesetzt werden.

Es könnte sich nun die Frage stellen, ob bei einem Mischextrakt eine Gehaltsbestimmung für jede bei der Mischextraktion verwendete Droge sinnvoll und erforderlich ist. Das heißt, ob beispielsweise bei einem Mischextrakt aus drei Drogen dreimal eine chargenspezifische Wiederfindung einer Leitsubstanz stattfinden soll. Eine überzeugende Antwort kann dabei aber nur aus einer Betrachtung der analytischen Sachlage und nicht aus formalen Gesichtspunkten gegeben werden. Am Beginn der Beurteilung muss daran erinnert werden, dass die chargenspezifische Wiederfindung einer Leitsubstanz die Methode der Wahl zur Quantifizierung von komplexen Vielstoffgemischen ist. Dieses Prinzip ist Stand des aktuellen Wissens bei der Qualitätskontrolle von Phytopharmaka. Ein Mischextrakt ist ebenfalls ein komplexes Vielstoffgemisch, welches im Unterschied zu den Standardextrakten nicht nur von einer, sondern von mehreren Drogen stammt. Durch die chargenspezifische Wiederfindung wird geprüft, ob die in der Rezeptur für eine Darreichungsform vorgesehene Menge eines Extraktes auch tatsächlich in der Darreichungsform vorhanden ist.

Wenn bei einem Vielstoffgemisch von einem Standardextrakt eine Leitsubstanz als repräsentativer Parameter anerkannt wird, gilt die gleiche Logik auch für ein Vielstoffgemisch von einem Mischextrakt. Auch in diesem Fall besitzt die Quantifizierung einer Leitsubstanz in einem Vielstoffgemisch eines Mischextraktes und in der mit dem Mischextrakt hergestellten Darreichungsform die gleiche Aussagekraft für die nötige Qualitätsbeurteilung.

Die Wiederfindung über weitere Leitsubstanzen, welche beispielsweise anderen Ursprungsdrogen eines Mischextraktes zuzuordnen sind, liefert hingegen keinerlei GMP-relevante Erkenntnisse. So soll die Wiederfindung in erster Linie bei der Herstellung von Phytopharmaka die Chargenkonformität gewährleisten. Bei pflanzlichen Arzneimitteln wird durch die chargenspezifische Wiederfindung im eigentliche Sinne die korrekte Einwaage des Extraktes als arzneilich wirksamer Bestandteil überprüft. Die Einwaage eines Vielstoffgemisches ­ unabhängig davon, ob es von einem Standardextrakt oder einem Mischextrakt stammt ­ ist aber entweder in toto korrekt oder aber falsch. Partielle Einwaagefehler, beispielsweise auf drogenspezifische Anteile in einem Vielstoffgemisch von einem Mischextrakt, sind aber unmöglich.

Die generelle Eignung der Rezeptur und des Herstellungsverfahrens wird zudem durch den Einsatz von Standardtechniken in der Produktion und/oder entsprechender Validierungen der Herstellungsschritte gewährleistet, sodass die erforderliche und spezifizierte Qualität bei jeder Charge auch auf diesem Wege gesichert ist.

Für die Untersuchung von Phytopharmaka ist der Einsatz von Fingerprint-Chromatogrammen charakteristisch. Hauptsächlich wird dabei das Vielstoffgemisch eines (Misch-)Extraktes mit Hilfe der Dünnschichtchromatographie (DC) oder Hochdruck-Flüssigkeitschromatographie (HPLC) analysiert. Die Reproduzierbarkeit der Chromatogramme zu Beginn und am Ende der Herstellung oder Lagerung gilt als aussagekräftigster Parameter für die Qualität eines pflanzlichen Vielstoffgemisches. Mit Hilfe spezifischer Peaks können Aussagen zum Inhaltsstoffmuster gemacht und gegebenenfalls auch Zersetzungsprodukte identifiziert werden.

Mischextrakte werden gemäß dem Vorbild der Standardextrakte untersucht. Es existieren weder generelle analytische noch technische Unterschiede. Auch droht keine Einbuße in Hinblick auf die Qualitätsaussagen. Die Bestimmung einer Leitsubstanz erlaubt qualitative und quantitative Aussagen auch zu einzelnen Chargen des jeweiligen Phytotherapeutikums.

Fixe Kombinationen

Die Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes hat von 1991 bis 1993 insgesamt 16 Positiv-Monographien und 47 Muster nach § 105 Absatz 3a Nr. 5 des Arzneimittelgesetzes für fixe Kombinationen aus Arzneidrogen publiziert. Soll ein Phytotherapeutikum mit einem Mischextrakt entwickelt werden, kann sich der pharmazeutische Unternehmer bei den Zulassungsanträgen auf diese Aufbereitungsmonographien beziehen.

