Titel
Eine
Langzeitantikoagulation wird üblicherweise mit den
oralen Antikoagulantien Phenprocoumon, Warfarin und
Acenocoumarol durchgeführt. Pharmakodynamisch, das
heißt bezüglich der Hemmung des Vitamin-K-Redoxzyklus,
weisen die genannten Substanzen keine Unterschiede auf,
während pharmakokinetisch vor allem das Acenocoumarol
sich von den anderen Vertretern unterscheidet.
Während sich mit Warfarin und Phenprocoumon aufgrund
ihrer langen Halbwertszeit über 24 Stunden relativ
stabile Plasmaspiegel erreichen lassen, ist dies mit
Acenocoumarol weit schwieriger, so daß es für eine
stabile und lang wirksame Antikoagulation weniger
geeignet ist. Aufgrund ihrer geringen therapeutischen
Breite sind potentielle Interaktionen mit den oralen
Antikoagulantien streng im Auge zu behalten. Relevante
Wirkungsverstärkungen sind: Hemmung der metabolischen
Clearance, Verdrängung aus der Plasmaeiweißbindung,
Komedikation mit antikoagulatorisch wirksamen Substanzen,
beschleunigter Abbau von Gerinnungsfaktoren,
Beeinträchtigung der Darmflora. Die wichtigsten
Wirkungsabschwächungen sind Enzyminduktion,
Beeinträchtigung der Resorption, Komedikation mit
prokoagulatorisch wirksamen Substanzen.
Während diverse hämorrhagische Komplikationen primär
mit einer Überschreitung therapeutischer Bereiche
zusammenhängen, ist die Entstehung der Cumarinnekrose
auf einen vorübergehenden erhöhten prokoagulatorischen
Status zu Beginn der Therapie zurückzuführen. Es ist
deshalb während der Einstellungsphase mit oralen
Antikoagulantien innerhalb der ersten Tage auf eine
gleichzeitige Heparinisierung der Patienten und auf eine
nicht allzu hohe Initialdosis der Vitamin-K-Antagonisten
zu achten. Ist die Anwendung von oralen Antikoagulantien
und Heparin nicht möglich, so stehen mit Dextran,
Kompressionstrümpfen und den Vena-cava-Filtern noch
weitere Optionen zur Thromboseprophylaxe zur Verfügung.
Ihr Einsatz erfolgt unter einer sorgfältigen
Nutzen-Risiko-Abwägung.
Ein wichtiger Schritt hin zu einer sichereren Therapie
mit oralen Antikoagulantien besteht im wesentlichen in
zwei Aspekten:
o Durch die Ablösung des üblichen Quickwerts durch den
INR-Wert wird eine nationale und internationale
Vergleichbarkeit der Prothrombinzeit ermöglicht, so daß
die unterschiedliche Potenz eingesetzter
Thromboplastinchargen gegeneinander abgeglichen wird. Es
ist zu erwarten, daß in wenigen Jahren die
Prothrombinzeit des Patienten nur noch als INR-Wert
angegeben wird, um zu prüfen, ob er sich im
therapeutischen Bereich befindet.
o Der Durchbruch für eine größere Therapiesicherheit
besteht zweifelsohne in der Möglichkeit, mit Hilfe eines
Tropfens Kapillarblut innerhalb von zwei Minuten seinen
INR-Wert reflexions-photometrisch selbst erfassen zu
können. Hierzu steht seit wenigen Jahren ein Gerät, der
CoaguCheck, zur Verfügung, mit dessen Hilfe eine
engmaschige Selbstkontrolle möglich ist. Es ist durchaus
möglich, daß damit die sogenannte
"low-dose-Therapie", bei der man mit möglichst
niedrigen Dosen oraler Antikoagulantien und relativ
niedrigen INR-Werten auszukommen versucht, stärker in
die klinische Praxis umsetzbar wird.
PZ-Titelbeitrag von Hans-Peter Lipp, Tübingen
Teil I dieses Beitrages stellt Heparine,
Heparinoide und Hirudoide bei Lungenembolien und
Thrombosen vor und erschien in PZ 18.
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