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Neurotransmitter-Transporter, ATPasen und Lipidkomponenten

21.06.1999  00:00 Uhr

-TitelGovi-Verlag

TRANSPORTPROTEINE ALS TARGETS

Neurotransmitter-Transporter, ATPasen und Lipidkomponenten

von Peter Nuhn, Halle

Für die normale Reizweiterleitung durch Neurotransmitter ist es erforderlich, daß diese sehr schnell wieder beseitigt werden, damit der Rezeptor für eine neuerliche Aktivierung regeneriert werden kann. Neben der Inaktivierung durch abbauende Enzyme, zum Beispiel Acetylcholinesterase, Monoaminoxidase oder Catecholamin-O-methyl-transferase (1), ist die Wiederaufnahme (re-uptake) in die Nervenzelle die wichtigste Form der Neurotransmitter-Inaktivierung im Zentralnervensystem.

In den synaptischen Membranen von Neuronen sind Transporter vorhanden, die Neurotransmitter wieder in intrazelluläre Vesikel aufnehmen können (2). Ähnliche Natrium-abhängige Cotransporter, die Metaboliten konzentrieren können, kommen in zahlreichen Zellen vor und wurden für Dopamin, Noradrenalin (NA), 5-Hydroxy-tryptamin (Serotonin, 5-HT), gamma-Aminobuttersäure (GABA), Glutamat und Aspartat, Glycin, Taurin, Cholin, Prolin und Adenosin beschrieben. Die Aufnahme der Neurotransmitter und anderer Metaboliten ist gekoppelt an einen Cotransport von Natriumionen (Symport).

Die Transportproteine zeigen viele Gemeinsamkeiten und gehören offensichtlich einer Genfamilie an. Die monomeren Transporter enthalten 600 bis 700 Aminosäuren (67 bis 77 kDa) mit zwölf Transmembransegmenten. Insbesondere die Transmembransegmente 1 und 2 sowie 4 bis 8 zeigen ein hohes Maß an Homologie. Ähnlich wie bei den adrenergen Rezeptoren wird ein Aspartatrest für die Bindung der Monoamine verantwortlich gemacht. Einen Aspartatrest findet man im Transmembransegment 1 von Dopamin-(Asp 79)-, Noradrenalin- und Serotonin-Transportern (Monoamin-Transporter); im GABA- und Betain-Transporter ist dieser aber durch einen Glycinrest ersetzt.

Zahlreiche Transporter wurden kloniert. Beim humanen Cocain- und Antidepressiva-sensitiven Noradrenalin-Transporter handelt es sich um ein Membranprotein aus 617 Aminosäuren mit 12 bis 13 hydrophoben Regionen, die Transmembransegmenten entsprechen. Der humane Dopamin-Transporter wurde 1992 geklont und näher charakterisiert (3, 4). Danach enthält der Transporter 620 Aminosäuren und 12 Transmembransegmente. Die bisher geklonten Neurotransmitter-Transporter zeigen weitgehende strukturelle Gemeinsamkeiten. Ihre Aktivität hängt ab vom zellulären Na+-Gradienten, der durch die Na+/K+-ATPase aufrechterhalten wird. Etliche Neurotransmitter-Transporter werden durch Proteinkinase C reguliert.

Neurotransmitter-Transporter als Zielsysteme

Hemmer der Wiederaufnahme von Neurotransmittern spielen heute eine sehr wichtige Rolle bei den ZNS-wirksamen Arzneistoffen. Durch die Hemmung der Transporter (Hemmung der Wiederaufnahme) wird die Konzentration der entsprechenden Neurotransmitter im synaptischen Spalt erhöht.

Depressionen werden auf Störungen des zentralen noradrenergen und serotoninergen Systems zurückgeführt. Zahlreiche Antidepressiva blockieren mehr oder weniger selektiv die entsprechenden Transporter. Durch Serotonin-Wiederaufnahmehemmer kann ähnlich wie durch Serotonin-Antagonisten oder L-Tryptophan ein Serotonin-Syndrom ausgelöst werden, das durch Kopfschmerzen, Angstgefühle, Schlaflosigkeit und weitere zentralnervöse und periphere Nebenwirkungen charakterisiert ist.

