Chirale Säulen decken Verfälschungen auf |
16.07.2001 00:00 Uhr |
Ein großer Anteil der handelsüblichen ätherischen Öle ist verfälscht. Die Verschnitte sind nur mit empfindlichen Methoden der Reinheitsprüfung erkennbar. Ein Beispiel liefert die chirale Gaschromatographie. Mit ihrer Hilfe kann man Enantiomere trennen und somit bei vielen ätherischen Ölen Verfälschungen wesentlich sicherer erkennen als mit achiralen Methoden. Die modernen analytischen Verfahren müssen aber auch in die aktuellen Arzneibücher aufgenommen werden, damit sich der praktisch tätige Apotheker auf die Authentizität der Naturprodukte verlassen kann. Nicht der Offizinapotheker kann hier die Pflicht der analytischen Überprüfung tragen. Vielmehr müssen die Produzenten, der Industriehandel sowie die verarbeitende pharmazeutische Industrie nachweisbar einwandfreie Öle liefern und einsetzen.
Ein großer Teil handelsüblicher Phytopharmaka für verschiedene therapeutische Indikationen enthält ätherische Öle. Angefangen vom Salbeiöl über Kümmel- und Pfefferminzöl bis hin zum Fichtennadelöl steht eine breite Palette an Ölen für die Behandlung leichter Infektionen der oberen Luftwege, dyspeptischer Beschwerden, von Muskelverspannungen und rheumatischen Beschwerden zur Verfügung. Ätherisch-Öl-haltige Phytopharmaka werden heute vorrangig in der Selbstmedikation empfohlen und eingesetzt. Auf Grund ihrer komplexen Zusammensetzung aus etwa 20 bis 200 Einzelsubstanzen kann die Wirksamkeit in den seltensten Fällen auf einen einzigen Bestandteil reduziert werden. Die Wirkung kommt meist durch das Zusammenspiel mehrerer Bestandteile zustande. Die aktuellen Arzneibücher (DAB 2000, Ph. Eur. 1997 mit NT 2000) schreiben deshalb ausschließlich naturreine ätherische Öle vor; synthetische Zusätze oder gar naturidentische oder synthetische Öle sind nicht zugelassen. Ausnahmen bilden Monosubstanzen wie Campher, Menthol oder Thymol.
Chirale Säulen verbessern die Qualitätsprüfung
In den letzten Jahren wurden die Prüfvorschriften für ätherische Öle im Deutschen und Europäischen Arzneibuch um eine gaschromatographische (GC) Methode auf achiralen Kapillarsäulen ergänzt. Das in der Folge erhaltene "Chromatographische Profil" erlaubt neben der Identitätsbestimmung auch eine zuverlässige Prüfung auf Reinheit, da für eine Auswahl an Haupt- und Nebeninhaltsstoffen eines spezifischen ätherischen Öls Grenzbereiche vorgeschrieben werden. Eine in manchen Fällen unabdingbare Optimierung der GC-Analytik stellen chirale Kapillarsäulen dar, mit denen man in der Lage ist, enantiomere Inhaltsstoffe ätherischer Öle zu trennen. Dieser Beitrag zeigt am Beispiel von Kümmel-, Lavendel-, Bitterorangenblüten- und Korianderöl die Vorteile der chiralen Trennmethoden in der GC, wie sie für die derzeit relevanten Arzneibücher vorgesehen sind.
Die Qualität ätherischer Öle wird durch vielerlei Faktoren wie Wachstumsbedingungen, Klima, Erntezeit und Reinheit des Drogenmaterials bestimmt. Des weiteren hat auch die Gewinnungstechnologie einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität eines Öls (1). Mit Ausnahme der Agrumenöle, die durch Auspressen der Schalen gewonnen werden, ist die Wasserdampfdestillation die verbreitetste Methode zur Gewinnung ätherischer Öle (2). Dabei können je nach Dauer der Destillation (vermehrte Artefakt- und Racematbildung bei mehrstündiger Dauer [3]) und je nachdem, ob eine Hydrodestillation oder eine Wasserdampfdestillation durchgeführt wurde (zum Beispiel Esterhydrolyse [4] oder Racematbildung [5] im sauren Destillationssumpf), Unterschiede in der Ölzusammensetzung auftreten.
