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Mit PECH den Pechvögeln helfen

02.08.2004  00:00 Uhr
.Sportverletzungen

Mit PECH den Pechvögeln helfen

von Thomas Riedl, Krems-Egelsee

Nicht alle Sportarten sind so verletzungsträchtig wie Profi-Fußball. Doch auch im gemäßigten Breitensport können akute Verletzungen und chronische Beschwerden auftreten. Sportler erwarten professionelle Hilfe vom Apotheker. Auch wer kein Sport- und Olympia-Fan ist, sollte sich auf die Beratung der Kunden vorbereiten.

Erste-Hilfe-Leistungen sind in der Offizin nur selten nötig. Dennoch sollte die Apotheke für die Erstversorgung von Schürf- und Schnittverletzungen sowie Verbrennungen gerüstet sein. Sportler mit akuten stumpfen Verletzungen brauchen Verbandmaterialien und eine in Hinblick auf die Dopingbestimmungen einwandfreie Schmerztherapie.

Viele sportlich Aktive haben zudem Interesse an prophylaktischen und therapeutischen Maßnahmen zum Schutz des Halte- und Stützapparats. Dazu gehören knorpelprotektive Wirkstoffe ebenso wie das weite Feld der funktionellen Verbände. Eine geeignete Sortimentsgestaltung bei Verbänden ist Aufgabe eines sportorientierten Apothekenbetriebs.

Erste Hilfe im Akutfall

Die Versorgung akut verletzter Personen ist in der Offizin glücklicherweise nur selten notwendig. Wer seinen Betrieb in der Nähe eines Radweges oder inmitten frequentierter Einkaufszentren hat, muss jedoch damit rechnen, dass verletzte Menschen, zum Beispiel nach einem Sturz, in die Apotheke kommen. Meist handelt es sich um Personen mit Schürf- und Schnittverletzungen. Eine andere typische Unfallursache sind Verbrennungen. Dann ist professionelles Vorgehen geboten (Kasten).

 

Checkliste zur Erstversorgung
blutender Verletzungen und Verbrennungen
  • Schutzhandschuhe (Latex)
  • Desinfektionsmittel (wässrige Formulierung, Spray)
  • Tupfer zur Wundreinigung
  • Pflasterschnellverbände
  • sterile Wundauflagen, saugend, nicht mit der Wunde verklebend
  • Mullbinden, Heftpflaster, selbst haftende Binden
  • Verbandpäckchen für Druckverbände (Momentverband)
  • Verbandtuch (steril, 40 x 60 cm)
  • Butterflypflaster oder Wundnahtstreifen zur (vorübergehenden) Fixierung klaffender Schnittwunden
  • Schere
  • desinfizierende Salbe
  • Kühlkompressen, Eisbeutel (kommen bei (zusätzlichen) stumpfen Verletzungen zum Einsatz)
  • Elektrolytgetränk
  • Tetanusstatus erheben und gegebenenfalls Kontakt mit Arzt herstellen

 

Großzügiges Reinigen und Desinfizieren bringt insbesondere bei Schürfverletzungen die wahren Ausmaße zu Tage. Sprays haben den Vorteil, dass die Wunde durch den Sprühdruck wesentlich besser ausgewaschen wird. Bei Schnittwunden muss entschieden werden, ob der Patient zum Nähen in ärztliche Obhut verwiesen wird. Wunden größer als ein Zentimeter und kleinere klaffende Wunden, Verletzungen, die tiefer gehen als das Unterhautbindegewebe, bei denen also zum Beispiel Sehnen oder Knochen sichtbar sind, sowie stark blutende Wunden müssen genäht werden.

Patienten mit offenen Verletzungen müssen in jedem Fall zum Arzt, wenn durch Aufprall beispielsweise an Metallkanten oder Gehsteigkanten die Gefahr besteht, dass tiefer liegende Gewebeteile verletzt sind. Eine rasche und starke Hämatombildung kann darauf hinweisen. Auch stark verschmutzte Wunden oder solche, bei denen der Verdacht auf Fremdkörpereinsprengung besteht, müssen chirurgisch versorgt werden.

Prinzipiell sind Wunden nach außen keimfrei abzuschließen. Gegebenenfalls ist die Blutstillung durch Druckverbände zu erreichen. Nach Erfahrung des Autors freuen sich viele Verletzte, wenn sie ein Getränk angeboten bekommen.