Gerade zu Beginn der ersten Veröffentlichungen von Monographien zu fixen Kombinationen im Jahre 1991 fanden umfangreiche Diskussionen statt, ob die fixen Kombinationen nur die Kombination von Einzelextrakten oder auch Mischextrakte abdecken. Das Bundesgesundheitsamt als Vorläuferbehörde des heutigen Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte bestätigte, dass Mischextrakte wie fixe Kombinationen zu behandeln sind. Damit kommen die Hersteller von Phytotherapeutika nicht nur in den Genuss der oben geschilderten Vorzüge der Mischextraktion, sondern auch erleichterter Zulassungskriterien durch positiv monographierte Arzneidrogen, Kombinationen und Standardzulassungen.

1982 wurde die erste Verordnung über Standardzulassungen verkündet. Bis zum heutigen Datum ist in neun Ergänzungs-/Änderungsverordnungen eine stete Aktualisierung an den wissenschaftlichen Kenntnisstand erfolgt. Durch die Standardzulassungen ist ein Weg bereitet worden, bewährte Arzneimittel auch ohne individuelle Einzelzulassung in den Verkehr bringen zu können. Diese rechtliche Möglichkeit wurde zunächst hauptsächlich von Apotheken mit eigener Herstellung genutzt, um weiterhin Hausprodukte anbieten zu können. In jüngster Zeit gewinnt diese Zulassungsvariante zunehmend das Interesse phytotherapeutischer Hersteller so genannter C-Produkte, die nur ein geringes Umsatzpotenzial vorweisen können.

Es existiert last but not least auch eine Standardzulassung für eine flüssige Darreichungsform mit einem Mischextrakt: die zusammengesetzte Chinatinktur. Sie wird über Mischextraktion von Chinarinde, Enzianwurzel, Pomeranzenschale und Zimtrinde hergestellt. Dieses Arzneimittel mit der Zulassungsnummer 8799.99.99 wird ausführlich in der Monographie des Deutschen Arzneibuches definiert. Auch die nationalen Pharmakopöen von Österreich und der Schweiz berücksichtigen diese Spezialität.

Zukünftig werden mehr und mehr Arzneidrogenmischungen aus dem asiatischen Raum, so zum Beispiel aus der indischen oder chinesischen Medizin auf den deutschen Markt kommen. Zur Schaffung von Transparenz ist auch hier die Einhaltung der Vorgaben zur Deklaration, Herstellung und Prüfung von Mischextrakten unbedingt erforderlich.

 

Literatur bei den Verfassern

 

Die Autoren

Martin Tegtmeier studierte Pharmazie, Medizin (Physikum) und Humanbiologie in Marburg/Lahn. Nach seiner Approbation als Apotheker 1990 hat Tegtmeier bis 1992 am Institut für Pharmakologie und Toxikologie in Marburg/Lahn gearbeitet. Der Fachapotheker für Pharmazeutische Technologie und Pharmazeutische Analytik war nach seiner Promotion 1992 als Bereichsleiter für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie in einem mittelständischen Unternehmen zur Herstellung von Phytopharmaka tätig, in dem er heute Herstellungsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung ist. 1999 wurde Tegtmeier in die Fachkommission »Pharmazeutische Technologie« der Bundesapothekerkammer - BAK berufen. 2005 erhielt er den »Preis für Pharma Technik«. Die wissenschaftliche Arbeit von Tegtmeier ist der Bearbeitung phytogalenischer Fragestellungen und der Betrachtung der Wechselwirkungen von Naturstoffen mit dem Cytochrom-P450-System gewidmet.

Götz Harnischfeger studierte Pharmazie in Frankfurt/Main und Chemie an der Staatsuniversität von Florida/USA. Nach seiner Approbation 1965 und Promotion 1970 war der Fachapotheker für Pharmazeutische Technologie und Pharmazeutische Analytik von 1970 bis 1979 am Institut der Biochemie für Pflanzen in Göttingen tätig. Nach seiner Habilitation 1976 wurde Harnischfeger 1979 Herstellungsleiter und Mitglied der Geschäftsführung eines mittelständischen Unternehmens zur Herstellung von Phytopharmaka. 1980 wurde er zum außerplanmäßigen Professor ernannt, 1984 in die Aufbereitungskommission B5 des BGA, 1987 in den Arzneibuchausschuss Pharmazeutische Biologie des DAB sowie 1991 in die Expertengruppe XIII B (Pharmazeutische Biologie) des EuAB, Straßburg, berufen. Harnischfeger erhielt 2005 den »Preis für Pharma Technik«. Er betreut nicht nur zahlreiche Diplomanden und Doktoranden. Harnischfeger ist auch als Autor und Mitherausgeber zahlreicher Publikationen und Fachbücher bekannt.

 

Anschrift der Verfasser:
Dr. Martin Tegtmeier
Hirschstraße 8
38640 Goslar
Prof. Dr. Götz Harnischfeger
Breiter Weg 15
38640 Goslar
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