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Ein langer Weg zum Impfstoff

08.08.2005  00:00 Uhr
. Malaria

Ein langer Weg zum Impfstoff

von Anja Friederike Hofner, Maximiliansau

Eigentlich dürfte es über Malaria schon lange nichts mehr zu sagen geben. Seit Jahrhunderten ist die Krankheit bekannt, seit Jahrzehnten wird sie erforscht. Und doch ist die Medizin von einer wirksamen Bekämpfung oder gar Ausrottung weit entfernt. Ein klinisch effektiver und breit einsetzbarer Impfstoff ist noch nicht in Sicht.

Malaria ist eine der größten Geißeln der Menschheit. Mit 300 bis 500 Millionen Infektionen und 2 bis 3 Millionen Toten pro Jahr, ganz zu schweigen von tagelangen Fieberattacken sowie neuronalen und zerebralen Folgen, ist der volkswirtschaftliche Schaden für die betroffenen Staaten enorm.

Mit der geographischen Entfernung sinkt allerdings auch die individuelle Betroffenheit: Malaria ist im Prinzip kein Thema für die Industriestaaten Europas und Nordamerikas. Dies könnte sich allerdings ändern, wenn im Zuge der weltweiten Klimaerwärmung die Malaria nach Europa zurückkehrt. Mehrere einheimische Mückenarten sind in der Lage, dem Erreger als Wirt zu dienen, und die benötigten Mindesttemperaturen werden auch in Mitteleuropa immer häufiger erreicht. Fernreisende ohne hinreichende Prophylaxe schleppen in ihrem Blut Erreger ein, die unter den verbesserten klimatischen Bedingungen überleben und sich weiter vermehren können. Der erste Fall einer Malaria-Übertragung durch einheimische Mücken im Ruhrgebiet ist bereits nachgewiesen (1).

Die chemotherapeutische Bekämpfung dieser vielköpfigen Hydra erscheint weltweit gesehen aussichtslos, zumal die Resistenzentwicklung voranschreitet. Eradikationsprogramme der WHO hatten keinen Erfolg. Als einzige Möglichkeit, nicht nur im Individualfall einzugreifen, sondern die Krankheit insgesamt zu bekämpfen, erscheint derzeit der Einsatz eines wirksamen Impfstoffs. Seit fast vierzig Jahren gibt es Publikationen über entsprechende Versuche. Doch ebenso wie die Doctores Nussenzweig 1967 mit ihrem Aktivimpfstoff aus radioaktiv bestrahlten Sporozoiten (2) eine Sackgasse beschritten, führten bislang sämtliche Ansätze trotz expliziter Förderung durch ein WHO-Impfprogramm (seit 1983) nicht zum Erfolg. Wo liegt das Problem?

Einer der Gründe ist, dass der Parasit nicht konstant bleibt, sondern einen komplizierten Lebenszyklus mit mehreren Stadien durchläuft, in denen er unterschiedliche Oberflächenantigene präsentiert und verschiedene hoch effektive Transport- und Tarnmechanismen einsetzt.

Lebenszyklus des Parasiten

Der Lebenszyklus der Malaria-Erreger wurde 1951 erstmals beschrieben (3). Hauptüberträger der Plasmodien sind Stechmücken der Gattung Anopheles. Über die Speicheldrüsen infizierter Mücken werden beim Stich wenige etwa 15 µm lange Sporozoiten in den Blutkreislauf des Wirts injiziert, die bereits nach wenigen Minuten in der Leber Hepatozyten befallen (Grafik).

Da Plasmodien im Lauf ihres Lebens immer wieder verschiedene Zell- und Gewebebarrieren überwinden müssen, haben sie dazu eigene, zellbiologisch höchst ungewöhnliche Organapparate entwickelt, zum Beispiel ein Apikalorgan mit speziellen Organellen (Mikronemen und Rhoptrien). Interessant ist, dass die Parasiten in verschiedenen Lebensstadien unterschiedliche Invasionsstrategien verwenden.