Um die Ausbeute phytogener Öle zu erhöhen, werden häufig unerlaubte Substanzen zugesetzt. Früher übliche, aber leicht nachweisbare grobe Verfälschungen mit synthetischen Substanzen wie Phthalsäureester oder Benzylalkohol sind verfeinerten Methoden gewichen. Zur Streckung von ätherischen Ölen werden heute hauptsächlich kostengünstige synthetische und semisynthetische Monoterpene oder Einzelsubstanzen und Fraktionen aus preiswerten ätherischen Ölen eingesetzt (1).
Zur Prüfung ätherischer Öle im Apothekenlabor ist die Dünnschichtchromatographie (DC) eine einfache und apparativ wenig aufwändige Methode, die rasch Aufschluss über die Identität und gewisse Hinweise zur Reinheit eines Öls gibt. Traditionelle Methoden wie relative Dichte, Brechungsindex, optische Drehung und dergleichen können die modernen Anforderungen an eine Reinheitsprüfung jedoch nicht erfüllen. Sie sind leicht manipulierbar und geben in den seltensten Fällen Hinweise auf Verfälschungen. Verschnitte können anhand des Enantiomerenverhältnisses detektiert werden. Biosynthesen von Terpenen laufen in der Regel stereospezifisch ab, mit der Konsequenz, dass viele Mono- und Sesquiterpene in definierten Enantiomerenverhältnissen oder als reine Enantiomere gebildet werden. Tritt bei einem chiralen Paar eines kommerziellen ätherischen Öls im Vergleich zu einem entsprechenden genuinen Öl eine Veränderung auf, kann diese Tatsache zum Nachweis einer Verfälschung verwendet werden.
Das Kernstück der stationären Phase chiraler Kapillarsäulen bilden a-, b- oder g-Cyclodextrine, die an Position 2, 3 und 6 Alkyl- oder Acylreste tragen können (Abbildung). Diese Cyclodextrin-Derivate werden in einer mittelpolaren flüssigen Polysiloxan-Phase gelöst und als dünner Film auf eine Quarzkapillarsäule aufgebracht (6, 7, 8). Die Mechanismen, die zur Trennung chiraler Paare führen, sind bis heute noch nicht geklärt. Deshalb können keine Vorhersagen zum Verhalten eines Enantiomerenpaares, das heißt ob generell eine Trennung möglich ist und wenn ja, in welcher Reihenfolge die R- und S-Isomeren eluiert werden, gemacht werden. Eine für die Praxis geeignete Säule muss durch Versuchsserien evaluiert werden. Für die Methoden des Arzneibuchs reicht es in der Regel aus, wenn zwei bis drei relevante chirale Inhaltsstoffe eines ätherischen Öls gleichzeitig getrennt werden.
Abbildung: Cyclodextrine bilden das Kernstück chiraler Kapillarsäulen
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Carvon-Enantiomere im Kümmelöl
In der Roten Liste 2001 sind zwölf Präparate aufgeführt, die Kümmelöl enthalten. Für die DAB-Monographie "Kümmelöl" ist bereits seit 1999 eine chirale Methode als "Chromatographisches Profil" entwickelt und validiert worden (9), mit der sich Verfälschungen zuverlässig nachweisen lassen.
Die Hauptinhaltsstoffe von Kümmelöl stellen (S)(+)-Carvon, das für den typischen Kümmelgeruch verantwortlich ist, mit einem Anteil von 50 bis 65 Prozent sowie (R)(+)-Limonen mit einem Anteil von 35 bis 45 Prozent dar. Zusammen machen die beiden über 95 Prozent des ätherischen Öls aus. (-)-Carvon spielt mit einem Anteil bis maximal 1 Prozent nur eine untergeordnete Rolle. Als weitere Komponenten in Anteilen unter einem Prozent sind Myrcen, a-Pinen, p-Cymen sowie Carveol, Dihydrocarvon und Dihydrocarveol nachweisbar (10, 11). Als Verfälschung von Kümmelöl findet man in der Praxis Zusätze von (-)-Carvon, das wesentlich billiger als (+)-Carvon ist. Damit wird einerseits der Gehalt an Gesamt-Carvon erhöht, andererseits auch die Gesamtmenge an ätherischem Öl. Das (-)-Carvon ist der Hauptbestandteil von Krauseminzöl (12) und kann durch Isolation daraus gewonnen werden. Der nach Zugabe des (-)-Enantiomers resultierende veränderte Drehwert kann durch Zusätze von (+)-Limonen manipuliert werden.
