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Arzneistoffe zum Aufkleben

27.05.2002  00:00 Uhr

Transdermale therapeutische Systeme

Arzneistoffe zum Aufkleben

von Marc Schiller und Peter C. Schmidt, Tübingen

Nur acht Wirkstoffe sind derzeit in Form von transdermalen therapeutischen Systemen (TTS) auf dem deutschen Markt verfügbar. Die Präparate unterscheiden sich im Aufbau, in den pharmakokinetischen Kenngrößen und den verwendeten Hilfsstoffen. Für eine korrekte Beratung des Kunden muss der Apotheker die pharmazeutisch-technologischen und biopharmazeutischen Aspekte der verschiedenen Darreichungsformen parat haben.

Die Haut stellt mit einer Fläche von etwa 20.000 cm2 das größte Organ des menschlichen Körpers dar und erhält ungefähr ein Drittel der gesamten Blutversorgung im Organismus (1). Sie übt in erster Linie Schutzfunktionen aus: Sie verhindert das Eindringen von Fremdstoffen und Mikroorganismen und den Verlust lebenswichtiger endogener Stoffe wie Wasser und Elektrolyte. Die Haut bildet jedoch keine völlig impermeable Barriere für exogene Stoffe, so dass Arzneistoffe über unterschiedliche Wege transkutan in den Organismus aufgenommen werden können (2). Haarfollikel, Talg- und Schweißdrüsen bieten günstige Wege für die Permeation von Arzneistoffen; sie dürften jedoch quantitativ keine große Rolle spielen, da diese Strukturen nur etwa 0,1 Prozent der gesamten Hautoberfläche ausmachen.

Maßgeblich beeinflusst wird die perkutane Permeabilität vom Applikationsort und von der Dicke der Hornschicht, die die Hauptbarriere für Fremdstoffe darstellt. Während Hydrocortison als Modellsubstanz an Handflächen und Fußsohlen vermindert aufgenommen wird, ist die Aufnahmerate durch die Haut der Hinterohrregion und das Skrotum bis zu 40-fach erhöht verglichen mit dem Unterarm (3).

TTS sind wirkstoffhaltige Pflaster, die den Wirkstoff über die Haut in das darunter liegende Gewebe und die Blutgefäße abgeben, so dass dieser systemisch wirksam werden kann.

An die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Arzneistoffen, die für eine Therapie mit TTS in Frage kommen, sind verschiedene Anforderungen geknüpft. Das Molekulargewicht sollte unter 1000 liegen. Die Substanz sollte lipidlöslich sein, aber auch eine gewisse Löslichkeit in wässrigen Medien aufweisen. Da die Fläche des Systems begrenzt ist, können nur hochpotente Arzneistoffe zum Einsatz kommen, deren wirksame Plasmaspiegel im Bereich von ng/ml liegen. Anschaulicher gesagt: Für eine perkutane Medikation mit Acetylsalicylsäure wäre eine aktive Fläche von 17,5 m2 nötig, was etwa dem Zehnfachen der Körperoberfläche entspricht.

Die Wirkstoffkonzentration im Steady-State (Css) kann in den Fällen, in denen die In-vitro-Permeation der Wirkstoffe durch die Haut (Rin) und die Gesamtclearance (CL) bekannt sind, durch folgende Gleichung abgeschätzt werden (4):

Css = Rin
-----
CL

Auf Grund der relativ konstanten Plasmaspiegel kann die Anwendung eines TTS unter pharmakokinetischen Gesichtspunkten mit einer intravenösen Dauerinfusion verglichen werden. Ein TTS ist jedoch viel angenehmer für den Patienten. Weitere Vor- und Nachteile der "Pflaster", vor allem im Vergleich zu peroralen Zubereitungen, sind in Tabelle 1 aufgeführt (5).

