Pharmazeutische Zeitung online

Süße Last auf kranken Herzen

15.08.2005  00:00 Uhr
.Diabetes und KHK

Süße Last auf kranken Herzen

von Christiane Imhoff und Thomas Haak, Bad Mergentheim

Menschen mit Diabetes mellitus sterben heute meist nicht mehr an einer Stoffwechselentgleisung, sondern an kardiovaskulären Folgen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Die konsequente Einstellung des Blutzuckers und die Reduktion aller Risikofaktoren schonen Herz und Gefäße.

Vier von fünf Diabetikern sterben an Herz-Kreislauf-Erkrankungen; in der Normalbevölkerung ist es »nur« jeder Zweite. 75 Prozent dieser atherosklerotisch bedingten Todesfälle entfallen auf die koronare Herzkrankheit einschließlich Herzinsuffizienz und 25 Prozent auf cerebrovaskuläre Erkrankungen. In der Gruppe der 55- bis 74-Jährigen haben etwa 9 Prozent der Bevölkerung einen manifesten Diabetes, bei weiteren 9 Prozent ist die Erkrankung noch nicht entdeckt und weitere 17 bis 27 Prozent haben eine prädiabetische Stoffwechsellage (gestörte Glucosetoleranz). Wichtig für die Beratung: Das Risiko für Gefäßveränderungen beginnt bereits im oberen Normbereich des Blutzuckers zu steigen.

Nur ein Viertel der Herzinfarktpatienten hat keinen Diabetes und keine prädiabetische Stoffwechsellage (1). Bei vielen Patienten liegt jedoch ein metabolisches Syndrom vor, das mehrere Komponenten enthält (2):

  • abdominelle Adipositas,
  • Taillenumfang über 102 cm bei Männern und 98 cm bei Frauen, entsprechend einem Body-Mass-Index [Körpergewicht in kg : (Körpergröße in m)2 = BMI] von 29 kg/m2,
  • Hypertriglyzeridämie über 150 mg/dl,
  • niedriges HDL-Cholesterol unter 40 mg/dl,
  • Hypertonie mit Werten über oder gleich 130/85 mmHg sowie
  • erhöhter Nüchternblutzuckerwert über 110 mg/dl (Plasmaglucose).

Die Bedeutung dieser zusätzlichen Risikofaktoren für das KHK-Risiko bei Diabetes mellitus Typ 2 gibt Tabelle 1 wieder. In dieser Analyse wurde aus einem heterogenen Patientenkollektiv das Drittel der schlecht eingestellten Patienten mit Stoffwechselparametern und Blutdruckwerten oberhalb der angegebenen Grenzwerte verglichen mit einem sehr gut geführten Patientenkollektiv mit Werten unterhalb der angegebenen Grenzwerte oder hohem HDL-Cholesterol. Daraus errechnet sich das relative Risiko eines Patienten.

 

Tabelle 1: Bedeutung zusätzlicher Risikofaktoren für das KHK-Risiko bei Diabetes mellitus Typ 2 (3)

RisikofaktorOberes versus unteres Drittel*Relatives Risiko LDL-Cholesterol (mg/dl) > 147/< 116 2,3 HDL-Cholesterol (mg/dl) > 44/< 37 0,5 systolischer Blutdruck (mmHg) > 142/< 125 1,72 diastolischer Blutdruck (mmHg) > 87/< 79 1,45 HbA1c (Prozent) > 7,5/< 6,2 1,78 Rauchen ja/nie 1,55

*) Patientengruppen aus einem heterogenen Kollektiv

  

Atheroskleroserisiko steigt

Die Atherosklerose ist ein Altersprozess, der sich durch Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypertonie und Hypercholesterolämie sowie Rauchen frühzeitig manifestiert. Das Risiko steigt in Abhängigkeit von der Anzahl der Risikofaktoren exponentiell an. Bei dessen individueller Abschätzung ist der PROCAM-Score hilfreich (Tabelle 2). Bei einer Summe über 53 liegt das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Tod oder Myokardinfarkt innerhalb der nächsten zehn Jahre über 20 Prozent.