Bei der Untersuchung von vier Kümmel-Handelsölen konnten mit DC und GC auf einer achiralen Macrogol-Kapillarsäule keine Auffälligkeiten festgestellt werden. Mit der neu für das DAB 2000 entwickelten Methode auf einer mit einem modifizierten g-Cyclodextrin belegten Säule konnten wir zeigen, dass zwei der kommerziellen Öle (Tabelle 1, Nr. 2 und 4) erhöhte (R)(-)-Carvon-Werte aufweisen. Authentische Öle enthalten nur etwa ein Zehntel des R-Enantiomer-Gehalts eines verfälschten Öles. Auch der Limonen-Gehalt ist bei beiden verfälschten Ölen erhöht, bedingt durch den Zusatz von (R)(+)-Limonen. Da der Zusatz des genuin enthaltenen R-Enantiomers mittels GC ohnehin nicht nachgewiesen werden kann, spielt es keine Rolle, dass Limonen auf dieser Säule nicht in seine Enantiomeren getrennt werden kann.
Tabelle 1: Zusammensetzung von Kümmelölen des Groß- und Einzelhandels im Vergleich zu den DAB-Anforderungen
Probe
Myrcen
(+)-Limonen
(+)-Carvon
(-)-Carvon
DAB
0,1 - 1,0
35 - 45
50 - 65
< 1,0
1
0,26
42,61
54,79
0,28
2
0,59
47,84
45,64
5,19
3
0,18
39,44
54,56
0,37
4
0,93
48,16
45,60
3,23
Angaben in Flächenprozent
Lavendelöl wird häufig verfälscht
In der Roten Liste 2001 sind fünf Kombinationspräparate, die Lavendelöl enthalten, sowie ein Monopräparat aufgeführt. Die Ph. Eur. NT 2000 schreibt zur Reinheitsprüfung im chromatographischen Profil bislang die Verwendung einer achiralen Macrogol 20000-Säule vor. Wegen häufiger Verfälschungen der Praxis (13) ist hier ebenfalls der Einsatz einer chiralen Säule angezeigt, mit der diese sicher nachgewiesen werden können.
Hauptinhaltsstoffe des echten Lavendelöls sind Linalool mit 20 bis 45 Prozent und Linalylacetat mit 30 bis 50 Prozent. Der Anteil an 1,8-Cineol liegt unter 2,5 Prozent, an Campher unter 1,2 Prozent. Lavandula latifolia MEDIK liefert das Spiköl, das sich in der Zusammensetzung wesentlich vom echten Lavendelöl unterscheidet. Spiköl enthält sehr wenig Linalylacetat (unter 5 Prozent), größere Mengen 1,8-Cineol (20 bis 35 Prozent) und Campher (5 bis 20 Prozent) sowie Linalool-Anteile zwischen 30 und 50 Prozent. Eine genuine Mischung aus beiden Ölen findet sich im Lavandinöl, das aus den Blüten von Lavandula intermedia L., einer natürlichen Kreuzung aus L. angustifolia MILLER und L. latifolia MEDIK, gewonnen wird. Es enthält wie echtes Lavendelöl etwa 20 bis 45 Prozent Linalool und 20 bis 50 Prozent Linalylacetat, außerdem 5 bis 10 Prozent Campher und bis zu 12 Prozent 1,8-Cineol (14).
Es ist offensichtlich, dass Verfälschungen mit Spiköl sogar im DC festgestellt werden können. Zusätze und Verwechslungen mit Lavandinöl stellen mit der vorgeschriebenen GC-Methode kein Problem dar, da sie durch erhöhte Werte für 1,8-Cineol und Campher auffallen.
Anders sieht es dagegen nach Zusätzen von synthetischem Linalool und/oder Linalylacetat zu minderwertigen Lavendelölen aus. Diese können mit dem derzeit vom Europäischen Arzneibuch vorgegebenen chromatographischen Profil nicht nachgewiesen werden. Beide Monoterpene liegen genuin in der Pflanze fast ausschließlich als R-Isomer vor (5, 15). Werden Lavendelblüten einer Wasserdampfdestillation unterworfen, tritt bei Linalool eine teilweise Racemisierung ein; dabei werden bis zu 10 Prozent des S-Isomers gebildet. Der Essigsäureester hingegen ist stabil, bei der Destillation entstehen nur bis zu 4 Prozent (S)(+)-Linalylacetat (16).