 

Tabelle 1: Vor- und Nachteile von transdermalen therapeutischen Systemen

Vorteile 

Nachteile

nahezu konstante Blutspiegel über die Zeit, in der das TTS aufgeklebt ist 

nicht geeignet für Arzneistoffe, die zu Hautirritationen oder Sensibilisierung führen

Umgehung des Gastrointestinaltraktes und damit des First-Pass-Metabolismus 

Hautschädigungen durch Beeinflussung der Hautflora oder -enzyme möglich

gute Steuermöglichkeit der Dosierung durch Variation der Fläche 

je nach Hauttyp Allergien auf Bestandteile der in den TTS verwendeten Kleber und/oder Enhancer möglich

Verlängerung der Wirkdauer von Arzneistoffen mit kurzer biologischer Halbwertszeit 

verzögerter Wirkungseintritt (erst nach Gewebesättigung)

verringerte Nebenwirkungen bei Arzneistoffen mit geringer therapeutischer Breite 

nach Entfernung des TTS unverminderte Arzneistoffresorption aus Hautdepot - schlechte Steuerung der Therapie

bessere Compliance der Patienten 

 

 

Membran- versus Matrixpflaster

Aus historischer Sicht teilt man die TTS in zwei große Klassen ein (6). Mit membrankontrollierten Systemen begannen alle Entwicklungen auf dem Gebiet der transdermalen Systeme. Sie haben eine Polymermembran, die die Permeation eines Arzneistoffs aus einem Reservoir in die Haut kontrolliert. 

Membranpflaster zeichnen sich durch eine relativ konstante Liberation aus. Ein Nachteil: Bei mechanischer Verletzung der Kontrollmembran kann der Arzneistoff schlagartig freigesetzt werden ("dose-dumping").

Matrixdiffusionskontrollierte Systeme sind einfacher aufgebaut, da sie kein separates Kontrollelement haben. Die Arzneistofffreigabe wird durch eine lipophile oder hydrophile Polymermatrix kontrolliert, in der der Wirkstoff gelöst oder homogen dispergiert vorliegt. Matrix-TTS setzen die Wirkstoffe nicht immer zeitkonstant frei. Ein "dose-dumping" ist nicht möglich, so dass diese Arzneiform bei hochaktiven Arzneistoffen als sicherer gilt.

Diese Grundeinteilung ist bis heute gebräuchlich (Tabelle 2 - pdf-Format, 100 kB). Neuere Entwicklungen sollen die Arzneistoffliberation zeitkonstant steuern. Moderne Matrixsysteme bestehen neben der Abdeckschicht nur noch aus einer Schicht, die gleichzeitig die drei Funktionen des Wirkstoffreservoirs, des Kontrollelements und der Haftschicht ("drug-in-adhesive") ausübt. Multilayersysteme enthalten den Wirkstoff von oben nach unten in abnehmender Konzentration, so dass nach Applikation ein konstantes Konzentrationsgefälle als treibendes Element für eine zeitkonstante Arzneistoffliberation aufgebaut wird. Das Mikroreservoirsystem, das den Arzneistoff in mikroverkapselter Form enthält, ist mittlerweile nicht mehr auf dem Markt.

Hilfsstoffe für TTS

Die permeationskontrollierende Membran wird beinahe ausschließlich aus Poly(ethylenvinylacetat) (EVA) hergestellt. Ausnahmen sind das Nicotin-Pflaster NiQuitin®, das eine mikroporöse Polyethylenmembran zur Kontrolle der Wirkstofffreigabe besitzt, sowie Scopoderm® TTS mit einer Membran aus mikroporösem Polypropylen.

Haftkleber: Druckempfindliche Haftkleber sind hochviskose Stoffe, die nach kurzem leichten Druck sofort auf der Haut kleben. Dabei müssen die Substanzen generell sowohl starke Kohäsions- als auch Adhäsionskräfte aufweisen. Sie sollten auf Grund des Fettfilms auf der Haut einen eher lipophilen Charakter besitzen (8). Zum Einsatz kommen Polyacrylate, die gute Druckklebeeigenschaften, einen hypoallergenen Charakter und eine gute Permeabilität für Wirkstoffe aufweisen, sowie Polyisobutylen in einer Mischung aus hochmolekularen Polymerketten mit Molekülen kürzerer Kettenlänge oder mit Paraffin. Die dritte Substanzgruppe sind die Silikone (9). Diese stellen Kondensationsprodukte von Polydimethylsiloxan ("Polymer"-Komponente) mit einer dreidimensionalen Silikat-Struktur ("Harz"-Komponente) dar. Die etwas geringeren Klebeeigenschaften der Silikone werden durch die Möglichkeit des häufigeren Anklebens ausgeglichen. Dies ist möglich, da Silikon-Polymere einen verminderten "Stripping"-Effekt (Abziehen der obersten Epidermisschicht) zeigen.