 

Tabelle 2: PROCAM-Score zur Abschätzung des individuellen Herz-Kreislauf-Risikos (4)

Alter (Jahre) Punkte LDL-Cholesterol (mg/dl) Punkte 35-39 0 < 100 0 40-44 6 100-129 5 45-49 11 130-159 10 50-54 16 160-189 14 55-59 21 > 190 20 60-65 26         HDL-Cholesterol (mg/dl)  Raucher  < 35 11 nein 0 35-44 8 ja 8 45-54 5     > 55 0 Diabetes mellitus      nein 0 Triglyzeride (mg/dl)  ja 6 < 100 0     100-149 2 systolischer Blutdruck (mmHg)   150-199 3 < 120 0 > 200 4 120-129 2     130-139 3     140-149 5     > 160 8    

  

Die Pathophysiologie macht deutlich, dass die einzelnen Risikofaktoren sich nicht nur gegenseitig addieren, sondern potenzieren. Die Gefäßwände sind durch das Endothel ausgekleidet. Eine Hyperglykämie schädigt diese Zellschicht unter anderem durch verstärkten oxidativen Stress, eine chronische subklinische Entzündung, Expression von Leukozytenadhäsionsmolekülen, Zunahme prothrombogener Faktoren im Blut und eine erhöhte Aggregation und Adhäsion von Thrombozyten. Ferner kommt es zur Bildung von glykierten Eiweißstrukturen (advanced glycation endproducts, AGEs). Auch die Hypertonie schädigt das Endothel, vor allem an den Verzweigungspunkten des Gefäßsystems. Die Hyperlipidämie bewirkt eine vermehrte Fetteinlagerung ins Endothel. Infektiöse Mechanismen und Entzündungsvorgänge scheinen die Atherosklerose zu begünstigen. Ein erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) als Zeichen einer subklinischen chronischen Entzündung gilt als weiterer Risikofaktor (1).

Diese Veränderungen in den Gefäßen können einem Herzinfarkt den Boden bereiten. In der Regel kommt es bei geringgradigen Stenosen oder prominenten Plaques zur Anlagerung eines Thrombus und damit zum Gefäßverschluss. Ursachen sind die besonders bei Diabetikern nachweisbare erhöhte Thrombozytenaktivität sowie die gesteigerte Aktivität von Aktivatoren der Gerinnungsfaktoren (PAI1, Plasminogen Aktivator Inhibitor 1).

Vorsicht Herzinfarkt

Diabetiker sollten besonders sorgfältig auf die Symptome eines Herzinfarktes und der koronaren Herzkrankheit achten (5): Übelkeit, Brechreiz, starkes Angstgefühl, intensiver Schmerz über der Brust mit Druckgefühl, Ausstrahlung des Schmerzes in den Hals, den linken Arm und Rücken, gelegentlich auch in den Oberbauch. Ärzte finden ein typisches EKG mit ST-Hebungen in entsprechenden Ableitungen.

Auffällig ist, dass viele Herzpatienten sich zurückziehen, nicht über ihre Beschwerden sprechen und still leiden. In der Praxis muss der Arzt oft gezielt nach möglichen Symptomen fragen. Auch der Apotheker sollte den herzkranken Diabetiker ermuntern, über Beschwerden zu sprechen und bei Auffälligkeiten sofort einen Arzt zu konsultieren.

Tückisch ist, dass viele Frauen einen Herzinfarkt anders erleben als Männer. Sie leiden weniger an intensiven Schmerzen, sondern empfinden eher Atemnot und Übelkeit. Gelegentlich klagen sie auch über Nacken-, Kiefer- oder Rückenschmerzen oder ungewöhnliche Erschöpfung, die sie nicht als Warnzeichen einstufen. Kleinere Herzinfarkte werden häufig nicht oder erst spät wahrgenommen. Besonders allein stehende Frauen haben eine deutlich schlechtere Prognose, da die Krankenhauseinweisung oftmals zu spät erfolgt.