Die Linalool-Enantiomeren werden bevorzugt auf b-Cyclodextrin, die Linalylacetat-Enantiomeren bevorzugt auf g-Cyclodextrin-Derivaten getrennt. Daher erfordert die gleichzeitige, direkte Trennung der beiden Enantiomerenpaare ein komplizierteres Temperaturprogramm und lange Laufzeiten. Zur zuverlässigen Beurteilung der Qualität und Authentizität eines kommerziellen Lavendelöls muss dies jedoch in Kauf genommen werden.
Analysen, die nach den Vorgaben der Ph. Eur. NT 2000 ausgeführt wurden, ergaben, dass zehn der 16 untersuchten Lavendelöle die geforderten Grenzwerte erreichen (Tabelle 2). Sechs Muster weichen von den vorgegebenen Kriterien des chromatographischen Profils durch zuviel 1,8-Cineol (Nr. 4, 15, 16), Limonen (Nr. 1, 2, 4), Campher (Nr. 1, 2, 4, 15, 16), Linalylacetat (Nr. 2) und Terpinen-4-ol (Nr. 15, 16) oder zu wenig Linalylacetat (Nr. 15, 16), Terpinen-4-ol (Nr. 1, 2, 4, 9) und Lavandulylacetat (Nr. 1, 2, 9, 15, 16) ab. Die Proben 15 und 16 fallen durch den relativ hohen 1,8-Cineol- und Terpinen-4-ol-Gehalt, kombiniert mit dem geringen Linalylacetat-Gehalt auf. Die Muster sind als kroatisches oder dalmatinisches Lavendelöl deklariert. Vermutlich handelt es sich um eine chemische Rasse dieser Regionen. Echtes Lavendelöl wird hauptsächlich in Südfrankreich, Spanien, Portugal und Bulgarien produziert (17).
Tabelle 2: Zusammensetzung von Lavendelölen des Groß- und Einzelhandels im Vergleich zu den Anforderungen der Ph. Eur.
Probe
1,8-Cineol
Limonen
3-Octanon
Campher
Linalool
Linalyl-
acetat
Terpinen-4-ol
Lavandulyl-
acetat
a-Terpineol
Ph. Eur.
< 2,5
< 1,0
< 2,5
< 1,2
20 - 45
25 - 46
1,2 - 6,0
> 1,0
< 2,0
1
2,47
7,30
0,16
2,07
39,67
39,85
0,57
0,59
0,35
2
0,85
3,85
0,26
1,30
29,17
51,97
0,72
0,78
0,54
3
0,97
0,49
0,93
0,38
32,48
39,40
1,82
1,76
0,87
4
3,30
16,3
0,76
2,80
36,77
35,79
0,86
1,15
1,96
5
0,53
0,36
0,86
0,37
32,68
41,11
1,42
0,97
0,90
6
0,63
0,31
0,85
0,47
34,54
39,27
1,84
1,15
0,78
7
0,68
0,26
1,40
0,35
34,13
41,19
1,39
1,51
0,55
8
0,85
0,47
0,94
0,20
32,05
37,40
2,99
3,10
0,90
9
0,14
0,25
0,75
0,47
38,04
40,12
0,46
0,70
1,32
10
0,58
0,34
0,65
0,51
35,98
34,50
1,45
0,98
1,95
11
0,35
0,18
1,50
0,31
34,92
39,77
1,40
2,64
0,17
12
0,83
0,21
0,76
0,39
30,93
34,00
4,19
3,47
0,29
13
0,30
0,23
0,87
0,38
35,75
38,19
1,74
1,82
0,68
14
0,57
0,33
0,64
0,58
35,84
34,59
1,43
0,96
1,95
15
8,73
1,04
0,06
1,87
45,72
6,03
7,86
0,63
0,77
16
6,11
0,79
0,03
1,75
46,02
7,73
8,12
0,76
0,79
Angaben in Flächenprozent
Mit einer chiralen stationären Phase, bestehend aus einem b-Cyclodextrin-Derivat (Abbildung), konnte nachgewiesen werden, dass fünf ätherische Öle (Nr. 1, 2, 4, 10, 14) deutlich mehr als vier Prozent (S)(+)-Linalylacetat enthalten, was mit einer Verfälschung gleichzusetzen ist (Tabelle 3). Der Anteil von (S)(+)-Linalool, der bei den Proben 1 und 2 ebenfalls deutlich erhöht ist, liegt bei den Proben 4, 10 und 14 innerhalb der normalen Variabilität. Dies bedeutet, dass bei dem Öl Nr. 1 und 2 Linalool und Linalylacetat, bei Nr. 4, 10 und 14 dagegen nur Linalylacetat zugesetzt wurden.