Der Zusatz von Harzen, zum Beispiel Kolophoniumestern, erhöht die Klebeeigenschaften durch Erniedrigung der Viskosität und Erhöhung der Benetzungseigenschaften der Haut. Nachteilig ist ein etwas gesteigertes Potenzial zur Hautreizung.

Enhancer: Als Enhancer oder Permeationspromotoren, die die Diffusion von Arzneistoffen durch das Stratum corneum beschleunigen sollen, kommen Substanzen mit verschiedenen chemischen Strukturen zum Einsatz (10). Neben Ölsäure, Harnstoff und Propylenglycol wird bei bestimmten Wirkstoffen häufig Ethanol zugesetzt. Der Mechanismus der Permeationsbeschleunigung ist dabei ungeklärt. Bei Estradiol hängt der Arzneistofffluss in die Haut linear von der vorgegebenen Ethanolpermeation ab (11). Bei Testosteron-TTS kann die Verarmung an Ethanol als Enhancer dazu genutzt werden, die Wirkstofffreisetzung so zu steuern, dass zirkadiane Plasmaspiegel mit einem Maximum in den frühen Morgenstunden erzielt werden, wenn das Pflaster gegen 22 Uhr aufgeklebt wurde (12).

An der Spitze liegt Estradiol

Die weitaus meisten transdermalen therapeutischen Systeme auf dem deutschen Arzneimittelmarkt enthalten Estradiol. Ziel der Hormonsubstitution ist es, den Estradiol/Estron-Quotienten auf ein prämenopausales Niveau anzuheben. TTS sind dabei eine interessante Alternative zu Tabletten, da sie erheblich geringere Wirkstoffdosen in den systemischen Blutkreislauf abgeben und den hohen First-Pass-Metabolismus in der Leber größtenteils umgehen (13).

Estradiol-TTS lassen sich generell in 3,5-Tage-Pflaster, die zweimal wöchentlich appliziert werden, und 7-Tage-Pflaster einteilen, wobei sich beide Applikationsformen in der Bioverfügbarkeit nicht unterscheiden, wie Vergleichsstudien von Fem7® mit Estraderm TTS® 50 zeigen (14).

Frauen mit intaktem Uterus müssen zum Schutz des Endometriums in den letzten 10 bis 14 Tagen eines Zyklus zusätzlich ein Gestagen zuführen. Dieses kann peroral oder, wie beim Kombinationspräparat Estracomb TTS®, mit zwei unterschiedlichen Pflastern verabreicht werden. Dabei appliziert die Frau in den ersten zwei Wochen eines Zyklus zweimal wöchentlich jeweils ein rundes Pflaster, das nur Estradiol enthält, während sie in den letzten beiden Wochen zweimal wöchentlich ein brillenförmiges Pflaster mit Estradiol und Norethisteronacetat aufklebt. Bei dieser Darreichungsform ist der Estradiolgehalt mehr als doppelt so hoch wie beim Monopräparat, um trotz der konkurrierenden Penetration zweier Wirkstoffe vergleichbare Estradiolserumspiegel zu erreichen.

Estradiol gibt es als Matrix- oder Membranpflaster, wobei der Vergleich der Bioverfügbarkeit von Menorest® 50 mit Estraderm TTS® 50 zwar einen geringen Unterschied bei den minimalen und maximalen Plasmakonzentrationen von Estradiol und dessen Hauptmetabolit Estron, nicht aber bei der Gesamtbioverfügbarkeit zeigt (15). Das Matrix-TTS Estramon® stellt ein temporär übersättigtes System dar, das durch die Applikation aktiviert wird. Nach dem Aufkleben des Pflasters auf die Haut diffundiert Wasser in die Matrix ein. Die hydrophilen Polymerbestandteile nehmen es auf und verändern ihr Lösungsverhalten für Estradiol. Es wird eine 95-prozentige Übersättigung erreicht, die erforderlich ist, um aus dem Enhancer-freien System eine ausreichende Wirkstoffliberation zu erzielen.

Pflaster gegen die Nicotin-Sucht

Transdermale therapeutische Systeme mit Nicotin als Wirkstoff sind seit 1994 rezeptfrei in Apotheken erhältlich. Sie werden zur Unterstützung bei der Raucherentwöhnung unter ärztlicher Betreuung oder in Raucherentwöhnungsprogrammen angewendet. Generell lassen sie sich in 24- oder 16-Stunden-Pflaster einteilen. Die Anwendung der 16-Stunden-Pflaster führt vor allem in den frühen Morgenstunden zu signifikant niedrigeren Nicotin-Plasmaspiegeln, was den Nutzen beeinträchtigen kann, da gerade zu diesem Zeitpunkt die Entzugssymptome bei vielen Rauchern besonders stark auftreten (16).