Frische Brandwunden werden unter kaltem Fließwasser mindestens 10 Minuten lang gekühlt. Dann werden sie keimfrei eingebunden. Eine ärztliche Begutachtung ist anzustreben, wenn die Verbrennung mehr als handtellergroß ist oder wenn sich Brandblasen gebildet haben. Offene Brandwunden können wie Wunden betrachtet und versorgt werden, es ist aber immer ratsam, sie unabhängig von Größe und Tiefe fachärztlich versorgen zu lassen. Ab Handtellergröße der Brandwunde ist nach der Erstversorgung ärztliche Hilfe nötig (Schockgefahr!) (1, 2).

Zur Vorbeugung von Blasen sind perfekt sitzende Schuhe und gut abgestimmte Socken die wichtigste prophylaktische Maßnahme. Druckstellen werden mit einem nicht verrutschenden Heftpflaster geschützt. Hat sich dennoch eine Blase gebildet, eignen sich Hydrogelverbände. Sie verbleiben mehrere Tage auf der Blase, die darunter abheilt. Da die Hydrogelverbände Wundsekret absorbieren, ist es unerheblich, ob die Blase geschlossen oder geplatzt ist. Offene Blasen können auch als normale Wunde betrachtet und wie diese versorgt werden.

Bei der sportartspezifischen Bestückung von Notfallausrüstungen sollte der Apotheker auf maximale Funktionalität bei kleinstem Volumen und Gewicht achten. Neben den genannten Produkten sind Notfallsbeatmungstücher obligat. Weiterhin können Rettungsdecken, Fingerschnellverbände, Fingerlinge, Augenkompressen, Dreiecktücher (samt Sicherheitsnadeln) und elastische Binden nützlich sein.

Erste Hilfe bei Muskelschäden

Ein Muskelkater ist ein verzögert einsetzender Muskelschmerz von etwa einwöchiger Dauer, der meist nach exzentrischen Kontraktionen mit schlechter Koordination, vor allem ungewohnten Abbremsbewegungen, auftritt. Von der tief greifenden Zerstörung der Myofibrillen muss sich der Muskel erst erholen.

Empfohlen werden leichte dynamische Arbeit und Wärmeanwendungen zur Krampflockerung. Eventuell lindert eine perorale antiphlogistische Therapie mit Diclofenac oder Ibuprofen den Muskelkater nach Ausdauerbelastungen; die Medikation sollte aber bereits vor der Belastung begonnen werden (3). Im Einzelfall wird es auch positive Erfahrungen mit durchblutungsfördernden oder antiphlogistisch wirkenden Lokaltherapeutika, homöopathischen Salben oder Akut-Homöopathika wie Arnica montana geben.

Als Auslöser von Muskelkrämpfen kommen Elektrolytverschiebungen, metabolische Übersäuerung, starke Austrocknung bei Belastung unter großer Hitze und Durchblutungsstörungen in Frage. Nicht zu unterschätzen sind Fehler bei der Ausrüstung – meist schlechtes Schuhwerk – sowie schlechter Untergrund (Hallenböden), Abschnürungen durch Gummizüge und mangelnde Technik bei Bewegungsabläufen (7). Die erste Hilfe besteht in der vorsichtigen Dehnung der krampfenden Muskelpartien, außerdem sollte man einen Flüssigkeits- und Elektrolytersatz anbieten. Bei Ausdauersportlern ist eine generelle Magnesiumprophylaxe (200 bis 300 mg/Tag) zu vertreten (8).

Vorsicht vor zu großer Hitze

Hitzeerkrankungen beim Sport betreffen einerseits Störungen der lokalen oder systemischen Thermoregulation wie Sonnenstich oder Hitzschlag und sind andererseits die Folgen von schweißbedingten größeren Defiziten im Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt. Dazu zählen Hitzeerschöpfung, -kollaps und -krämpfe (4).

Die Vorbeugung eines Sonnenstichs ist ebenso einfach wie wirkungsvoll: nie in der Sonne ohne Kopfbedeckung wandern oder Sport treiben (5). Als Therapie genügt in der Regel Ausruhen an einem schattigen Ort – in der Apotheke kann man den Hilfesuchenden zum Niedersetzen und Verweilen einladen. Hitzeerschöpfte sind möglichst in eine kühlere Umgebung zu bringen und flach zu lagern. Sind sie bei Bewusstsein, sollen sie eine Elektrolytlösung in kleinen Portionen trinken, vorzugsweise isotonische Kochsalzlösung.