Die stationäre Krankenhausaufnahme sollte innerhalb einer Stunde nach Symptombeginn in Begleitung eines Notarztes erfolgen, um eine frühe Herzkatheterintervention oder Auflösung des Blutgerinnsels (Thrombolyse) zu ermöglichen. Die erste Stunde des Infarkts ist durch tödliche Rhythmusstörungen besonders gefährlich. Bei der Hälfte der Patienten ereignet sich der Infarkt ohne vorherige Warnzeichen, die anderen leiden bereits an Beschwerden in Form der stabilen oder instabilen Angina pectoris.

Bei der stabilen Angina pectoris sind typische Brustschmerzen und Engegefühl weniger intensiv als beim Herzinfarkt, treten aber regelmäßig bei körperlicher Anstrengung auf. In Ruhe reicht die Sauerstoffversorgung des Herzens aus. Bei Anstrengungen, die mit Blutdruck und Herzfrequenzanstieg verbunden sind, kommt es zur Unterversorgung des Herzens mit Sauerstoff (5).

Eine instabile Angina pectoris liegt vor, wenn Beschwerden schon bei leichter körperlicher Belastung, zum Beispiel schnellem Gehen, auftreten und sich eine bestehende Angina pectoris rasch und deutlich verändert. Das bedeutet, dass das Belastungsniveau des Patienten kontinuierlich abnimmt.

Differenzialdiagnostisch müssen atypische Brustschmerzen mit stechendem und brennendem Charakter, die Sekunden bis gelegentlich Stunden anhalten und eher lageabhängig sind, abgegrenzt werden. Diese Beschwerden haben häufig eine muskulös-skelettale Ursache. Weiterhin sind Nüchternschmerzen, die eher auf Erkrankungen des Magens und der Speiseröhre hindeuten, davon zu unterscheiden.

Lebensstiländerung als Basis

Um diabetische Spät- und Folgeschäden zu verhindern oder hinauszuzögern, ist ein Maßnahmenpaket erforderlich, das alle Stoffwechselstörungen des Patienten umfasst. Basis ist immer eine maßvolle Ernährung mit Reduktion des Übergewichts sowie ausreichend Bewegung.

In der Pathogenese des Typ-2-Diabetes spielen eine hyperkalorische Ernährung und Übergewicht eine erhebliche Rolle. Mit einer leicht hypokalorischen Ernährung (Reduktionsdiät) und dem weitgehenden Verzicht auf schnell resorbierbare Kohlenhydrate können eine deutliche Blutzuckersenkung und damit auch ein niedrigerer HbA1c-Wert erreicht werden. Die Tabelle 3 zeigt die günstigen Effekte einer 10-kg-Gewichtsreduktion. In der Lyon-Diet-Heart-Studie (14) konnte zusätzlich gezeigt werden, dass eine mediterrane Ernährung mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren und einem niedrigen Quotienten von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren die Prognose verbessert. Einen primären Re-Infarkt erlitten 8 Prozent der Menschen in der mediterran ernährten Gruppe gegenüber 20 Prozent in der westlich ernährten Therapiegruppe. Dieses entspricht etwa einer Halbierung des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse.

  

Tabelle 3: Günstige Effekte einer Gewichtsreduktion um 10 kg (13)

Kategorie EffekteSterblichkeit   Gesamtsterblichkeit 20 bis 25 Prozent geringer Diabetesbezogene Sterblichkeit 30 bis 40 Prozent geringer übergewichtsassoziierte Krebssterblichkeit 25 Prozent geringer     Blutdruck   systolisch 10 mmHg geringer diastolisch 20 mmHg geringer     Angina pectoris   Symptome um 90 Prozent geringer Belastungsfähigkeit um 33 Prozent höher     Plasmalipide   Plasmatriglyzeride um 30 Prozent geringer Gesamtcholesterol um 10 Prozent geringer LDL-Cholesterol um 15 Prozent geringer HDL-Cholesterol um 8 Prozent höher     Diabetes mellitus   Diabetesrisiko um 50 Prozent geringer Nüchternblutglucose um 30 bis 50 Prozent geringer HbA1c um 15 Prozent geringer

 

Körperliches Ausdauertraining steigert die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit. Auch bei manifester Herzinsuffizienz verbessert sich die Prognose. Bei Hypertonikern steigt zwar der Blutdruck unter Belastung an, sinkt allerdings in der Nachbelastungsphase deutlich ab, sodass insgesamt gesehen auch der Blutdruck positiv beeinflusst wird.