Die meisten Antidepressiva hemmen die Wiederaufnahme relativ unselektiv; diese monoaminergen Wiederaufnahmehemmer werden auch als schmutzige Antidepressiva bezeichnet. Zu den Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (serotonin noradrenalin reuptake inhibitors, SNRI) gehören die klassischen Antidepressiva aus der Gruppe der basisch substituierten Tri- und Tetracyclen (Imipramin-, Amitriptylin-Gruppe, Opipramol, Dibenzepin), die jedoch auch an peripheren Neurotransmitter-Rezeptoren angreifen (anticholinerge und antiadrenerge Nebenwirkungen), sowie Venlafaxin. Von selektiver angreifenden Wiederaufnahmehemmern erhofft man sich vor allem eine Reduktion der Nebenwirkungen.

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (selective serotonin re-uptake inhibitors, SSRI) (5) haben therapeutische Bedeutung bei mentalen Depressionen. Das Verhältnis IC50 NA/IC50 5-HT beträgt zum Beispiel für Citalopram 3400, für Sertralin 840 und für Fluoxetin 54 (Literatur dazu in 6). Der selektive Angriff am Serotonin-Rezeptor soll die Nebenwirkungen reduzieren.

Der Serotonin-Transporter wird auch von Trazodon und Nefazodon gehemmt. In den vorgesehenen therapeutischen Dosen sind diese Verbindungen jedoch als 5-HT2-Rezeptorantagonisten wirksam. Clomipramin ist ebenfalls nur in vitro ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. In vivo wird Clomipramin demethyliert und blockiert danach die Noradrenalin-Wiederaufnahme.

Das 1998 eingeführte Reboxetin hemmt selektiv die Noradrenalin-Wiederaufnahme. Reboxetin soll auch bei schweren Depressionen wirken und mindestens so wirksam wie Imipramin oder Desipramin sein.

Der Dopamin-Transporter wird durch Psychostimulantien wie Cocain, Amphetamin oder Phencyclidin, Antidepressiva (Amitryptilin, Desipramin) und mehr oder weniger spezifische Wiederaufnahmehemmer (Mazindol) gehemmt. Aus Ergebnissen der Positronenemissions-Tomographie geht hervor, daß bei Cocain-Abhängigen mit "High-Gefühl" etwa 60 Prozent der Dopamin-Transporter blockiert sind und damit die Dopamin-Konzentration deutlich erhöht ist. Daneben blockiert Cocain aber auch den Noradrenalin- und Serotonin-Transporter (7).

Ein Hemmer der GABA-Wiederaufnahme ist das als Antiepileptikum entwickelte Tiagabin.

Die an den Na+-Transport gekoppelten Glutamat-Transporter (8) sind als potentielle Targetstrukturen neben den erwähnten Glutamat-Rezeptoren für die Wirkstoffentwicklung von Interesse. Den Glutamat-Transporter blockieren verschiedene Aminobenzthiazole (Riluzol, Lubeluzol), die als Neuroprotektiva (neuronal injury inhibitors) wirken sollen, sowie Lamotrigin, das als Antiepileptikum eingesetzt wird.

ATPasen

Kationen-Transport-ATPasen transportieren kleine Ionen wie H+, Na+ oder Ca2+ (Protonen-, Natrium-, Calciumpumpe) entgegen einem Konzentrationsgefälle (9). Die Kationen-Transport-ATPasen erhalten den Konzentrationsgradienten zwischen den Zellkompartimenten und zwischen Zelle und Extrazellulärflüssigkeit aufrecht und ermöglichen damit elektrophysiologische Prozesse; sie beeinflussen aber auch die osmotische Regulation und regulieren intrazelluläre metabolische Prozesse (Ca2+ als second messenger).