Ist die Ätiologie unklar oder zeigt der Patient eine heftige Symptomatik mit Kopfschmerzen, hochrotem Kopf und Nackensteife, ist der Notarzt zu rufen. Eine gewisse Problematik besteht darin, dass diese Symptome um Stunden verspätet auftreten können.

PECH für stumpfe Verletzungen

Ein weiterer wichtiger Bereich der Sportpharmazie betrifft die Versorgung stumpfer Verletzungen. Mangels exakter Diagnosen am Unfallort sind die Maßnahmen bei den typischen Prellungen, Zerrungen, Verstauchungen und Muskel(ein)rissen allgemein, aber zielführend: Es geht zunächst um Ruhigstellung und Schmerzstillung. Ziel ist die Eindämmung gewebetraumatischer Prozesse. Einprägsam wurde dafür das PECH-Schema formuliert:

  • Pause,
  • Eis,
  • Compression und
  • Hochlagerung.

Der Belastungsstopp ergibt sich meist automatisch infolge des schmerzvollen Geschehens. Kühlung wird zweckmäßiger Weise mit zerstoßenem Eis erreicht, das in Beuteln auf das verletzte Areal aufgelegt wird. Ebenfalls sehr geeignet sind verschiedene Arten von flüssigkeitsgefüllten Kompressen, die im Gefrierfach gekühlt werden. Achtung: Eis und Kältekompressen nie auf die blanke Haut bringen (Gefahr örtlicher Erfrierungsschäden!), sondern immer ein Tuch dazwischen legen.

Um der Schwellung entgegen zu wirken, wird danach unter dosiertem Zug ein Verband angelegt, am besten mit einer breiten elastischen Binde. Zur Fortführung der Kühlung werden die einzelnen Lagen wieder mit Eiswasser oder Kühlspray getränkt.

Nach dem Bandagieren wird die verletzte Gliedmaße hoch gelagert. Wenn weniger Blut in das verletzte Areal gepumpt und der venöse Abfluss begünstigt werden, trägt dies zur Abschwellung bei. Diese Maßnahmen sollen 12 bis 24 Stunden beibehalten werden.

Etwas abweichend gestaltet sich die Erstversorgung von Knochenbrüchen. Geschlossene Brüche, bei denen die Haut im Frakturbereich unversehrt ist, unterscheiden sich zunächst kaum von anderen stumpfen Verletzungen. Durch abnorme Fehlstellungen der Extremitäten können sie nur vermutet werden. Der Patient wird mithelfen, die betroffene Gliedmaße gerade auszurichten und möglichst schmerzfrei zu fixieren. „Einrichtexperimente“ durch Laien sind zu unterlassen. Offene Brüche werden wie Wunden behandelt, also keimfrei abgedeckt (9). Die Ersthelfer alarmieren die Notfallkette, um den professionellen Abtransport des Patienten einzuleiten (10).

Sportverletzungen mit Tendenz zum chronischen Verlauf wie Muskelverhärtungen, Sehnenentzündungen oder „Tennisellenbogen“ müssen immer von einem Arzt behandelt werden (Tabelle 1) (7, 12). Vor einer Selbstbehandlung sollte der Apotheker den Patienten unbedingt warnen.

 

Tabelle 1: Sportverletzungen mit Tendenz zum chronischen Verlauf (7, 12)