Regelmäßiges körperliches Training hat vielfältige günstige Effekte (13). Es vermindert das Risiko eines frühen Herztods und des Tods an koronarer Herzerkrankung sowie eines Diabetes mellitus oder einer arteriellen Hypertonie. Ferner reduziert es den Blutdruck bei hypertonen Patienten, das Risiko von Brust- und Darmkrebs, Fibromyalgie-Beschwerden, Depression und Ängstlichkeit. Regelmäßige Bewegung senkt die Wahrscheinlichkeit, übergewichtig zu werden, hilft bei der Gewichtsabnahme und mindert die Sturzgefahr bei älteren Menschen.

Da Rauchen Herz und Gefäße erheblich schädigt, lohnt sich der Rauchverzicht zu jeder Zeit. Innerhalb der ersten zwei bis vier Jahre halbiert sich das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse. Jedoch bleibt es gegenüber Menschen, die nie geraucht haben, für die nächsten 10 bis 20 Jahre erhöht. Die Nikotinersatztherapie vervielfacht bei der Raucherentwöhnung die Chancen gegenüber Placebo, diese liegen aber mit 20 bis 40 Prozent nach einem Jahr weiterhin niedrig (13). Die Einnahme von Bupropion (zweimal 150 mg) verdoppelt die Chancen gegenüber Placebo (15).

Blutzucker strikt senken

Beim übergewichtigen Diabetiker sollte Metformin als erstes perorales Pharmakon eingesetzt werden. In der UKPDS-Studie (3) konnte Metformin als einzige Substanz bei Übergewichtigen zu einer signifikanten Verringerung der Folgeschäden Mikro- und Makroangiopathie beitragen. Die Zahl der Todesfälle wurde um 42 Prozent, die Herzinfarktrate um 39 Prozent und die Schlaganfälle um 41 Prozent reduziert. Die Maximaldosis von zweimal 1000 mg täglich sollte nicht überschritten werden. Metformin ist kontraindiziert bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion mit Kreatininwerten über 1,2 mg/dl. Bei geplanten Operationen und der Gabe von Röntgenkontrastmitteln sollte die Medikation ausgesetzt werden.

Glibenclamid ist die potenteste insulinotrope Substanz. Probleme ergeben sich durch Gewichtszunahme und die erhöhte Gefahr von Hypoglykämien, insbesondere bei geriatrischen Patienten, sodass moderne Präparate wie Glimepirid, Nateglinid und Repaglinid in der Regel bevorzugt werden. Hauptbehandlungsziel ist in jedem Fall die normoglykämische Einstellung des HbA1c-Werts unter 6,5 Prozent. Orale Antidiabetika können auch kombiniert werden und bewirken in der Regel eine Senkung des HbA1c-Werts um jeweils 1 Prozent (6).

Versagt die perorale medikamentöse Therapie in Kombination mit Allgemeinmaßnahmen, ist zunächst die Insulintherapie mit Verzögerungsinsulin zur Nacht zu empfehlen. Diese kann auch mit oralen Antidiabetika kombiniert werden. Falls auch dies nicht ausreicht, führt die intensivierte Therapie mit Normalinsulin oder seinen Analoga und Basalinsulin zur Normoglykämie.

Kombiniert gegen Hypertonie

Nur 10 Prozent der Hypertoniepatienten sind optimal eingestellt. Bereits ein Blutdruck von 130/85 mmHg gilt beim Diabetiker als Startpunkt für eine medikamentöse Therapie (7). Bevorzugt sollte eine Kombination aus Thiazid-Diuretika und ACE-Hemmern eingesetzt werden (Ausnahme: Gichtpatienten), da die frühe Kombinations- einer Monotherapie überlegen ist und bei mehr Patienten eine deutlichere Blutdrucksenkung erzielt.