In der Leber verwandelt sich der Parasit in eine Gewebeform (Trophozoit), beginnt mit multiplen Kernteilungen und vergrößert sich zum Leberschizonten (40 bis 60 µm), der mehrere Tausend Kerne enthalten kann. Daraus entstehen Tausende von Merozoiten, die nach ihrer Freisetzung aus den Hepatozyten wiederum mit Hilfe der apikalen Organellen aktiv und sekundenschnell in Erythrozyten eindringen und sich dort in junge Trophozoiten, so genannte Ringstadien, umwandeln. Durch ungeschlechtliche Entwicklung und Wachstum entstehen Schizonten mit 8 bis 32 Kernen. Die rote Blutzelle platzt, dabei kommt es zu Zytokin-vermittelten Fieberschüben und zur Freisetzung weiterer Merozoiten, die wiederum neue Erythrozyten befallen.

Im peripheren Blut sind nur Ringstadien mit jungen Trophozoiten zu finden. Während geschultes Personal diese in einem Blutabstrich verhältnismäßig leicht identifizieren kann, werden die meisten Blutproben in Industrieländern heute mit Analyseautomaten bearbeitet, die auf die charakteristischen Formveränderungen nicht eingestellt sind und diese übersehen.

Nach mehreren Wochen entstehen die ersten Gamonten, die die geschlechtliche Phase des Parasitenlebens darstellen. Sie gelangen beim Mückenstich mit dem Blut in den Darm der Mücke, wo es zur Befruchtung und Bildung eines länglichen Ookineten (Größe etwa 18 x 3 µm) kommt. Da chronisch infizierte Personen oft gleichzeitig mehrere Parasitenvarianten tragen, kann es bei der geschlechtlichen Vermehrung in der Mücke zu einer Rekombination der DNA verschiedener Typen kommen, was die Antigenvariabilität erhöht.

Mit einer Reduktionsteilung beginnt dann die nächste Phase (Sporogonie). An der Außenseite des Mückendarms entwickeln sich große Oozysten, die bis zu 10.000 Sporozoiten enthalten. Sie brechen auf und die Sporozoiten gelangen in die Hämolymphe und die Speicheldrüse: Die nächste Mücke ist für den Menschen infektiös geworden. Dies ist frühestens acht Tage nach der Aufnahme von infiziertem Blut der Fall.

Der Lebenszyklus verdeutlicht, dass sich der Parasit die meiste Zeit seines Lebens an für das Immunsystem schlecht zugänglichen Orten befindet: in HLA-armen Hepatozyten und in Erythrozyten.

Vielfältige Evasionsstrategien

In allen Lebensstadien verfügt der Parasit über hoch effektive Evasionsstrategien, die Reaktionen des Immunsystems ins Leere laufen lassen. So zeigt beispielsweise das Sporozoiten-Hüllprotein CSP (Circum-Sporozoite Protein) eine hochgradige Variabilität (Polymorphismus), sodass im Blut immer wieder neue Antikörper gebildet werden, die jedoch gegenüber den inzwischen weiter veränderten Proteinstrukturen ineffizient sind.

Eine weitere Strategie ist die Auto-Induktion blockierender Antikörper, die sich an wirkungslose Epitope auf der Proteinoberfläche so anlagern, dass funktionelle menschliche Antikörper nicht an ihre Zielepitope gelangen können. Dies wurde am eindeutigsten für das Merozoiten-Oberflächen-Protein 1 (MSP1) gezeigt. Seren von Malaria-infizierten Probanden inhibieren in vitro die Wirkung von monoklonalen Antikörpern klinisch immuner Personen.

Die Antigenvariation ist eine weitere Variationsmöglichkeit auf der genetischen Ebene. Für die Entwicklung von Plasmodien in Erythrozyten wird die Wirtszelle vom Parasiten »neu eingerichtet« und die Wirtszellmembran verändert, um den trophischen Ansprüchen der Plasmodien gerecht zu werden. Ein spezielles Parasitenantigen, das Plasmodium falciparum Erythrozyten-Membranprotein (PfEMP1), führt zum Verkleben von infizierten Erythrozyten mit dem Endothel der Blutkapillaren (Zytoadhärens). Diese Sequestration verhindert den Durchfluss und damit die Elimination infizierter Erythrozyten durch die Milz. Jedoch wird der Parasit nun für das Immunsystem bemerkbar und es wird eine Immunantwort gegen PfEMP1 ausgelöst. Der Parasit entgeht der Elimination durch Umschalten auf ein anderes Gen, das für ein strukturell und vermutlich funktionell unterschiedliches Membranprotein kodiert.