Das Konzentrationsgefälle wird bei den Kationen-Transport-ATPasen durch Hydrolyse des energiereichen Adenosintriphosphats (ATP) überwunden. Die membrangebundenen Transport-ATPasen sind Mg-abhängig. Wahrscheinlich ist ein Mg-ATP-Komplex das eigentliche Substrat, das an der ATP-Bindungsstelle gebunden wird. Es kommt intermediär zur Phosphorylierung der ATPase (Phosphorylierungsstelle). Der Phosphatrest am Enzym ermöglicht die Bindung der Kationen. Dadurch sind katalytische und transportierende Aktivitäten gekoppelt. Im Falle der mit am besten untersuchten Ca2+/Mg2+-ATPase (E) laufen folgende Prozesse ab (Pa = anorganisches Phosphat; E-P: phosphoryliertes Enzym), die zum Transport der Calciumionen durch die Membran führen:

  • Bindung von Calcium: E + 2 Ca2+ (außen) =>  E x Ca2
  • Phosphorylierung des Enzyms: E x Ca2 + ATP => ATP x E x Ca2 => ADP x E-Px Ca2 => E-P x Ca2 + ADP
  • Transport von Calcium ins Zellinnere: E-P x Ca2 => E-P + 2 Ca2+ (innen)
  • Abspaltung des Phosphatrestes: E-P => E x Pa => E + Pa

Die Ca2+/Mg2+-ATPase ist am sarkoplasmatischen Retikulum der Zellen der quergestreiften Muskulatur lokalisiert. An die Ca2+-ATPase der Plasmamembran bindet Calmodulin.

Von Bedeutung als Targetstrukturen für die Wirkstofforschung sind gegenwärtig die Na+/K+-ATPase (Inhibitoren: inotrope Steroide) und die H+/K+-ATPase (Inhibitoren: Protonenpumpenhemmer).

Natriumpumpe: Die Na+/K+-ATPase besteht aus zwei Untereinheiten. Die alpha-Untereinheit hat eine Molmasse von etwa 100 kDa, die beta-Untereinheit von etwa 40 kDa. Bei der beta-Untereinheit handelt es sich um ein Glykoprotein. Die Na- und Mg-ATP-Bindung erfolgt an der zytoplasmatischen Seite, die K-Bindung an der extrazellulären Seite des Proteinkomplexes. Die Na+/K+-ATPase ist verantwortlich für die Aufrechterhaltung der extrem niedrigen Natriumkonzentration in der Zelle.

Bei einer Hemmung der Na+/K+-ATPase durch inotrope Steroide (herzwirksame Glykoside) steigt der intrazelluläre Na-Level. Er wird durch Aktivierung des Na+/Ca2+- Austauschsystems ausgeglichen, wobei ein Ca2+-Ion im Austausch gegen drei Na+-Ionen in die Zelle transportiert wird. Dadurch steigt die Ca-Konzentration in der Zelle. Eine Hemmung der Na+/K+-ATPase führt damit zu einer Erhöhung der intrazellulären Ca2+-Konzentration und zur inotropen Wirkung der herzwirksamen Glykoside. Diese werden hochaffin und reversibel extrazellulär an die alpha-Untereinheit gebunden. Die Suche nach endogenen Regulatoren der Na+/K+-ATPase hat bisher zu keinen eindeutigen Ergebnissen geführt.

Protonenpumpe: Die H+/K+-ATPase ist in den Parietalzellen (Belegzellen) der Magenschleimhaut enthalten und für die Bildung der Magensäure verantwortlich. Es handelt sich um ein Polypeptid aus 1033 Aminosäuren (110 kDa), das 60 Prozent Homologie mit der Natriumpumpe zeigt. Nach Stimulierung der Zelle durch Acetylcholin, Secretin oder Histamin werden Protonen im Austausch gegen Kalium- und Chloridionen aus den Canaliculi in das Magenlumen freigesetzt.