 

Therapeutische Maßnahmen bei Diabetikern
  • Nikotinverzicht: Raucherentwöhnung
  • Blutdrucknormalisierung: Werte unter 130/80 mmHg, wenn möglich Gabe von ACE-Hemmern
  • normnahe Blutzuckereinstellung: HbA1c unter 6,5 Prozent, intensivierte Insulintherapie nach Herzinfarkt
  • Normolipidämie: LDL unter 100 mg/dl, Statine bevorzugen
  • Acetylsalicylsäure zur Prävention
  • regelmäßige Ausdaueraktivität

 

In der Regel ist eine Drei- bis Vierfachtherapie erforderlich, um den Blutdruck in den Zielbereich deutlich unter 130/85 mmHg zu senken. Auch lang wirksame Calciumantagonisten (Lercanipin und Amlodipin) sind wichtige Therapiebausteine bei der Hypertonie (8).

Betablocker bei Herzinsuffizienz

Die Betablocker haben inzwischen in der Therapie der Postinfarktpatienten ihren festen Stellenwert (9). Sie senken die Herzfrequenz und ökonomisieren den Sauerstoffbedarf des Herzens. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Betablocker die Prognose auch bei der Herzinsuffizienz verbessern. Früher wurden sowohl Betablocker als auch Thiazid-Diuretika auf Grund befürchteter metabolischer Nebenwirkungen gerade den Diabetikern vorenthalten. Diese metabolischen Einflüsse sind bei 12,5 mg Thiazid und Verwendung von Beta-1-selektiven Blockern wie Bisoprolol, Metoprolol, Carvedilol oder Nevibolol jedoch vernachlässigbar.

Therapeutisch sollte eine Ruhefrequenz zwischen 60 und 70 pro Minute angestrebt werden. Bei Herzinsuffizienz verbessert sich die Prognose besonders deutlich in der Therapiegruppe, in der hohe Zieldosen der Betablocker erreicht werden.

Zur Therapie der Herzinsuffizienz gehört auch die hoch dosierte Gabe von ACE-Hemmern. Bei ACE-Hemmer-induziertem Husten können auch AT1-Blocker gegeben werden. Bei Patienten mit schwer eingeschränkter Pumpfunktion kann Spironolacton nach Literaturangaben die Letalität senken. Da aber gerade in der Subgruppe der Diabetiker mit eingeschränkter Nierenfunktion gelegentlich gefährliche Hyperkaliämien auftreten, kann der Einsatz nur individuell erfolgen. Eine engmaschige regelmäßige Kontrolle des Elektrolytstatus ist obligat.

Lipidsenkende Therapie

Bei 80 Prozent der Diabetiker ist die Fettstoffwechselstörung sekundär. Das heißt, dass eine Normalisierung des HbA1c-Werts auch das Lipidprofil normalisiert. Sehr oft ist der optimale HbA1c-Wert aber nicht zu erreichen und auch die Kombination von Diabetes und Hypercholesterolämie kommt häufig vor.

Die Studienlage zum Einsatz von Statinen zeigt eine Prognoseverbesserung, vor allem in der Sekundär-, aber auch in der Primärprävention. In jedem Fall sollten Risikopatienten diese Arzneistoffe bekommen. Zu dieser Gruppe zählen Menschen mit ungünstiger genetischer Disposition, positiver KHK-Familienanamnese, Niereninsuffizienz und Proteinurie sowie mit dem Vollbild eines metabolischen Syndroms. Die Ergebnisse der Heart Protection Study zeigten, dass eine Simvastatin-Therapie die Prognose bei Hochrisikopatienten auch dann bessert, wenn das initiale LDL-Cholesterol niedrig war (unter 116 mg/dl) (10). Ebenso profitierte die Subgruppe der Typ-2-Diabetiker eindeutig von der Medikation. Die kardiovaskuläre Ereignisrate lag in der Simvastatin-Gruppe bei 20 Prozent, in der Gruppe, die Placebo bekam, dagegen bei 25 Prozent.