Bei Nicotin-TTS scheinen verschiedene Applikationsorte gleichermaßen geeignet zu sein. Das Stratum corneum stellt die primäre Barriere für die perkutane Absorption der Wirkstoffe dar. Durch anatomische Unterschiede in der Dicke und im Hydratationszustand dieser Hautschicht können unterschiedliche Freigaberaten von Wirkstoffen resultieren. In einer vergleichenden pharmakokinetischen Studie an zwölf Rauchern mit einem membrankontrollierten System wurde jedoch festgestellt, dass sich die Aufnahmeraten von Nicotin nach Applikation des TTS an Arm, Rücken oder Brust nicht signifikant unterscheiden (17).

Eine weitere Studie (18) vergleicht die Applikation von Nicotin-TTS mit einer intravenösen Dauerinfusion über 24 Stunden; der Plasmaspiegelverlauf zeigt keinen signifikanten Unterschied. Man kann also durchaus von einem "ambulanten Dauertropf" sprechen.

Nitro-TTS als Herzschutz

Seit mehr als einem Jahrhundert werden Koronarpatienten mit Nitraten behandelt. Die Nachteile der oralen Applikationsformen, eine kurze Wirksamkeit von nur 20 bis 30 Minuten sowie eine hohe präsystemische Elimination, führten zu einem größeren Interesse an transdermal verabreichtem Nitrogylcerin, das direkt in den Blutkreislauf gelangt und somit die hepatischen Effekte vermeidet.

Die Nitrat-Salben haben auf Grund einiger Nachteile, zum Beispiel Dosierungsprobleme mit möglichen unerwünschten Wirkungen, keine größere Bedeutung erlangt. Dagegen haben sich die seit Beginn der achtziger Jahre verfügbaren TTS (Nitrat-Pflaster) in der Therapie rasch ausgebreitet.

Da die kontinuierliche Anwendung von Nitraten zu einer Wirkungsabschwächung (Nitrat-Toleranz) führt, gewährleisten sämtliche TTS-Präparate ein 12-stündiges nitratfreies Intervall.

Für die Gleichförmigkeit der Wirkstoffabgabe ist ein gleichbleibend guter Hautkontakt des Pflasters essenziell. Anhand der Gruppe der Nitroglycerin-TTS kann daher auf die Problematik der Hauthaftung und des Schwundes der Klebekraft eingegangen werden. Im Vergleich zu einem handelsüblichen Heftpflaster, dessen Klebeeigenschaften 24 Stunden lang konstant bleiben, zeigen drei unterschiedliche Nitro-TTS nach einer Applikation über 24 Stunden signifikant niedrigere Adhäsionslevel (19). Diese sind das Ergebnis einer Kombination aus Hydratation des Stratum corneum und erniedrigter Nitroglycerin-Konzentration im Klebstoff, die die Viskosität des Klebers reduziert.

Fentanyl gegen starke Schmerzen

Fentanyl ist ein seit Jahren in der Anästhesie bewährtes, stark wirksames Opioidanalgetikum mit einer hohen Affinität zu den zentralen µ-Rezeptoren. Als erster Wirkstoff wurde er zur Behandlung starker chronischer Schmerzen in TTS verarbeitet (Durogesic®). Mit seiner im Vergleich zu Morphin 75- bis 100-fach höheren Wirkstärke und weiteren günstigen physikalischen und chemischen Eigenschaften, wie einem Molekulargewicht von 336 und einem Oktanol/Wasser-Verteilungskoeffizienten von 717, ist Fentanyl für den Einsatz in TTS geradezu prädestiniert.

Durch die transkutane Gabe werden die gastrointestinale Passage und der damit verbundene First-pass-Metabolismus umgangen, was zu einer höheren Bioverfügbarkeit (92 Prozent) als unter oraler Medikation führt (20). Die Menge Fentanyl, die in den Blutkreislauf gelangt, wird bei Durogesic® durch eine Kontrollmembran aus Poly(ethylenvinylacetat) modifiziert. Dabei ist die durch die Membran abgegebene Menge geringer als diejenige, die über die Haut aufgenommen werden könnte. Somit sind Faktoren, die auf die Permeationsgeschwindigkeit einwirken können, zum Beispiel unterschiedliche Dicke oder schwankende Hydratationsgrade des Stratum corneum, weitgehend ausgeschaltet.