Tabelle 3: Enantiomerenverteilung von Linalool und Linalylacetat (in Prozent) bei kommerziellen Lavendelölen
Probe
(R)(-)-Linalool
(S)(+)-Linalool
(R)(-)-Linalylacetat
(S)(+)-Linalylacetat
1
60,9
39,1
64,6
35,4
2
83,6
16,4
64,2
35,8
3
95,2
4,8
100
-
4
92,6
7,4
94,2
5,8
5
94,4
5,6
100
-
6
94,7
5,3
100
-
7
95,6
4,4
100
-
8
92,7
7,3
100
-
9
93,7
6,3
100
-
10
96,1
3,9
89,4
10,6
11
96,0
4,0
100
-
12
94,6
5,4
100
-
13
94,9
5,1
100
-
14
96,1
3,9
89,2
10,8
15
97,1
2,9
100
-
16
96,8
3,2
100
-
Vergleicht man die Ergebnisse der chiralen Analytik mit denen der achiralen Analytik des Ph. Eur. NT 2000, so können durch Untersuchung der Enantiomerenzusammensetzung zwei zusätzliche verfälschte Lavendelöle (Nr. 10, 14) identifiziert werden. Die GC-Analytik mit einer chiralen Säule zeigt, dass die Hälfte der analysierten Lavendelöle entweder minderwertig oder durch fremde Zusätze verfälscht ist.
Bitterorangenblütenöl: teuer und nur selten rein
Das chromatographische Profil der Monographie des Ph. Eur. NT 2000 basiert auf einer achiralen Macrogol 20000-Säule. Damit ist jedoch eine Authentizitätsbestimmung nur unzureichend gewährleistet.
Die Gewinnung von Neroliöl erfolgt durch Wasserdampfdestillation der frisch geernteten Blüten von Citrus aurantium L. ssp. aurantium. Durch den hohen Preis des Blütenöls (etwa 2500 DM/kg) steigt die Häufigkeit von Verfälschungen. Hier bietet sich zum einen der Verschnitt mit dem vom Geruch her ähnlichen Petitgrainöl an (18), das aus den Blättern und Zweigen des gleichen Baumes gewonnen wird. Dieses enthält bis zu 60 Prozent Linalylacetat; im Gegensatz dazu weist das Blütenöl davon nur 3 bis 16 Prozent auf (19). Der für Bitterorangenblütenöl charakteristische Inhaltsstoff trans-Nerolidol kommt nur in Spuren im Petitgrainöl vor.
Verschnitte mit größeren Mengen an Petitgrainöl lassen sich auf achiralen Säulen relativ sicher nachweisen. Ein Zusatz kleinerer Mengen ist kaum detektierbar. In diesem Fall bringt eine chirale Trennung der Inhaltsstoffe keinen Vorteil, da auch im Petitgrainöl die R-Konfiguration von Linalool und Linalylacetat überwiegt. Zum anderen werden Linalool und Linalylacetat als Einzelsubstanzen zugesetzt. Eine solche in der Praxis durchaus vorkommende Verfälschung ist mit der aktuellen Methode des europäischen Arzneibuchs praktisch nicht detektierbar. Der Ausschluss solcher Öle ist nur möglich, wenn Linalool den von der Ph. Eur. NT 2000 vorgeschriebenen Grenzwert von 42 Prozent und Linalylacetat den Grenzwert von 16 Prozent überschreiten. Auch die Untersuchung der Enantiomerenverhältnisse kann nur bedingt Hinweise geben, da das genuin in der Blüte enthaltene (R)(-)-Linalool bei der Wasserdampfdestillation teilweise racemisiert und in der Folge bis zu 30 Prozent des S-Enantiomers in genuinem Bitterorangenblütenöl nachgewiesen werden können (3). Reinheitskriterien können deshalb nur mindestens 70 Prozent des R-Enantiomers fordern.
Zum anderen liegt die Reinheit von Linalylacetat zu 95 Prozent auf der Seite des R-Enantiomers; eine gleichzeitige direkte Trennung der Enantiomeren von Linalool und Linalylacetat ist jedoch zeitaufwendig. Zugunsten einer kürzeren Trenndauer wurde deshalb auf die Bestimmung der Linalylacetat-Enantiomeren verzichtet, da unerlaubte Zusätze zumeist schon durch den erhöhten Gesamtanteil an Linalylacetat auffallen.