Die bisher auf dem Markt befindlichen Protonenpumpenhemmer Omeprazol, Lansoprazol, Pantoprazol und Rabeprazol, die zur Behandlung von Ulcera eingesetzt werden, sind Sulfoxide, die im Neutralen stabil sind, im Magen aber protonenkatalysiert (pH < 3,0) in Sulfenamide umgewandelt werden. Diese Sulfenamide reagieren mit HS-Gruppen (Cysteinreste) der Protonenpumpe unter Ausbildung einer Disulfidbrücke. Es kommt also zu einer kovalenten Bindung und damit zu einer irreversiblen Hemmung der Protonenpumpe. Rabeprazol beeinflußt im Unterschied zum Omeprazol nicht das Cytochrom P450-System.

ABC-Proteine

Für jede Zelle ist ein selektiver Transport durch die Membran von außen nach innen, zum Beispiel für die Versorgung mit Nährstoffen, und von innen nach außen (Exkretion) essentiell. So kodieren etwa 20 Prozent der Gene von Escherichia coli für Transportproteine. Die größte Gruppe dieser Transportproteine umfaßt die ABC-Proteine (ATP-binding cassette proteins, ABC-Transporter) (12, 13). Eine wesentliche Rolle spielen Transportproteine beim hepatobiliären Transport (14). Eine Dysfunktion führt zu einer Retention von Substraten, die sich in Hyperbilirubinämie oder Cholestasis äußern kann.

Zu diesen Transportproteinen gehören polyspezifische Transporter für organische Kationen (OCT) in der Leber, die für Elimination endogener Amine und Xenobiotika verantwortlich sind. OCT1 ist ein Carrier für kleine monovalente Kationen wie Tributylammonium, Tetraethylammonium oder 1-Methyl-4-phenylpyridinium. Daneben gibt es noch einen Carrier für größere, meist bivalente Kationen (Beispiele: Vecuronium, Rocuronium) sowie polyspezifische Transporter. In der Niere ist ein Transporter (OCT2) für den Transport kationischer Arzneistoffe und Xenobiotika verantwortlich. Der Transporter wird durch Cimetidin, Procainamid und Chinidin gehemmt.

Von besonderer Bedeutung für die Arzneistoffentwicklung sind innerhalb der ABC-Transporter die Multidrug-Transporterproteine in Zusammenhang mit der Zytostatika-Resistenz (15, 16). Krebszellen können gegen strukturell und funktionell sehr unterschiedliche Zytostatika resistent werden. Das Auftreten dieser Multidrug-Resistenz (MDR) korreliert mit der Anwesenheit von Transportproteinen, zu denen aus der Superfamilie der ABC-Proteine die P-Glykoproteine (Pgp) und die Multidrug Resistance-associated Proteine (MRP) gehören. Wirkstoffbindung und -transport korrelieren mit der ATP-Hydrolyse (ATPase-Aktivität). Verantwortlich für die MDR ist eine reduzierte Arzneistoff-Akkumulation in der Krebszelle.

Die an der MDR beteiligten P-Glykoproteine (P für permeability) werden im Menschen durch zwei Gene kodiert (MDR1 und MDR2), die beide auf dem Chromosom 7 lokalisiert sind. Das Produkt des MDR1-Gens ist ein 170 kDa-Membranprotein, das auch als PG-170 bezeichnet wird. P-Glykoproteine (16) kommen als Multidrug-Transporter auch in normalen Zellen, zum Beispiel von Nieren, Leber und des Intestinaltraktes, vor und wurden in Enterozyten nachgewiesen (17, 18). P-Glykoproteine wurden offensichtlich während Evolution angelegt, um hydrophobe Substanzen (Xenobiotika) aus Cytoplasma oder Plasmamembran der Zelle nach außen in das extrazelluläre Milieu zu transportieren und Zelle so zu schützen (drug pump). P-Glykoprotein ist auch in der Blut-Liquor-Schranke enthalten und für den Schutz des Gehirns verantwortlich. Bei der durch Zytostatika oder allgemein durch Xenobiotika erzeugten MDR handelt es sich um eine ektopische Expression von Genen.