Sportverletzung Bemerkungen Muskelverhärtung (Myogelose) Knoten- oder wulstförmige MuskelverdichtungenPalpitationsschmerz Sehnenansatzprobleme (Tendopathie) durch starke Zug- und Scherbeanspruchung
Wurfsportarten, Ruderer und Tennisspieler Sehnenentzündungen (Tendinitis), Entzündungen der Sehnenhüllen (Peritendinitis) meist durch Übertraining und falsche Technik
Sehnenreiben mit Stethoskop hörbar
Ruhigstellung, gute Erfahrung mit Enzympräparaten Sehnenscheidenentzündung (Tendovaginitis) häufigste Lokalisation am Handgelenk
Schmerzpunkt Strecksehnen an der Rückseite des Handgelenks
Ruhigstellung, Bandage, Schmerztherapie Tennis- oder Golferellenbogen (Epicondylitis) Entzündung und Schmerzen an den am Epicondylus ansetzenden Sehnen
Trainingspause, Ruhigstellung, spezielle Bandagen (Epicondylitis-Bandagen), Trainerstunden zur Verbesserung der Technik unspezifische Fußschmerzen Ursache: Knick-, Senk-, Spreiz- und Hohlfuß
Diagnostik veranlassen, Einlagen Nervenengpasssyndrom (Kompressionssyndrom), zum Beispiel Karpaltunnelsyndrom permanente mechanische Reize schädigen periphere Nerven
Parästhesien, Schmerzen, Lähmungen (Gefühlsabschwächung, Muskelschwäche)
Auslöser: vor allem hypertrophierte Muskeln und verdicktes Sehnengleitgewebe, die einen Dauerdruck aufbauen, aber auch Tapeverbände und festsitzende Bandagen neuromuskuläre Funktionsstörungen muskuläre Dysbalancen, bei denen durch Verkürzung oder Schwächung einzelner Muskelgruppen muskuläre Ungleichgewichte entstehen, zum Beispiel im Beuge- und Streckantagonismus Dupuytrenkontraktur Beugekontrakturen der Finger, insbesondere des 4. und 5. Fingers infolge einer bindegewebig derben Verhärtung und Schrumpfung der Palmaraponeurose
Ursache: wahrscheinlich erblich, meist Männer betroffen; äußere Faktoren, die Mikrotraumen erzeugen, zum Beispiel Rad- und Skisport, tennischirurgische Therapie

 

Schmerzstillende Therapie

Verletzungen, die sich während des Sports ereignen, werden in aller Regel ärztlich versorgt. Dennoch wollen sich viele Sportler in Eigenregie behandeln und fragen in der Apotheke beispielsweise nach schmerzstillenden Lokaltherapeutika oder peroralen Analgetika. Bei Beachtung der Dopingbestimmungen und der Rezeptpflicht hat der Apotheker bei der Auswahl geeigneter Medikamente ausreichenden Handlungsspielraum.

Natürlich sollte man versuchen, mit Lokaltherapeutika auszukommen. Präparate mit ätherischen Ölen, Bienengift (lyophilisiert), Campher, Heparin und Heparinoiden, Menthol, Methylnicotinat, Paprikaextrakt und Nonivamid, sowie Phytopharmaka, die zum Beispiel Extrakte aus Arnika, Rosskastaniensamen, Symphytum (Pyrrolizidinalkaloid-frei) oder Parakresse (Acmella ciliata, Gesamtpflanze) enthalten, können abgegeben werden. Mit den Lokaltherapeutika aus der Gruppe der Antiphlogistika, zum Beispiel mit Diclofenac, Hydroxyethyl-, Methyl- oder Diethylamin-salicylat, Etofenamat, Indometacin, Ibuprofen und Ketoprofen, wird das Spektrum wesentlich erweitert. Dimethylsulfoxid-haltige Präparate sind in Deutschland verschreibungspflichtig.

Die Auswahl des Arzneimittels orientiert sich auch daran, ob die Verletzung frisch ist und daher kühlende Formulierungen (Gele, Lotionen) günstig sind oder ob bei Tendenz zur Chronifizierung durchblutungsfördernde, gewebewärmende Präparate (Salben) zu bevorzugen sind. Vielfach werden Verbandmaterialien zur Ruhigstellung und Stützung gewünscht.

Reicht die lokale Therapie nicht aus, kann man auf peroral verfügbare Schmerzmittel zurückgreifen. Dafür stehen zum Beispiel Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Dexibuprofen, Naproxen und Paracetamol in rezeptfreien Mono- und Mischpräparaten zur Verfügung. Meist nehmen die Kunden auch homöopathische Empfehlungen gerne an. Bei entsprechender Erfahrung sind neben Einzelmitteln auch symptomorientierte Mischungen erlaubt (Tabelle 2).

 

Tabelle 2: Auswahl von homöopathischen Einzelmitteln in der Behandlung akuter Verletzungen

MittelEinsatzgebiet Arnica montana Hauptmittel bei allen Traumen, die mit Gewebezerstörungen und Blutungen einhergehen, mechanische Verletzungen, schmerzhafte Wundregionen Hypericum perforatum frische Verletzungen mit Nervenschädigung (Quetschung, Brandwunde, Stichwunde, Tierbiss), Neuralgien, Gehirnerschütterung, Rückenmarkstraumen Ruta graveolens stumpfe Verletzungen mit Beteiligung von Beinhaut oder Sehnen Symphytum officinalis stumpfe Verletzungen, die die Beinhaut mitbetreffen, Periostitis, auch bei Hämatomen, schlechte Callusbildung nach Knochenbrüchen