Von neun analysierten Bitterorangenblütenölen des Handels (Tabelle 4) können sechs (Nr. 2, 3, 4, 5, 6, 8) die im Ph. Eur. NT 2000 vorgegebenen Kriterien nicht erfüllen. Dies liegt unter anderem an den zu hohen Linalool-Gehalten, wobei die Grenzwerte des Arzneibuchs mit 42 Prozent als zu niedrig erscheinen. Die abweichenden Werte von Linalylacetat resultieren entweder aus zu langen Destillationszeiten mit Esterhydrolyse, wodurch die Werte unter die vorgeschriebene 3-Prozent-Marke sinken (Nr. 2, 5), oder aus Zusätzen, die zu hohe Werte ergeben (Nr. 3, 8).
Tabelle 4: Zusammensetzung von Neroliölen des Groß- und Einzelhandels im Vergleich zu den Anforderungen der Ph. Eur.
Probe
b-Pinen
Limonen
Linalool
Linalyl-
acetat
a-Terpineol
Neryl-
acetat
Geranyl-
acetat
Methyl-
anthranilat
trans-
Nerolidol
Ph. Eur.
7 - 17
9 - 18
18 - 42
3 - 16
2 - 7
1 - 3
1,5 - 4
0,1 - 1
1 - 9
1
14,57
12,94
40,05
3,48
3,96
1,53
2,57
0,18
5,54
2
6,60
11,56
55,22
1,74
4,08
0,95
1,88
0,11
3,60
3
0,96
13,72
19,34
29,26
2,19
1,19
1,37
3,67
0,13
4
4,33
6,98
50,16
6,91
4,32
1,88
3,67
0,10
1,09
5
10,06
18,35
37,93
2,42
4,54
1,64
3,24
0,16
3,14
6
6,86
12,23
44,67
11,35
4,73
1,48
2,49
0,20
1,99
7
13,40
12,00
27,21
10,07
4,03
1,24
2,37
0,69
2,31
8
0,78
3,27
36,01
33,04
5,65
0,85
1,67
0,99
-
9
14,12
15,40
36,91
3,77
6,49
1,63
3,00
0,52
5,60
Angaben in Flächenprozent
Bei der Untersuchung der Enantiomeren auf einer modifizierten b-Cyclodextrin-Phase (Tabelle 5) erwiesen sich wegen zu hoher (S)(+)-Linalool-Anteile zwei weitere Öle als verfälscht (Nr. 1, 9). Das bedeutet, dass nur eines (Nr. 7) der neun Öle des Handels als authentisch bestätigt werden kann. Bei Erweiterung der Linalool-Grenzwerte auf 27 bis 60 Prozent könnten drei Muster als authentische Bitterorangenblütenöle anerkannt werden (Nr. 4, 6, 7).
Tabelle 5: Enantiomerenverteilung von Linalool (in Prozent) bei kommerziellen Bitterorangenblütenölen
Probe
(R)(-)-Linalool
(S)(+)-Linalool
1
53,9
46,1
2
78,3
21,7
3
63,6
36,4
4
84,0
16,0
5
71,3
28,7
6
79,7
20,3
7
78,9
21,1
8
69,3
30,7
9
59,1
40,9
Chirale Säulen beweisen den Korianderöl-Verschnitt
Die Rote Liste 2001 enthält sieben Fertigarzneimittel mit Korianderöl, drei davon enthalten das reine ätherische Öl. Eine Arzneibuch-Monographie existiert bisher nur für Korianderfrüchte, die Monographie "Korianderöl" erscheint voraussichtlich 2002 in der Pharmacopoea Europea.
Hauptinhaltsstoff des ätherischen Öls von Coriandrum sativum L. ist ebenso wie bei Lavendelöl und Bitterorangenblütenöl Linalool in einem Anteil von etwa 60 bis 75 Prozent. Der entscheidende Unterschied: Hier herrscht das (S)(+)-Enantiomer vor. Untersuchungen von Handelsölen und selbst destillierten Produkten aus authentischem Drogenmaterial konnten Literaturwerte bestätigen, die für Linalool ein Verhältnis von R zu S von 13:87 beschreiben (20, 21). Weitere Inhaltsstoffe sind a-Pinen, g-Terpinen, Campher, Limonen, p-Cymen, Geraniol und Geranylacetat (21).