Die mit Fentanyl-TTS erreichbaren Plasmaspiegel sind proportional zur jeweiligen Pflastergröße. Um über einen längeren Zeitraum konstante Wirkstoffspiegel zu gewährleisten, müssen die Pflaster nach jeweils 72 Stunden gewechselt werden. Sie dürfen nicht zeitlich überlappend geklebt werden, da es sonst durch kontinuierliche Diffusion von Fentanyl aus dem vorher aufgebauten "Hautdepot" zu erhöhten Wirkstoffkonzentrationen im Blut kommen kann, was die Gefahr unerwünschter Arzneimittelwirkungen erhöht (21).

Buprenorphin zur Basisanalgesie

Buprenorphin, das in Injektionslösungen und als Sublingualtablette seit 1981 auf dem Markt ist, besitzt partiell agonistische Eigenschaften an den zentralen µ-Opiatrezeptoren und zeigt gleichzeitig antagonistische Effekte am k-Rezeptor. Die Wirkdauer ist mit fünf bis acht Stunden etwa doppelt so lang wie bei Morphin; die Wirkstärke liegt beim 25- bis 50-fachen. Es ist seit 2001 als Matrix-TTS (Transtec®) verfügbar.

Buprenorphin hat auf Grund seiner pharmakologischen Eigenschaften ein wesentlich geringeres Abhängigkeitspotenzial als reine µ-Opioidagonisten. Nach einer Langzeitanwendung von Buprenorphin-TTS können jedoch Entzugssymptome wie Erregung, Nervosität, Schlaflosigkeit und Hyperkinesie nicht völlig ausgeschlossen werden (22). Neben der Basisanalgesie bei schweren Schmerzen bietet das Buprenorphin-Pflaster einen weiteren Vorteil: Schmerzspitzen können durch eine schnellfreisetzende sublinguale Form der gleichen Substanz (Temgesic®) kupiert werden.

Die abgegebene Wirkstoffmenge ist wie bei Fentanyl proportional zu den verschiedenen Pflastergrößen. Eine Untersuchung zeigt durch einen statistischen Vergleich der Parameter AUC und Cmax bei zwei verschiedenen Pflastergrößen Bioäquivalenz nach einmaliger 72-stündiger Anwendung von Transtec® 35 µg/h und Transtec® 70 µg/h, nach vorhergehender Dosisnormalisierung.

Vorreiterrolle für Scopolamin

Der Wirkstoff Scopolamin ist ein kompetitiver Antagonist an muskarinischen Acetylcholin-Rezeptoren und somit ein Parasympatholytikum. Seine Fähigkeit, Übelkeit und Erbrechen bei Kinetosen zu verhindern, hängt vermutlich mit der Hemmung der Reizübertragung vom Gleichgewichtsorgan (Vestibularapparat) an das zentrale Nervensystem zusammen.

Das Präparat Scopoderm TTS® der Firma Ciba Geigy (heute Novartis) war das erste transdermale therapeutische Pflaster moderner Konzeption auf dem Markt. Es ist ein membrankontrolliertes System (23) mit einer mikroporösen Polypropylen-Membran und soll Symptomen der Reise- und Seekrankheit wie Schwindel, Übelkeit und Erbrechen vorbeugen. Dazu wird ein Pflaster etwa fünf bis sechs Stunden oder bereits am Abend vor Reiseantritt an einer trockenen, intakten, unbehaarten Stelle hinter dem Ohr aufgeklebt. Der spezielle Applikationsort ist dabei nicht in der räumlichen Nähe zum Gleichgewichtsorgan begründet, sondern ergibt sich aus der mehr als zehnfach höheren Resorptionsrate von Wirkstoffen an der Hinterohrregion im Vergleich zum Unterarm (3).