 

Der Arzt hat eine Vielzahl weiterer Präparate und Arzneiformen zur Verfügung, ohne gegen Dopingregelungen zu verstoßen, darunter alle Wirkstoffe aus der Gruppe der Analgetika und nicht steroidalen Antiphlogistika. Selbst aus der Gruppe der zentral wirksamen Opioide sind Codein, Dextromethorphan, Propoxyphen und Dextropropoxyphen, Dihydrocodein, Hydrocodon (Dihydrocodeinon), Diphenoxylat, Ethylmorphin, Pholcodin und Tramadol zulässig. Auch Myotonolytika wie Baclofen, Chininsulfat in Kombination mit Aminophyllin, Dantrolen-Natrium, Tizanidin, Tetrazepam und Tolperison sind in Bezug auf die Dopingbestimmungen sicher. In diesem Jahr wurden die Lokalanästhetika von der Dopingliste gestrichen, was so manche schmerzstillende Injektionskur ohne Meldung ermöglicht.

Eine gewisse Sonderstellung in der Sportmedizin haben Enzympräparate. So etwa wirken Bromelain (11) und das Flavonoid Rutin (Rutosid) abschwellend, führen bei Entzündungen im Bereich der Sehnen zur Gleitverbesserung und verringern das Auftreten von Entzündungsmediatoren (7). Bromelain ist für Schwellungszustände nach Operationen und Verletzungen, insbesondere der Nase und der Nebenhöhlen, zugelassen.

Schließlich besetzen Cystein, Gelatine, Trink-Kollagen, Glucosamin, Hyaluronsäure und Oxaceprol (verschreibungspflichtig) Nischenindikationen im Bereich der degenerativen Gelenkerkrankungen. Vitamin E hat in höherer Dosierung entzündungshemmende Eigenschaften. Für Österreich ist noch Chondroitinsulfat zur unterstützenden Behandlung von Arthrosen zugelassen (in Deutschland nur in einem Spezialpräparat für augenchirurgische Zwecke).

Alle genannten Stoffe können Sportler in Hinblick auf die Dopingbestimmungen bedenkenlos anwenden. Heikel sind hingegen Glucocorticoide, deren perorale, rektale, intravenöse und intramuskuläre Anwendung laut Dopingliste verboten ist. Ausnahmen gibt es lediglich bei bestimmten Applikationsformen, zum Beispiel der lokalen Anwendung auf der Haut und Schleimhaut oder der Injektion in ein Gelenk. Eine medizinische Begründung ist vorzulegen.

Funktionelle Verbände

In der Apotheke fragen Kunden nicht nur nach Verbandmaterialien zur Behandlung akuter stumpfer Verletzungen, sondern auch nach Produkten zur Vorbeugung stumpfer Verletzungen. Im engeren Sinn handelt es sich um Tapeverbände, gewickelte Verbände, zum Teil als Ersatz für Tapeverbände, und um Fertigbandagen. Man spricht auch von funktionellen Verbänden.

In der Erstversorgung ist der funktionelle Verband generell von untergeordneter Bedeutung. Seine Stärken liegen im prophylaktischen Bereich, wenn es gilt, das Verletzungsrisiko zu minimieren. Dies gilt gerade für Freizeit- und Breitensportler, die – vielfach unzureichend trainiert und mangelhaft ausgerüstet – ihre Ziele allzu hoch stecken.

Auch im Rahmen einer Rehabilitation erhält oder schafft ein funktioneller Verband das Gleichgewicht zwischen Stabilität und Mobilität (13). Er bietet etliche Vorteile: Der Stoffwechsel in der verletzten Gliedmaße bleibt aktiv, insbesondere die Muskelpumpe. Die bessere Versorgung von Muskel- und Knorpelgewebe beschleunigt den Abtransport von Entzündungssubstanzen und die Ausschwemmung von Hämatomen. Gelingt es, einigermaßen schmerzfrei eine normale Körperhaltung einzunehmen, werden Schon- und Schutzhaltungen vermieden. Mobilisierte Patienten können auch physiotherapeutische Angebote wahrnehmen. Gut gesetzte funktionelle Verbände haben prophylaktischen Wert bei degenerativen Prozessen wie insuffizienten Kapsel-Bandapparaten, atrophischer Muskulatur und Arthrosen.