Bei Patienten mit sehr hohen Cholesterolspiegeln ist auch die Kombination mit dem Cholesterol-Resorptionshemmer Ezetimib indiziert. Diese Substanz kann ­ zusätzlich zu einer bestehenden Statin-Therapie gegeben ­ nicht nur die Triglyzeride, sondern auch das LDL-Cholesterol um weitere 15 bis 18 Prozent senken, ohne die mit hoch dosierten Statin-Gaben assoziierte Leber- und Muskeltoxizität zu steigern (11).

Steht eine Hypertriglyzeridämie im Vordergrund, sind Fibrate Mittel der ersten Wahl. Bei Nierenfunktionsstörungen ist die Dosis anzupassen; Kontrollen der Kreatinkinase (CK) sind obligat.

Plättchenaggregation hemmen

Als Thrombozytenaggregationshemmer sowohl für die Akuttherapie des Myokardinfarkts als auch in der medikamentösen Dauertherapie nach abgelaufenem Infarkt hat Acetylsalicylsäure einen festen Stellenwert. Die Rate nicht tödlicher Myokard-Zweitinfarkte und Schlaganfälle sowie die Gesamtletalität konnten eindeutig gesenkt werden.

Bei Magenunverträglichkeit oder ASS-induziertem Asthma bronchiale kann alternativ auch Clopidogrel zum Einsatz kommen. In einer kürzlich veröffentlichten Studie zeigte sich jedoch, dass bei Neigung zu Magenulcera die Kombination Protonenpumpenhemmer plus Acetylsalicylsäure der Monotherapie mit Clopidogrel überlegen war (12). Ticlopidin als Alternative zu Clopidogrel wird nicht mehr empfohlen, da mit einer erhöhten Nebenwirkungsrate, insbesondere Knochenmarksuppression, gerechnet werden muss.

Clopidogrel und ASS werden postinterventionell nach Implantation eines Stents über mindestens vier Wochen eingesetzt, bei medikamentös beschichteten Stents in Einzelfällen sogar bis zu neun Monate lang. In der Frühphase (vier Wochen nach Stent-Implantation) darf diese Kombination nicht abgesetzt werden, da es bei bis zu 15 Prozent der Patienten zur Stent-Thrombose und somit zu einem Herzinfarkt kommen kann.

Apotheker sind gefragt

Die Atherosklerose ist ein Altersprozess, der sich durch Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Rauchen, Hypertonie und Hypercholesterolämie frühzeitig manifestiert und dessen Risiko bei Vorliegen mehrerer Risikofaktoren potenziert wird. Vorbeugung und Therapie von Gefäßschäden setzen auf Einhaltung einer gesunden Lebensweise, Bewegungstherapie, Gewichtsreduktion, fettreduzierte Kost und Medikamente. Die Wirksamkeit aller Maßnahmen ist erwiesen. Sowohl bei der frühzeitigen Diagnose des Diabetes, der Fettstoffwechselstörung und der Hypertonie als auch beim konsequenten Erreichen der Zielwerte aller Facetten des metabolischen Syndroms kann der Apotheker in Zusammenarbeit mit dem Haus- und Facharzt durch Laborkleingeräte, Blutdruckkontrollen und Beratung Versorgungslücken schließen.

 