P. falciparum besitzt etwa 50 verschiedene Gene für PfEMP1 (var-Gene). Diese Vielfalt erschwert natürlich die Immunantwort. Gleichzeitig ermöglicht sie die Bindung an viele verschiedene Oberflächenrezeptoren auf dem Kapillarendothel, zum Beispiel ICAM-1, CD36 oder CSA. Diese Bindung an Endothelzellen wird inzwischen als der Hauptvirulenzfaktor bei der P.-falciparum-Malaria angesehen, da sie weitere starke immunologische Reaktionen auszulösen scheint.

Es gibt etliche weitere Mechanismen, wie die Plasmodien dem Immunangriff entgehen können. Allein diese kurze Auswahl zeigt schon, auf welche Schwierigkeiten das menschliche Immunsystem und die Entwickler von Impfstoffen treffen.

Semi-Immunität durch Antikörper

Ein weiteres Problem ist, dass ­ im Gegensatz zu anderen Erregern ­ eine einmalige Infektion keinen kompletten Immunschutz gegen spätere Infektionen induziert. Ein Impfstoff kann also keinen natürlichen Vorgang imitieren, sondern müsste mehr leisten als das menschliche Immunsystem.

Bei Menschen, die den Stichen infizierter Mücken regelmäßig ausgesetzt sind, kommt es zwar zu einer Art klinischer Immunität. Diese ist jedoch relativ streng lokal, das heißt auf regionale Mückenantigene begrenzt, ist bei längerer Nicht-Exposition oder bei Schwangerschaft (4) reversibel und bewahrt nicht vor Parasitämie, sondern nur vor klinischen Symptomen beziehungsweise schweren Verlaufsformen. Daher spricht man von einer Semi-Immunität oder Prämunität.

Diese Prämunität beruht primär auf einer Antikörper-vermittelten Neutralisierung der Blutstadien (5). Da Antikörper jedoch keine Zellmembranen überwinden können, wird der Großteil der Parasiten, die im Inneren von Hepatozyten und Erythrozyten leben, nicht erfasst. Aus diesem Grund müssen Parasitenantigene zunächst in menschlichen Zellen exprimiert werden, um die Immunantwort über das T-Zell-System zu aktivieren.

Neben den Antigen- und Epitop-Variationen wird die Situation zusätzlich durch die ethnisch bedingte Diversität der menschlichen T-Zellen kompliziert. Diese basiert auf unterschiedlichen HLA-Mustern und ruft von der Rassenzugehörigkeit und sogar lokalen Faktoren (Wohnort, enge Verwandtschaft) abhängige Immunreaktionen auf ein und denselben Stimulus hervor (6).

Modifizierte Immunantwort

Gleichzeitig ist bei Malariakranken die Immunantwort des zellulären (T-Zell-)Systems insgesamt reduziert und modifiziert (7). Plasmodien rufen nicht nur Abwehrreaktionen des menschlichen Körpers hervor, sondern haben eine Vielzahl von Interaktionsmechanismen mit ihrem menschlichen Wirt entwickelt, wobei sie Zellen des Immunsystems positiv oder negativ beeinflussen. Vermutlich tragen manche Abwehrmaßnahmen sogar eher zur Ausprägung der Symptomatik bei, als dass sie diese einschränken (8). Gleichzeitig verhindern immunsupprimierende Eigenschaften der Erreger ein Überhandnehmen der Symptomatik, die bei einer Reduktion der Parasitenaktivität aber verstärkt wieder ausbricht. Auch dies trägt dazu bei, dass spätere, zusätzliche Infektionen meist leichter verlaufen als die Erstinfektion.

Bei der Malaria scheint es sich um ein fein ausgeprägtes Wechselspiel zu handeln, bei dem die Erreger einen evolutionären Vorteil aus einem nicht allzu schwer oder gar tödlich erkrankten Wirt ziehen. Trotz einer Vielzahl von Angriffspunkten spielen dabei die dendritischen Zellen eine zentrale Rolle.

Normalerweise nehmen Dendriten Antigene auf, bearbeiten sie und präsentieren sie naiven T-Zellen, die daraufhin proliferieren und sich zu Effektor- und Gedächtnis-T-Zellen differenzieren. Neben der Antigenpräsentation an B-Zellen kommt es zur Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine wie Interleukin-1 und -12, Interferon-γ und TNF-α, was die gefürchteten Fieberschübe zur Folge hat. Da Dendritenzellen die Antigenweitergabe an die sekundären Lymphorgane und die Interaktion zwischen infizierten Somazellen und T-Zellen kontrollieren, spielen sie auch eine entscheidende Rolle für die immunogene Wirkung von DNA-Impfstoffen, die den genetischen Code für Parasitenantigene in die menschlichen Zellen bringen (9).