Tapeverbände fachgerecht anlegen

Das Anlegen von Tapeverbänden erfordert anatomische und sportartspezifische Kenntnisse und darf nur von entsprechend geschulten Personen durchgeführt werden. In der Apotheke sollten die Bestandteile eines fachgerechten Tapeverbands bekannt sein (Tabelle 3). Ein Dreistreifen-Tapeverband am Fußgelenk ist ein Beispiel für einen funktionellen Verband, der für Breiten- und Hobbysportler interessant ist und in der Verantwortungskompetenz ungeschulter Personen verbleiben kann. Weitere Beispiele sind Fingerstützverbände oder ein Epicondylitisverband.

 

Tabelle 3: Bestandteile eines vollständigen Tapeverbands

ElementNutzen, Bemerkungen, Materialien Ankerstreifen erste Elemente des Verbands, markieren die proximalen und distalen Enden und liegen quer zur Feststellrichtung des fertigen Verbands Zügel tragende Elemente des Tapeverbands, die auf den Ankerstreifen befestigt und nach den anatomischen Gegebenheiten unter Zug anmodelliert werden Fixierstreifen Fixierung der Zügel, verlaufen daher quer zu den Zügeln Verschalungsstreifen Dachziegelartiger Abschluss des Tapeverbands nach außen Polsterung zum Auffüllen von anatomisch vorgegebenen Vertiefungen Haftvermittler hypoallergener Sprühkleber zur Fixierung des Polstermaterials Basistouren, Unterzug für Hautschutz bei empfindlicher Haut gegen Kautschuk-Zinkoxidkleber oder zur zusätzlichen Fixierung von Polstermaterial äußerer Abschluss Sicherungsstreifen aus unelastischem Tape

Die Elemente sind bis zum Verschalungsstreifen obligat, die nachfolgend genannten Elemente haben ergänzenden Charakter.

 

Tapeverbände müssen sofort entfernt werden, wenn zunehmend Schmerzen auftreten, die distalen Körperteile anschwellen, sich auffallend weiß oder cyanotisch verfärben oder sich Sensibilitätsstörungen wie Taubheitsgefühl und Ameisenlaufen einstellen (14).

Ein korrekt angelegter Tapeverband ist zweifelsohne die wirksamste, prophylaktische Maßnahme gegen Sportverletzungen. Die Betonung liegt auf korrekt angelegt, wofür spezielle Schulungen und viel Praxis unumgänglich sind. Zudem kann man sich einen Tapeverband nur in den seltensten Fällen selbst anlegen. In Spielsportarten und allgemein im Leistungssport sind diese Verbände sehr gebräuchlich.

In der Apotheke kann man auch Ersatzmaterialien für den klassischen Tapeverband anbieten. Ihr wichtigster Vorzug besteht darin, dass sie beim Anlegen wiederholt nachgestellt werden können und das heikle Anmodellieren entfällt. Im Gegenzug darf man nicht die gleiche, hohe Festigkeit und Funktionalität erwarten. Beispiele sind TensoWrap Medi® und Super® (Smith & Nephew) oder Coban® (3M). In diese Gruppe gehören auch die selbst haftenden, elastischen Binden aus Baumwollmaterial.

Aus der Fülle der Verbandmaterialien sollte die Apotheke ein repräsentatives Sortiment bereithalten. Um die Eigenschaften der Produkte kennen zu lernen, ist es notwendig, die angebotenen Binden zu befühlen, eventuell auch probeweise zu wickeln. Sehr zu empfehlen sind Schulungen, in denen nicht nur Produkte, sondern vor allem auch praxisbezogenes Know-how vermittelt wird.

Elastische Binden

Sehr bekannt und gebräuchlich sind schließlich die klassischen elastischen Binden. Dabei werden Kurzzugbinden mit einer Dehnungsfähigkeit bis 100 Prozent und Langzugbinden mit einer Dehnbarkeit um 200 Prozent der gewebten Länge unterschieden. Einige Hersteller bieten auch Mittelzugbinden an (Dehnbarkeit 150 Prozent). Eine weitere Einteilung kann man hinsichtlich der Klebematerialien treffen: Zinkoxid-Kautschukkleber (sehr hohe Klebekraft) und Polyacrylatkleber (hautfreundlich, hypoallergen).

Kurzzugbinden üben einen starken Druck auf das darunter liegende Gewebe aus. Sie kommen daher bevorzugt bei phlebologischen Indikationen zum Einsatz, zum Beispiel bei Krampfadern, Venenentzündungen, Thrombosen, Ulcus cruris und Lymphabflussstörungen.