Eine dreimalige intramuskuläre Injektion einer geringen Dosis von jeweils 200 µg Substanz reicht bereits aus, um unerwünschte Wirkungen wie Mundtrockenheit, Müdigkeit und Tachykardie zu provozieren (24). Mit einem TTS kann man hingegen eine geringe Scopolamindosis zuführen, die einen niedrigeren, aber kontinuierlichen Wirkstoffspiegel im Plasma und somit eine über längere Zeit anhaltende selektiv antiemetische Wirkung ohne die unerwünschten Effekte gewährleistet. Die Gleichförmigkeit der bei TTS-Applikation absorbierten Menge wird deutlich, wenn man die Urinausscheidung mit derjenigen nach intravenöser Dauerinfusion von Scopolamin vergleicht (25).

Testosteron zur Substitution

Die Therapie des Hypogonadismus beim Mann durch Zufuhr des Androgens Testosteron wird sehr viel seltener praktiziert als die Estrogensubstitution bei der Frau. Dennoch bietet diese Therapie für die Betroffenen die einzige Möglichkeit der Hilfe. Bis vor kurzem wurden ausschließlich Testosteronester intramuskulär oder peroral verabreicht. Mit den transdermalen Systemen stehen interessante Alternativen für die Therapie von Testosteronmangelerkrankungen zur Verfügung.

Sehr viele Patienten, denen Testosteron intramuskulär gespitzt wird, erleben auf Grund der starken Schwankungen des Hormonspiegels eine Art "Achterbahn-Gefühl". Während sich die Plasmaspiegelspitzen durch innere Unruhe äußern, fühlen sie sich am Ende des Verabreichungsintervalls beim Erreichen der Minimalwerte häufig müde (26). Mit der transdermalen Gabe von Testosteron sollen physiologische Wirkstoffmengen über die Haut in einem zirkadianen Rhythmus freigesetzt werden.

Nachdem sich das transskrotale System Testoderm® 15, das auf den Hodensack geklebt wurde, nicht mehr im Handel befindet, steht mit Androderm® 2,5 mg ein nonskrotales transdermales Präparat zur Verfügung. Das System mit einer Kontrollmembran aus Poly(ethylenvinylacetat)-Copolymer enthält den Wirkstoff in einem alkoholhaltigen Gel. Die Klebefläche befindet sich nur am Rand, so dass bei einer Gesamtfläche von 37 cm2 die aktive Oberfläche für die Wirkstoffpermeation nur 7,5 cm2 beträgt.

Üblicherweise werden zwei Pflaster gegen 22 Uhr aufgeklebt. Jedes Pflaster enthält 12,2 mg Testosteron und setzt davon 2,5 mg über 24 Stunden frei, wobei 60 Prozent dieser Menge innerhalb der ersten zwölf Stunden resorbiert werden. Die morgendlich gemessenen Testosteronspiegel sind ausschlaggebend dafür, ob die Dosis auf ein Pflaster erniedrigt oder auf drei Pflaster täglich erhöht werden muss.

Die TTS sollen alle 24 Stunden abwechselnd auf unterschiedliche Areale des Rückens, Oberschenkels, Bauchs und der Oberarme appliziert werden. Um Hautirritationen vorzubeugen, sollte eine benutzte Hautstelle erst nach sieben Tagen wieder beklebt werden. Hautstellen, die sich direkt über einem Knochen befinden, wie Brustkorb oder Schienbein, sind für die Applikation nicht geeignet (27).

Wichtig für die Beratung über TTS

TTS sind keine simple Arzneiform. Der Apotheker sollte dem Patienten daher bei der Abgabe einige weiterführende Informationen mit auf den Weg geben.

Nach dem Entfernen der Schutzfolie darf man die Klebeschicht nicht mit den Fingern berühren, da die meisten Haftkleber die oberen Schichten des Stratum corneum ablösen (Stripping-Effekt) und das Pflaster dann nicht mehr gut klebt. Nach dem Ankleben muss das Pflaster mit der flachen Hand angedrückt werden, um eine optimale Klebewirkung der Haftkleber zu erzielen. Nach der Anwendung von Scopoderm® TTS sollte man sich auf jeden Fall die Hände waschen, um einen Kontakt des Mydriasis-auslösenden Scopolamins mit den Augen zu vermeiden.

Obwohl bei einigen Präparaten (Beispiel Deponit NT®) die Teilbarkeit mit einer Schere beschrieben ist, sollte dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit nicht empfohlen werden. Bei membrankontrollierten Systemen kann der Arzneistoff bei mechanischer Verletzung der Kontrollmembran schlagartig freigesetzt werden ("dose-dumping"); dies erhöht das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen.