Plasmodien-infizierte Erythrozyten blockieren jedoch den Reifungsprozess der dendritischen Zellen. Dies geschieht über ein Protein, das an der Oberfläche befallener Blutkörperchen exprimiert wird und an das Oberflächenmarkerprotein CD-36 der Dendritenzellen (und anderer Immunzellen) bindet. Dadurch werden die Proteinproduktion der Dendriten und der Bindungskontakt mit T-Zellen vermindert. Die T-Zellen reagieren nur noch unzureichend auf Stimuli, die Immuntätigkeit ist beeinträchtigt. Ob dieses in vitro beobachtete Phänomen reversibel ist, ist noch nicht geklärt.

Auch die Funktionsfähigkeit von Makrophagen wird durch ein Parasitenprodukt beeinflusst. Die in den Erythrozyten lebenden Plasmodien nehmen Hämoglobin auf und verstoffwechseln es zur Energiegewinnung; das dabei entstehende toxische Hämprotein bauen sie zu Hämozoin ab. Mit der Ruptur der Erythrozyten wird dieses in den Blutkreislauf freigesetzt und von Makrophagen aufgenommen, wo es mehrere Monate persistieren kann. Hämozoin-haltige Makrophagen sind in ihrer Funktionsfähigkeit stark beeinträchtigt. Die Expression wichtiger Oberflächenproteine und von MHC-II-Antigenen ist ebenso vermindert wie die Fähigkeit zu wiederholter Phagozytose und die Aktivität der Proteinkinase C (10). Andererseits entdeckte kürzlich eine amerikanische Forschergruppe, dass ein aufgereinigter Hämozoin-Extrakt in vitro unerwarteterweise sogar die Reifung von Dendriten fördert (10), im Gegensatz zu den bisher verwendeten weniger stark aufgereinigten Erythrozytenlysaten (9).

Wenn nun die Parasiten selbst die Reifung von Dendriten und damit die Antigenpräsentation an T-Zellen unterdrücken, mildert die Immunsuppression zugleich die Fieberschübe. Von daher gibt es einen eigenen Denkansatz, dieses Prinzip zu nutzen und mit einem Impfstoff nicht die Erreger selbst zu eliminieren, was sehr kompliziert ist, sondern nur die überbordende Immunantwort des Körpers einzuschränken (Anti-Disease-Impfung).

Informationen aus dem Genom

Der klassische Weg der passiven Immunisierung über Antikörper (B-Zell-Ansatz) ist nicht gangbar, da die Parasiten in ihren wesentlichen Entwicklungsstadien intrazellulär leben. Der zweite klassische Weg besteht aus einer Immunisierung mit inaktivierten Erregern. Erste Versuche mit radioaktiv bestrahlten Sporozoiten wurden bereits 1967 publiziert (1). Damit erreichte man eine stadienspezifische Immunität bei Mäusen und einem Teil der menschlichen Probanden, wobei die Parasitämie und die damit direkt verbundene klinische Symptomatik erhalten blieben.

In den folgenden Jahren blieben zahllose Versuche in der Sackgasse stecken. Immer wieder konnten viel versprechende Ergebnisse aus dem Tiermodell nicht auf den Menschen übertragen werden. Einen grundlegenden Anschub erhielt die Impfstoffentwicklung durch die Entschlüsselung der kompletten Genome der Mücke und des Parasiten im Jahr 2002 (11, 12).

Damit wurden zwei Wege frei. Zum einen ist es nun möglich, gezielt Gene zu identifizieren und zu blockieren, die für die Infektiosität der Parasiten notwendig sind. Zum anderen eröffneten sich Wege zu einem DNA-Impfstoff, der die Information für hoch immunogene Epitope direkt ins Zellinnere transportiert.

Sporozoiten als Impfstoffe

Ein Team der Universität Heidelberg um Dr. Kai Matuschewski identifizierte murine Plasmodien-Gene, die verstärkt exprimiert werden, wenn die Sporozoiten gerade die Phase der höchsten Infektiosität erreicht haben und die Leber befallen (Up-regulated in infective sporozoites, UIS).