In der Sportpraxis für die üblichen stumpfen Verletzungen gebräuchlicher und für die Verwendung durch Laien sicherer sind Mittel- und Langzugbinden, deren Grundstoff ebenfalls Baumwolle ist. Die Kompressionswirkung wird über den Anteil von synthetischen Fäden und die Textur, das heißt die Dichtheit des Gewebes und die Oberflächenstruktur, gesteuert. Eine gerippte Oberflächenstruktur der Binde wirkt wie eine Massage; kräftige Polyurethanfäden ermöglichen sehr hohe Ruhedrucke. Es ist dann notwendig, die Binde während der Nachtstunden abzunehmen.

Langzugbinden, die hohe Kompressionsdrucke erzeugen, werden ebenfalls hauptsächlich bei phlebologischen Indikationen eingesetzt. In der Sporttraumatologie werden diese Binden bei ausgeprägten Hämatomen eingesetzt, ansonsten werden Materialien mit mittlerer Kompression bevorzugt.

Fertigbandagen

Die Verwendung von Fertigbandagen (Kasten) bedeutet immer einen Kompromiss. Im Unterschied zum individuell anmodellierten funktionellen Verband muss man vor allem Abstriche bei der Passform hinnehmen. Die Erfahrung lehrt, dass der Apotheker mindestens zwei von einander unabhängige Produktreihen anbieten sollten, und das natürlich in allen Konfektionsgrößen.

 

Produktgruppen von Fertigbandagen (Beispiele)

  • Handgelenkbandagen und -schienen
  • Kniebandagen und -schienen
  • Fixation der Schulter und des Oberarms
  • Schulterbandagen zur Fixation des Schlüsselbeins
  • Entlastung und Ruhigstellung der Halswirbelsäule
  • Rückenbandagen
  • Sprunggelenkbandagen, Sprunggelenk mit individuell verstellbarem Fußteil
  • Oberarmbandagen
  • Epicondylitis-Bandagen, Ellenbogenstrümpfe

 

Handgelenkbandagen können etwa dahingehend beurteilt werden, wie weit – neben der verlässlichen Entlastung des schmerzhaften Gelenks – die Fingerbeweglichkeit erhalten bleibt.

Gelenk- und Knorpelprophylaxe

Neue Wege in der Therapiebegleitung der Arthrose versprechen Knorpelschutzstoffe wie Glucosamin, Chondroitinsulfat oder Hyaluronsäure, die mit einer gewissen Berechtigung als biologische Substanzen bezeichnet werden können (15,16). Nach wie vor fehlt zwar ein überzeugender Nachweis einer knorpelprotektiven Wirkung. Es gibt jedoch vermehrt Hinweise auf einen schmerzlindernden und funktionserhaltenden Effekt dieser Substanzen, so dass sie die nicht steroidalen Antirheumatika zum Teil ersetzen.

Glucosaminsulfat: Es gibt Hinweise auf einen verzögerten Knorpelabbau durch Glucosaminsulfat. Die Hauptwirkung scheint in einer Unterstützung anaboler Prozesse zu liegen. Beispielsweise ist die Biosynthese der Glykosaminglykane erhöht und der Einbau von Prolin und Sulfat in die Knorpelmatrix gesteigert. Eine Arthrosetherapie mit Glucosaminsulfat wurde in Langzeitstudien bis zu drei Jahren gut vertragen (1500 mg/Tag) (17). Die Kombination mit Methylsulfonylmethan (MSM), einem Schwefel- beziehungsweise Sulfat-Lieferanten, wird empfohlen (18).

Chondroitinsulfat: Von den diskutierten Wirkungsmechanismen von Chondroitinsulfat seien hier die direkte Hemmung von Enzymen wie Kollagenase, Elastase und Chondroitinase, die Auslösung der Proteoglykanproduktion sowie die Hemmung der COX-2-mediierten Prostaglandinsynthese genannt. Chondroitinsulfat ist in Österreich zur unterstützenden Behandlung von Arthrosen zugelassen, die besten Erfahrungen gibt es bei der Gonarthrose. Auf Basis der Studien werden zwei Behandlungszyklen pro Jahr empfohlen (800 mg/Tag, jeweils zwei bis drei Monate).