Verwechslungen der Ausgangsdroge sind bei der Produktion wegen der charakteristischen Form der Früchte praktisch ausgeschlossen. Das ätherische Öl wird jedoch häufig mit reinem Linalool verschnitten (22). Da nur racemisches Linalool und (R)(-)-Linalool im Handel erhältlich sind, ist eine solche Verfälschung auf chiralen Säulen leicht nachweisbar. Übersteigt der Anteil des R-Enantiomers in Korianderöl 14 Prozent (bezogen auf Gesamt-Linalool), handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein verschnittenes Produkt.
Bei der Untersuchung von elf Handelsölen und sieben selbst destillierten Ölen wurde die b-Cyclodextrinphase wie bei Lavendelöl und Bitterorangenblütenöl gewählt. Die frisch destillierten Öle aus getrockneten Drogen (Tabelle 6) zeigen trotz der verschiedenen geographischen Provenienzen (Bulgarien, Marokko, Russland, Serbien, Ungarn) eine homogene Zusammensetzung. Die Handelsöle (Tabelle 7) weisen größere Abweichungen bei den einzelnen Komponenten, auch im Vergleich zu den destillierten Ölen auf. Im Vergleich mit anderen ätherischen Ölen sind diese Schwankungsbreiten aber sehr gering und vereinfachen die Charakterisierung von Korianderöl.
Tabelle 6: Zusammensetzung von selbst destillierten Korianderölen
Probe
a-Pinen
Limonen
g-Terpinen
p-Cymen
Campher
Linalool
Geranyl-
acetat
1
9,16
1,98
8,39
0,94
3,08
66,01
3,24
2
9,37
1,86
8,12
4,55
2,88
65,19
3,23
3
7,60
1,85
7,89
3,59
3,20
65,88
3,18
4
7,09
2,46
4,53
0,88
4,68
70,15
3,36
5
8,01
2,11
6,51
1,28
3,60
68,48
2,61
6
7,86
1,98
9,21
1,40
3,64
66,65
2,35
7
9,04
1,93
7,28
2,08
3,07
66,70
2,96
Angaben in Flächenprozent
Bei drei der zwölf Handelsöle wurde ein deutlich erhöhter R-Linalool-Gehalt (Tabelle 7 rechts) festgestellt (Nr. 9, 10, 11). Da der Gesamtgehalt an Linalool mit 71 bis 74 Prozent im üblichen Rahmen liegt, kann bei der Untersuchung auf einer achiralen Säule keine Verfälschung festgestellt werden. Ein S-Linalool-Anteil von 65 bis 77 Prozent ist jedoch zu niedrig und weist auf ein verschnittenes Öl hin. Zwei weitere Korianderöle (Nr. 4, 7) haben erhöhte Werte für p-Cymen. Dies stellt ein genuin im Korianderöl enthaltenes Monoterpen dar, das jedoch auch aus g-Terpinen unter Licht- und Sauerstoffeinfluss gebildet werden kann und somit bei Anteilen über 4 Prozent als Marker für überlagerte Öle gilt. Dies wird dadurch bestätigt, dass bei beiden Proben die Werte für g-Terpinen auffällig niedrig, ähnlich den Werten der verfälschten Öle 9, 10 und 11 sind.
Tabelle 7: Zusammensetzung von Korianderölen des Groß- und Einzelhandels; (Angaben in Flächenprozent) sowie die Enantiomerenverteilung von Linalool (in Prozent)
Probe
a-Pinen
Limonen
g-Ter-
pinen
p-Cymen
Campher
Linalool
Geranyl-
acetat
(R)(-)-
Linalool
(S)(+)-
Linalool
1
7,81
2,52
3,59
2,50
4,52
68,85
3,24
13,1
86,9
2
8,48
2,69
3,95
2,26
4,49
67,42
3,68
13,0
87,0
3
8,35
2,60
4,35
1,73
4,41
68,13
3,46
13,0
87,0
4
4,16
2,33
1,15
6,24
4,87
71,29
2,52
13,4
86,6
5
7,23
2,62
3,32
3,93
4,84
69,13
2,82
12,8
87,2
6
3,02
1,51
5,61
0,70
3,86
78,43
1,67
12,7
87,3
7
5,38
2,13
0,70
5,46
5,23
72,56
2,32
12,9
87,1
8
5,43
2,48
4,46
2,34
4,97
72,38
2,25
12,9
87,1
9
4,13
4,64
2,28
2,60
4,02
70,96
2,16
30,3
69,7
10
3,42
9,42
1,55
1,10
1,91
74,25
1,80
35,2
64,8
11
5,28
2,31
2,15
4,21
5,34
71,14
2,35
23,1
76,9
Fast die Hälfte der untersuchten Korianderöle des Handels ist minderwertig oder verfälscht, was sich nur durch Einsatz chiraler GC-Säulen belegen lässt.