Sporozoiten des Mäusemalaria-Erregers Plasmodium berghei, bei denen die Gene UIS-3 oder -4 durch anderes Basenmaterial ersetzt wurden, befielen zwar die Hepatozyten, blieben dort aber inaktiv und entwickelten sich nicht zu Merozoiten. Freisetzung in die Blutbahn, Erythrozytenbefall und klinische Malariasymptomatik blieben aus, und zwar auch bei nachfolgender Kontroll-Transfektion mit normalen infektiösen Sporozoiten. Keines der geimpften Versuchstiere erkrankte, aber alle ungeimpften ­ ein durchschlagender Erfolg (13).

Dennoch ist ein Impfstoff, der auf Sporozoiten basiert, nicht für die Anwendung in großem Maßstab geeignet. Sporozoiten müssen feinmechanisch unter dem Mikroskop aus den Speicheldrüsen befallener Mücken extrahiert, aufgereinigt und dann modifiziert werden. Eine Züchtung oder Austragung in einem Medium und damit eine kostengünstige großtechnische Gewinnung sind nicht möglich. Der Speicheldrüsen-Extrakt selbst besteht aus einer Vielzahl von Komponenten (und möglichen Verunreinigungen) und entspricht daher kaum den Anforderungen an einen modernen, klar definierten Impfstoff, erklärt Matuschewski (14). Insbesondere für Kinder unter fünf Jahren, die diesen Impfstoff am dringendsten benötigen, sei er nicht geeignet.

Der Wissenschaftler sieht hier eher einen Weg zur Identifikation funktionell essenzieller Gene und Proteine, auf deren Basis ein definierter DNA-Impfstoff entwickelt werden könnte (14). Dabei ist es entscheidend, nicht nur essenzielle, sondern auch ausreichend immunogene Proteine zu verwenden. Ein großer Vorteil der Sporozoiten liegt gerade darin, dass fast ihr gesamtes Genom noch zur Immunpräsentation beiträgt. Bei Beschränkung auf wenige Epitope könnten die Evasionsstrategien der Plasmodien möglicherweise extrem schnell zu ersten Resistenzen führen.

Mäßige Erfolge mit DNA-Vakzinen

Die Entwicklung eines DNA-basierten Impfstoffs wird auch von industrieller Seite aus betrieben und ist inzwischen erheblich vorangeschritten. Mehrere Substanzen befinden sich in der Phase I oder II der klinischen Entwicklung.

Ein Hindernis bestand lange Zeit darin, dass die verschiedenen Lebensstadien der Plasmodien der Immunabwehr auch verschiedene Antigene präsentieren. Erst die Kenntnis von sehr stabilen Epitopen, die über mehrere Stadien konstant bleiben, führte zur klinisch bisher erfolgreichsten Variante. Der Impfstoff RTS,S/AS02A wurde in Zusammenarbeit von GSK und dem militärassoziierten Walter-Reid-Institute der USA entwickelt. Er besteht aus einem DNA-Plasmid, das für einen wenig variationsanfälligen, hoch konservierten Multi-Epitop-String (ME) und das TRAP-Protein (thrombospondin related adhesion protein) kodiert, und wird daher als ME-TRAP bezeichnet. Mit der Aufnahme der Parasiten-DNA in die menschliche Zelle sollen dem Immunsystem ständig immunogene Proteine präsentiert werden, die über Gedächtnis-T-Zellen im Infektionsfall eine beschleunigte Immunantwort ermöglichen.

Die zunächst getesteten reinen DNA-Impfstoffe erwiesen sich trotz einer gewissen selektiven T-Zell-Aktivierung als zu schwach für einen wirklichen Schutz. Daher wurde nach Wegen gesucht, um die Wirkung zu verstärken.

Am vielversprechendsten war die Kombination des RTS,S/AS02A-Impfstoffs mit einem viralen Vektor, der gegen dieselben Epitope gerichtet ist, wobei die Reihenfolge der Gabe entscheidend ist. Wenn das Plasmid zuerst verabreicht wird, gefolgt vom Virus, ist die Wirkung gegenüber der Einzelapplikation oder der umgekehrten Reihenfolge etwa zehnfach höher, was offensichtlich auf der Aktivierung von Gedächtnis-T-Zellen beruht. Als besonders geeignet erwiesen sich ein modifiziertes Ankara-Virus (MVA) und ein Geflügelpocken-Virus (Fowl Pox 9, FP9).