Hyaluronsäure: Als Viskosupplementation bezeichnet man die intraartikuläre Verabreichung von Hyaluronsäure oder von halbsynthetisch modifizierten Hyaluronsäure-Derivaten mit dem Ziel, die rheologischen Eigenschaften der Synovialflüssigkeit wieder herzustellen. Mittelfristig werden der Schmerz reduziert sowie Beweglichkeit und biomechanische Funktionen des Gelenks verbessert. Bezüglich der pharmakodynamischen Ansatzpunkte konnten die Existenz von Hyaluronsäurerezeptoren sowie eine Stimulierung der endogenen Hyaluronsäuresynthese gezeigt werden. In vitro wurden eine Hemmwirkung auf die Migration und Chemotaxis von polymorphkernigen Leukozyten und eine Regeneration der Knorpelmatrix gezeigt. Die Verbesserung der Symptomatik hält nach Therapieende etwa ein halbes Jahr lang, teilweise sogar ein Jahr an. Neuere Konzepte betreffen die Beeinflussung des Interleukin-1a-Rezeptors sowie die pharmakologische Stimulation von Antagonisten an diesem Rezeptor (16).

 

Literatur

  1. Dr. Gerlinde Fischer, Fachärztin für Unfallchirurgie am Krankenhaus Krems, tel. Mitteilung vom 21. Juni 2004.
  2. Rossi, R., Dobler, G., Notfall-Taschenbuch für den Rettungsdienst. Verlag Stumpf und Kossendey Edewecht-Wien, 9. Aufl. 2000.
  3. Böning, D., MMP 26, Nr. 5 (2003) 167 - 171.
  4. Huonker, M., Dtsch. Z. Sportmed. 54, Nr. 4 (2003) 122 - 123.
  5. Stückl, P., Kindl, G., Apoth. J. 12, Nr. 3 (1990) 26 - 40.
  6. Bärtsch, P., Dtsch. Z. Sportmed. 51, Nr. 12 (2000) 396 - 400.
  7. Geiger, L. V., Überlastungsschäden im Sport. Serie Sportwissen, BLV Verlag München 1997.
  8. Grebe, W., Apoth. J. 16, Nr. 3 (1994) 38 - 40.
  9. Schlemmer, W., Schmitt, W. M., Sport und Apotheke, Möglichkeiten der Beratung und des Sortiments. Schriftenreihe Bayer. Landesapothekerkammer, Heft 41, München 1990.
  10. Klausmann, H. G., Apoth. J. 19, Nr. 5 (1997) 32 - 34.
  11. Masson, M., Fortschr. Med. 113 (1995) 303 - 306.
  12. Scheele, B., Boss, N. (Hrsg.), Roche-Lexikon Medizin. Version 4.0, Urban & Schwarzenberg, CD-ROM, 4. neubearb. erw. Aufl. 1999.
  13. Pölzl, E., Pachatz, W., Firma Smith & Nephew, Arbeitsunterlage „Fabrifoam - funktionelle Bandagen“. Wien 2002.
  14. Montag, H. J., Asmussen, P. D., Taping-Seminar - Funktionelle Verbände am Bewegungsapparat. Spitta Verlag Balingen, 4. Aufl. 1998.
  15. Bröll, H., Kotz, R. (Hrsg.), Arthrose, Diagnostik und Therapie. Konsensus-Statement vom 8. März 2001. CliniCum, Sonderausgabe, Sept. 2001.
  16. Höher, J., Erggelet, C. (Hrsg.), Symposium Arthrose 2003. www.zeitschrift-sportmedizin.de.
  17. Reginster, J. Y., et al., Lancet 357 (2001) 251 - 256.
  18. Literaturservice zu Pure Encapsulations®-Produkten. 2002.

 

Der Autor

Thomas Riedl studierte Pharmazie in Wien und wurde dort mit einer Arbeit zur enantioselektiven Synthese promoviert. Seit 1990 arbeitet er in einer Offizin. Daneben schreibt er Fachartikel für die Österreichische Apothekerzeitung und hält Pharmakologievorlesungen an der MTA-Akademie des Wiener Allgemeinen Krankenhauses. Seit 2001 beschäftigt sich Dr. Riedl intensiv mit dem Breitensport und setzt dieses Thema auch in der Apotheke um. Dazu absolvierte er eine Ausbildung zum Wellness Coach am Institut für medizinische und sportwissenschaftliche Beratung. Im Govi-Verlag ist soeben sein Buch „Sportler in der Apotheke" erschienen (ISBN 3-7741-1012-3).

 

Anschrift des Verfassers:
Mag. pharm. Dr. rer. nat. Thomas Riedl
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tmriedl@aon.at
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