Literatur

  1. Gohlke, H., Risikofaktorenmanagement beim Diabetiker mit koronarer Herzerkrankung. Cardiovascularia 1 (2004) 15-17.
  2. Mehnert, H., Typ 2-Diabetes ­ Pathogenese, Diagnostik, Therapie, Folgeschäden. Medikon München 2000.
  3. Turner, R. C., et al., Risk factors for coronary artery disease in non-insulin dependent diabetes mellitus: United Kingdom Prospective Diabetes Study (UKPDS: 23). Brit. Med. J. 316 (1998) 823-828.
  4. Assmann, G., Cullen, P., Schulte, H., Simple scoring scheme for calculating the risk of acute coronary events based on the 10-year follow-up of the prospective cardiovascular Munster (PROCAM) study. Circulation 105 (3) (2002) 310-315.
  5. Schunkert, H., Kromer, E. P., Rationelle Diagnostik und Therapie bei koronarer Herzerkrankung. Springer Berlin 1998.
  6. Laube, H., Orale Antidiabetika ­ Aktueller Stand nach der Positivliste und Einführung der DMPs. In: Mehnert, H., Haak, T. (Hrsg.), Diabetes mellitus ­ eine Herausforderung in jedem Lebensalter. Schriftenreihe der Diabetes Akademie Bad Mergentheim e. V., Band 41, 2004, S. 53-60.
  7. Leitlinien für die Prävention, Erkennung, Diagnostik und Therapie der arteriellen Hypertonie der Deutschen Hochdruckliga. www.dgk.org/leitlinien
  8. Zidek, W., Novel guidelines for antihypertensive treatment Consistency and news. Internist 46, Suppl. 1 (2005) S4-S10.
  9. Sick, P., Lebenslange Nachbehandlung und Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt. Med. Klinik (2004) 309-320.
  10. The Heart Protection Study Collaborative Group. MRC/BHF Heart Protection Study of cholesterol lowering with simvastatin in 20536 high-risk individuals: a randomised placebo-controlled trial. Lancet 360 (9326) (2002) 7-22.
  11. von Hodenberg, E., Optimization of cholesterol reduction ­ Principles and clinical results of dual inhibition. Internist 46, Suppl 1 (2005) S18-S23.
  12. Chan, F. K., et al., Clopidogrel versus aspirin and esomeprazole to prevent recurrent ulcer bleeding. New Engl. J. Med. 352 (3) (2005) 238-244.
  13. Schneider, C. A., Erdmann, E., Sekundärprävention bei kardiovaskulären Erkrankungen. Internist 45, Suppl 1 (2004) S23-S30.
  14. Lyon-Diet-Heart-Study. Der Arzneimittelbrief 33, Nr. 10 (1999).
  15. Hurt, R. D., et al., A comparison of sustained-release bupropion and placebo for smoking cessation. New Engl. J. Med. 337 (17) (1997) 1195-1202.

 

Die Autoren

Christiane Imhof studierte Medizin an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster, wurde 1984 promoviert und ist seitdem klinisch tätig. Sie ist Fachärztin für Anästhesie und Innere Medizin sowie Diabetologin (DDG). Von 1998 bis Mitte 2000 arbeitete Dr. Imhof in einer kardiologisch-angiologischen Praxis, bevor sie als Oberärztin an das Diabetes-Zentrum Mergentheim in die kardiologisch-angiologische Diagnostik am Farbdoppler wechselte. Ihre Hauptaufgabengebiete sind die Betreuung von Patienten mit schwer einstellbarer Hypertonie, die Risikostratifizierung asymptomatischer Menschen sowie die kardiologische und angiologische Diagnostik und Therapie symptomatischer Patienten.

Thomas Jürgen Haak studierte Humanmedizin in Mainz und Frankfurt am Main und erhielt 1994 die Anerkennung als Facharzt für Innere Medizin, 1996 die Schwerpunktsbezeichnung Endokrinologie und Diabetologie. Nach der Habilitation für Innere Medizin arbeitete er bis 2000 als Oberarzt des Diabetes-Schulungszentrums Frankfurt und wechselte dann als Chefarzt an die Diabetes-Klinik in Bad Mergentheim. 2001 wurde Haak zum Professor für Innere Medizin an der Universität Frankfurt am Main ernannt. Er ist Vorsitzender der Diabetes-Akademie Mergentheim sowie Mitglied mehrerer Fachgesellschaften. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind die klinische Grundlagenforschung in der Endokrinologie und bei Stoffwechselstörungen, Mikrozirkulation, Lebensqualität bei chronischen Erkrankungen und Modelle zur Kooperationsförderung am Arbeitsplatz.

 

Anschrift der Verfasser:
Dr. Christiane Imhof und Professor Dr. Thomas Haak
Diabetes-Zentrum Mergentheim
97980 Bad Mergentheim
zeller@diabetes-zentrum.de
Top

© 2005 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Mehr von Avoxa