Erhöhte Temperaturen können die Wirkstoffliberation beschleunigen und damit ebenfalls die Nebenwirkungsrate steigern. Dies wurde beispielsweise bei Durogesic® nach Anwendung eines Heizkissens direkt über dem Pflaster beobachtet (28).

Nach Gebrauch wird die Klebeseite zusammengefaltet und das Pflaster im Hausmüll entsorgt. Da sie Wirkstoffreste enthalten, dürfen Kinder nicht mit benutzten Pflastern in Kontakt kommen.

 

Reden vor dem Kleben

  • Sofern keine Schere abgebildet ist, Verpackung von Hand aufreißen, um das Pflaster zu schützen
  • Klebefläche nicht mit den Fingern berühren
  • Pflaster auf gesunde, nicht gereizte, trockene (nicht fettige) und gereinigte Hautstelle kleben
  • Haare an der Applikationsstelle mit Schere entfernen, nicht rasieren (Hautreizung!)
  • Pflaster nach Ankleben mit der flachen Hand anpressen (langsam bis 30 zählen)
  • Applikationsorte ständig wechseln
  • Klebestelle wählen, die sich bei Körperbewegungen nicht stark faltet
  • Nach Aufkleben von Scopoderm® TTS unbedingt Hände waschen
  • Estradiol-Pflaster nicht auf die Brust kleben
  • Membrankontrollierte TTS keinesfalls zerschneiden
  • Schmerzpflaster müssen nicht auf die schmerzende Stelle geklebt werden
  • Vorzeitig von der Haut gelöste Pflaster müssen durch neue ersetzt werden (Patienten frühzeitig auf Vorrat hinweisen)
  • Baden, Duschen und Waschen mit geklebtem Pflaster sind generell möglich
  • Pflaster keiner Hitzeeinwirkung aussetzen (Sauna, Solarium, Heizkissen, heißes Bad)
  • Benutzte TTS zusammenfalten und im Hausmüll entsorgen

 

Mit einem Pflaster verhüten

In den USA ist unter dem Namen Ortho Evra™ seit Ende vergangenen Jahres ein TTS zugelassen, das die Wirkstoffe Ethinylestradiol und Norelgestromin beinhaltet. Es ist das erste TTS zur transdermalen Kontrazeption und zeigte bei Vergleichsstudien mit über 3000 Frauen eine ähnliche Sicherheit wie orale Kontrazeptiva. Das Matrixsystem setzt täglich 150 µg des Gestagens und 20 µg der Estrogenkomponente frei und wird wöchentlich gewechselt. Nach drei Wochen wird eine Woche pausiert. Das Präparat soll demnächst auch in Deutschland als Alternative zu den gängigen Verhütungsmethoden zugelassen werden.

 

Literatur

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Die Autoren

Peter Christian Schmidt studierte Pharmazie an der Universität Erlangen-Nürnberg und wurde 1970 an der Universität Hamburg promoviert. Nach langjähriger Tätigkeit als Laborleiter in der Industrie wurde er 1981 zum Professor in Marburg ernannt und erhielt 1988 den Ruf auf den Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie an der Universität Tübingen. Wissenschaftlich beschäftigt er sich vorwiegend mit festen Arzneiformen, speziell Brausetabletten, der Instrumentierung von Tablettenpressen und der Direktkomprimierung, mit der Stabilisierung von Arzneiformen, besonders von Phytopharmaka, und der Extraktion mit überkritischem Kohlendioxid.

Marc Schiller studierte Pharmazie an der Universität Tübingen. Nach dem praktischen Jahr in einer öffentlichen Apotheke und bei der Roche AG in Grenzach-Wyhlen erhielt er 1998 die Approbation als Apotheker. Seit Januar 1999 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Dr. Schmidt tätig und untersucht den Einfluss hygroskopischer Begleitstoffe in pflanzlichen Trockenextrakten auf die Kompaktier- und Tablettierbarkeit verschiedener Extrakte. Seit Februar dieses Jahres ist Schiller Fachapotheker für Pharmazeutische Technologie.

 

Anschrift der Verfasser
Professor Dr. Peter C. Schmidt
Marc Schiller
Pharmazeutisches Institut, Pharmazeutische Technologie
Auf der Morgenstelle 8
72076 Tübingen

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