Multidrug Resistance-associated Proteine (MRPs) werden durch mindestens fünf Gene (MRP1-5) kodiert. Das MRP1-Produkt ist ein 190 kDa-Protein (MRP-190), das nur über 15 Prozent homologe Aminosäuresequenzen zum P-Glykoprotein verfügt. Das MRP2-Protein der Leber ist ein multispezifischer Transporter für organische Anionen.

Zu den Resistenz-erzeugenden Substraten gehören Krebschemotherapeutika wie Anthracycline (Daunorubicin, Doxorubicin), Vinca-Alkaloide (Vincristin, Vinblastin), Epipodophyllotoxine, Taxol oder Actinomycin D. Im allgemeinen handelt es sich dabei um schwache Basen. Zu den MDR-Substraten gehören aber auch das nicht basische Colchicin oder verschiedene Peptide (Gramicidin, Valinomycin). Die Substrate von P-Glykoprotein und MRP1 unterscheiden sich. Während MRP1 an normalen physiologischen Prozessen beteiligt zu sein scheint, ist Pgp vor allem für die Entfernung toxischer Xenobiotika verantwortlich.

Substanzen, die die MDR wieder aufheben können, werden als MDR-reversal agents (MDR-agents, Pump poisons) oder MDR-Modulatoren bezeichnet. Zu den MDR-Modulatoren (19, 20, 21) gehören Verbindungen sehr unterschiedlicher Struktur und Hauptwirkung wie Verapamil, Dexniguldipin und weitere Dihydropyridine, Propafenon, Amiodaron, Steroide wie Mifepriston, Cyclosporin, Phenothiazine (Trifluperazin) oder Thioxanthene. Auch Dipyridamol dient als Leitsubstanz für die Entwicklung von MDR-Modulatoren. Die MDR-Modulatoren sind lipophil, enthalten meist zwei planare aromatische Ringe und eine positive Ladung bei physiologischem pH-Wert.

Effektive und nicht-toxische MDR-Modulatoren hätten in Kombination mit Krebschemotherapeutika große Bedeutung in der Tumorbehandlung. Die bisherigen klinischen Ergebnisse, zum Beispiel mit Verapamil, sind allerdings wenig erfolgreich, was daran liegen kann, daß die erforderliche relativ hohe Wirkstoffkonzentration am P-Glykoprotein oder MRP1 in vivo nicht erreicht wurde. Der klinische Wert ist noch umstritten. Ferner sind Interaktionen zu erwarten, da auch physiologische Entgiftungsreaktionen gehemmt werden.

Wirkstoffe, die an Lipidkomponenten angreifen

Es sind zahlreiche Stoffe bekannt, die die Membranstruktur stören oder artifizielle Poren setzen und so zu pathogenen Transportmechanismen führen. Zu diesen Stoffen gehören oberflächenaktive Verbindungen wie Saponine, die eine Hämolyse auslösen. Ionophore sind organische Verbindungen, die einen erleichterten Transport durch Membranen induzieren können, indem sie als mobile Carrier wirken oder Poren (Kanäle) bilden (22). Porenbildner sind wesentlich effizienter als Carrier.

Für einen therapeutischen Einsatz sind Ionophore in der Regel zu toxisch. Zu den Ionophoren aus der Gruppe der Naturstoffe gehören cyclische Peptide und Depsipeptide (Antamanid, Valinomycin), cyclische Polyester (Nonactin) und Polyether (Nigericin, Monensin). Die meisten Ionophore bevorzugen Kaliumionen. Besonders gut ist der Kaliumkomplex des Valinomycin untersucht, der als Kalium-Carrier wirkt. Zu den therapeutisch verwertbaren Kanal-bildenden Verbindungen gehören die Polyen-Antibiotika sowie das Peptid Gramicidin.