Mittlerweile wurden nach erfolgreicher Phase-1-Testung dieser Kombinationen erste Ergebnisse von Phase-2-Studien an Erwachsenen (15) und Kindern (16) publiziert. Bei etwa 300 äußerlich gesunden jungen Männern (15 bis 45 Jahre) aus Gambia wurde durch die Impfung eine Zeitverzögerung bis zur ersten Infektion von 10,3 Prozent erreicht (95 Prozent-Konfidenzintervall: -22 bis +34 Prozent; p = 0,49). Die Forscher feiern die nachgewiesene T-Zell-Induktion als Erfolg und berichten, dass der erreichte Impfschutz vom Alter und der ethnischen Zugehörigkeit abhing. Trotzdem konnte die Erkrankungsrate nicht gesenkt werden (15). Der Impfstoff war klinisch absolut wirkungslos. Die Studie wurde doppelblind durchgeführt, als Kontrolle diente ein Tollwut-Impfstoff.

Bei Kleinkindern, die mit RTS,S/AS02A geimpft wurden, war das Risiko, zumindest eine klinische Malaria-Episode zu entwickeln, während der sechsmonatigen Beobachtungszeit im Vergleich zur Kontrollgruppe um 30 Prozent reduziert. Fälle von schwerer Malaria waren um 58 Prozent verringert. In der zweiten Kohorte lag die Wirksamkeit der Vakzine, gemessen an der Zeitverzögerung bis zu einer Erstinfektion, bei 45 Prozent (16). Auch diese Zahlen können nicht wirklich überzeugen, denn 42 bis 70 Prozent der Kinder sprachen überhaupt nicht auf die Impfung an.

Andere DNA-Vakzinen sind noch weniger erfolgreich. In einer Phase-I-Studie mit einem anderen Fragment der Parasiten-DNA wurde nur bei 6 von 29 Probanden eine Serokonversion beobachtet (17).

Duale Impfstoffe

Auch die Kombination von Epitopen des Circum-Sporozoiten-Proteins mit Hepatitis-B-Vektoren wird evaluiert, um möglicherweise einen dualen Impfstoff gegen beide Erkrankungen zu erhalten (18). Die in Escherichia coli exprimierten rekombinanten Proteine formieren sich zu virusähnlichen Partikeln, die bei Mäusen und Affen zur klinischen Immunität führen können.

Die unter dem optimistischen Namen Malarivax geführte Vakzine induzierte in einer Phase-1-Studie bei der Mehrzahl der menschlichen Probanden spezifische Antikörper gegen beide Komponenten und die Reifung von Malaria-spezifischen, g-Interferon sezernierenden T-Zellen. Die Probanden hatten im Abstand von vier Wochen oder sechs Monaten dreimal 50 µg Malarivax erhalten.

Einen ganz anderen Ansatz verfolgen die so genannten Transmissionsblocker, die die Weiter-Übertragung der Krankheit vom Menschen auf die Mücke verhindern. Dies ist ökonomisch sinnvoll, da befallene Mücken wesentlich mehr Menschen stechen als nichtinfizierte Insekten. Diese Art der Impfung bietet zwar keinen individuellen Schutz, ist aber wichtig und geeignet, einer Verschleppung der Krankheit in bislang Malaria-freie Gebiete, zum Beispiel durch humanitäre Helfer oder Soldaten, vorzubeugen.

Erste Substanzen befinden sich bereits in Phase 1 (19). Es handelt sich um rekombinante Oberflächenproteine des Ookineten (Pvs: Plasmodium vivax surface protein). Sie induzieren beim Menschen Antikörper, sodass die Ookineten im Blut abgefangen und nicht mit dem nächsten Mückenstich weiter verbreitet werden.

Noch kein Durchbruch

Insgesamt hat besonders die Genomentschlüsselung entscheidend zum Weiterkommen in der Malariaforschung beigetragen. Dies betrifft sowohl Einblicke in das hoch komplexe menschliche Immunsystem als auch die Entwicklung eines Impfstoffs. Der derzeit hoffnungsvollste Weg ist die Gentechnologie, die einen hoch selektiven und hoch aktiven Impfstoff ermöglichen kann ­ zumindest solange, bis die Natur neue Resistenzen entwickelt.

Auf jeden Fall kann jede neue Erkenntnis bei der Suche nach einem Malaria-Impfstoff auch die Bekämpfung anderer Krankheiten wie Tuberkulose und AIDS beflügeln, denn in vielen Fällen nutzen mehrere Erreger ähnliche Kommunikationswege, Signale oder Evasionsstrategien. Wann ein konkreter Durchbruch für eine Malaria-Impfung gelingt, ist noch nicht absehbar.