Material und Methoden
Herkunft der Handelsöle: Amyris (Sachsenheim), Bergland (Heimertingen), Caesar & Lorentz (Hilden), Düllberg Konzentra (Hamburg), essencia (Winterthur, Ch.), Frey + Lau (Henstedt-Ulzburg), Kaders (Hamburg), Kitzing (Wallerstein), Pegam (St. Johann-Upfingen), Primavera (Sulzberg/Allgäu), Roth (Karlsruhe), Schierholz (Bad Oldeslohe), Sixtus (Schliersee).
Herkunft der Drogen: Bauer (Vestenbergsgreuth), Caesar & Lorenz (Hilden).
Destillation: Die Destillation der Drogen wurde gemäß der Vorschrift zur Gehaltsbestimmung ätherischer Öle der Ph. Eur. 1997 (2.8.12) durchgeführt.
GC-Bedingungen: Gaschromatograph Fisons 8000 series mit FID, Injektionsvolumen je 1µl
Achiral: Methoden der Ph. Eur.-Monographien (Lavendelöl und Bitterorangenblütenöl)
Chiral: Methode der DAB-Monographie (Kümmelöl); für die übrigen Öle: Säule 2,3-Diacetyl-6-TBDMS-g-Cyclodextrin (50 Prozent gelöst in Polysiloxan OV 1701) 50 m x 0,25 mm ID, Helium 1,5 ml/min, Split 1:100, Detektor/Injektor: 220°C
Temperaturprogramme: Lavendelöl: 70°C 40 min // 3°C/min // 100°C 18 min // 4°C/min // 180°C 12 min; Bitterorangenblütenöl: 85°C 5 min // 1,5°C/min // 180°C 2 min; Korianderöl: 88°C 3 min // 1°C/min // 140°C.
Literatur
Danksagung
Unser besonderer Dank gilt dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Berlin/Bonn für die finanzielle Unterstützung des Projektes. Des weiteren danken wir den Firmen Düllberg Konzentra, Frey + Lau, Kaders, Kitzing und Sixtus für die Bereitstellung von Ätherisch-Öl-Mustern sowie der Firma Bauer für die Bereitstellung von Drogenmustern.
Die Autoren
Gerhard Franz arbeitete nach dem Pharmaziestudium und der Promotion 1965 als Post-doc am Department of Biochemistry in Berkely/USA. 1970 habilitierte er sich und wurde zum Professor an der Universität Fribourg ernannt. Seit 1977 hat den Lehrstuhl Pharmazeutische Biologie an der Universität Regensburg inne. Von 1994 bis 1998 war Professor Franz Präsident der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung. Er ist Mitglied in wissenschaftlichen Gesellschaften, des Wissenschaftlichen Beirats und der Kommission E des BfArM, der Arzneibuchkommission, des DAC-Ausschusses sowie Vorsitzender des Ausschusses Pharmazeutische Biologie des DAB und der Kommission 13B Ph.Eur. Seine Hauptarbeitsgebiete umfassen die Chemie und Analytik der Kohlenhydrate, immunmodulierende, antiinflammatorische und Tumor hemmende Naturstoffe, Heparinoide sowie die Erarbeitung von Drogenmonographien für das europäische und das deutsche Arzneibuch und den DAC. Für seine Forschungsleistungen erhielt er den Egon-Stahl- und den Sebastian-Kneipp-Preis.
Michaela Braun studierte Pharmazie in Regensburg und erhielt im Dezember 1998 die Approbation. Seit Januar 1999 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin (Doktorandin) am Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie in Regensburg tätig. In ihrer Doktorarbeit befasst sie sich mit der Verbesserung der Arzneibuchvorschriften und deren Angleichung an das Europäische Arzneibuch am Beispiel von ätherischen Ölen.
Für die Verfasser:
Professor Dr. Gerhard Franz
Lehrstuhl Pharmazeutische Biologie
Universität Regensburg
Universitätsstr. 31
93040 Regensburg
E-Mail: Gerhard.Franz@chemie.uni-regensburg.de
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