Wechselwirkungspartner der Polyen-Antibiotika (Amphotericin B, Nystatin, Natamycin) sind die Sterole der biologischen Membranen. Entscheidend für die Wirkung ist die weitgehend planare Polyenstrukturkomponente der Antibiotika. Die Membranen der Pilze enthalten Ergosterol, die der Protozoen und Säugetierzellen Cholesterol. Bakterienmembranen besitzen keine Sterole und sind deshalb auch nicht empfindlich gegenüber den Polyen-Antibiotika. Freie Sterole im Kulturmedium können den Effekt der Polyen-Antibiotika wieder aufheben.

Die Polyen-Antibiotika bilden mit den Sterolen Komplexe (porenähnliche Cluster), wodurch die Membran gegen kleine Ionen (insbesondere K+) durchlässig wird. Am Zelltod sind allerdings auch noch andere Mechanismen beteiligt, zum Beispiel Lipidperoxidation und die Blockade der Endozytose. Da die Komplexbildung auch mit Cholesterol erfolgt, sind die Polyen-Antibiotika für Säugetierzellen toxisch. Polyen-Antibiotika sind auch gegen Leishmaniosen wirksam. Im Säugetier führen sie zur Hämolyse. Es kommt durch die Bildung von Poren sowie durch Hemmung der Na/K-ATPase zum Kaliumverlust. Andere Cholesterol-spezifische, hämolytisch wirkende Stoffe sind Digitonin (das Saponin des Fingerhutes) sowie Streptolysin O. Bemerkenswert ist, daß die Polyen-Antibiotika offensichtlich keine Resistenz induzieren können.

Gramicidin ist ein Gemisch der linearen Pentadecapeptide Gramicidin A, B und C, die durch einen N-terminalen Formyl-Rest und einen C-terminalen Hydroxyethylamid-Rest charakterisiert sind. Das ebenfalls therapeutisch eingesetzte Tyrothricin ist eine Mischung von Gramicidin A, B und C und Tyrocidin A, B und C. Die Gramicidine und Tyrocidine werden von Bacillus brevis-Kulturen produziert. Die linearen Pentadecapeptide sind ausgesprochen hydrophob und bilden in der Membran ein helikales Dimer, bei dem die hydrophoben Aminosäurereste nach außen, das heißt zu den Membranlipiden hin orientiert sind, während in der Achse ein hydrophiler Tunnel gebildet wird, der für kleine Kationen durchlässig ist. Der molekulare Wirkungsmechanismus der beiden cyclischen Decapeptide Gramicidin S und Tyrocidin A ist noch unklar. Es tritt eine Wechselwirkung der amphiphilen Peptide mit Phospholipiden ein.

Membranaktiv sind auch die Polymyxine. Es handelt sich dabei um eine Gruppe von cyclischen Peptiden mit mehreren protonierbaren Gruppen (4-Aminogruppe von 2,4-Diaminobuttersäure-Resten) und einem lipophilen Fettsäurerest. Zu dieser Gruppe gehören Polymyxin B und Colistin. Die Polymyxine werden aus Kulturen von Bacillus polymyxa oder B. colistinus isoliert. Die Antibiotika dieser Gruppe binden an negativ geladene Phospholipide der Bakterienmembran, was zu Veränderungen der Permeabilität und in der Folge zum Verlust der osmotischen Integrität der Bakterienzelle führt.

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Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. Peter Nuhn,
Institut für Pharmazeutische Chemie,
Martin-Luther-Universität Halle,
Wolfgang-Langenbeck-Straße 4
06120 Halle/Saale

Der erste Teil dieses Beitrages über biochemische Grundlagen des Membrantransportes ist in PZ 7/99 erschienen; Teil II in PZ 8/99 stellte Wirkstoffe vor, die an Spannungs- und Liganden-abhängigen Ionenkanälen angreifen.Top

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