 

Literatur

  1. www.innovations-report.de/html/berichte/medizin_gesundheit/bericht-9954.html
  2. Nussenzweig, R. S., et al., Protective immunity produced by the injection of x-irradiated sporozoites of plasmodium berghei. Nature 216 (111) (1967) 160-162.
  3. Shortt, H. E., Life-cycle of the mammalian malaria parasite. Br. Med. Bull. 8, Nr. 1 (1951) 7-9.
  4. Cohen, S., Immunity to malaria. Proc. R. Soc. London B. Biol. Sci. 203 (1153) (1979) 323-345.
  5. Ramharter, M , et al., Clinical and parasitological characteristics of puerperal malaria. Infect. Dis. 191 (6) (2005) 1005-1009. E-pub. Febr. 2005.
  6. Zevering, Y., et al., Major population differences in T cell response to a malaria sporozoite vaccine candidate. Int. Immunol. 2 (10) (1990) 945-955.
  7. Good, M. F., Development and regulation of cell-mediated immune responses to the blood stages of malaria: Implications for Vaccine Research. Annu. Rev. Immunol. 23 (2005) 69-99.
  8. Pouniotis, D. S., et al., Malaria parasite interactions with the human host. Review. J. Postgrad. Med. 50 (1) (2004) 30-34.
  9. Urban, B. C., et al., Plasmodium falciparum-infected erythrocytes modulate the maturation of dendritic cells. Nature 400 (1999) 73-77.
  10. Coban, C., et al., Purified Malaria Pigment (Hemozoin) Enhances Dendritic Cell Maturation and Modulates the Isotype of Antibodies Induced by a DNA Vaccine. Infect. Immun. 70 (7) (2002) 3939-3943.
  11. Gardner, M. J., et al., Genome sequence of the human malaria parasite Plasmodium falciparum. Nature 419 (6906) (2002) 498-511.
  12. Holt, R. A., et al., The genome sequence of the malaria mosquito Anopheles gambiae. Science 298 (5591) (2002) 129-149.
  13. Müller, A.-K., et al., Genetically modified Plasmodium parasites as a protective experimental malaria vaccine. Nature 433 (7022) (2005) 164-167.
  14. Persönliche Mitteilung von Dr. Kai Matuschewski, Telefoninterview.
  15. Moorthy, V. S., et al., A Randomised, Double-Blind, Controlled Vaccine Efficacy Trial of DNA/MVA ME-TRAP Against Malaria Infection in Gambian Adults. PLoS Med. 1 (2) (2004).
  16. Alonso, P. L., et al., Efficacy of the RTS,S/AS02A vaccine against Plasmodium falciparum infection and disease in young African children: randomised controlled trial. Lancet 364 (9443) (2004) 1411-1420.
  17. Saul, A., et al., A human phase 1 vaccine clinical trial of the Plasmodium falciparum malaria vaccine candidate apical membrane antigen 1 in Montanide ISA720 adjuvant. Vaccine 27 (23) (2005) 3076-3083.
  18. Nardin, E. H., et al., Phase I testing of a malaria vaccine composed of hepatitis B virus core particles expressing Plasmodium falciparum circumsporozoite epitopes. Infect. Immun. 72 (2004) 6519-6527.
  19. Malkin, E. M., et al., Phase 1 vaccine trial of Pvs25H: a transmission blocking vaccine for Plasmodium vivax malaria. Vaccine 23 (24) (2005) 3131-3138.

 

Die Autorin

Anja Friederike Hofner studierte Pharmazie an der Ludwig-Maximilians-Universität, München. Nach der Approbation als Apothekerin erstellte sie in der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Ernst Mutschler in Frankfurt am Main ihre Dissertation über Pharmakokinetik-Pharmakodynamik-Korrelationen von Arzneistoffen und wurde 1991 promoviert. Dr. Hofner war mehrere Jahre in der pharmazeutischen Industrie in der klinischen Forschung tätig, hauptsächlich in der Onkologie und der Immunologie. Zurzeit arbeitet sie als freie Medizinjournalistin.

 

Anschrift der Verfasserin:
Dr. Anja Friederike Hofner
Fischerstraße 12
76744 Maximiliansau
anja.hofner@medword.de
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