Ketolide und Oxazolidinone auf dem Prüfstand |
29.04.2002 00:00 Uhr |
Bakterien sind erfinderisch. Mit Erfolg wehren sie sich gegen Antibiotika, die der Mensch im Kampf gegen die Infektionserreger einsetzt. Im vergangenen Jahr kamen gleich zwei Vertreter aus neuen Antibiotikaklassen auf den deutschen Markt: das Ketolid Telithromycin und das Oxazolidinon Linezolid. Eine kritische Betrachtung.
Gleich nach der Entdeckung der Cholera- und Tuberkulose-Erreger durch Robert Koch vermeldete der Kasseler Arzt Moritz Alsberg auf der Naturforschertagung in Freiburg 1883 in Versform: "... Freunde, lasset mich Euch künden, wie Bacillen, Mikrokokken, Spirochaeten bald verschwinden..." Diese optimistische Darstellung der Situation ist aus heutiger Sicht weit übertrieben, denn Infektionserreger stellen uns immer noch vor neue Probleme. Einerseits werden bekannte Erreger häufig resistent gegen die zur Verfügung stehenden Antibiotika; andererseits wurden in den letzten 25 Jahren viele neue Erreger, wie Legionella pneumophila (1976), HI-Viren (1983), Helicobacter pylori (1983), Vibrio cholera O139 (1992) oder die Prionen (1996), beschrieben, gegen die es geeignete Antibiotika zu suchen gilt. Verändertes Sexualverhalten, verstärkte Reisetätigkeit, technische Vektoren, zum Beispiel Wassersysteme, und der Krieg mit biologischen Waffen tragen außerdem zur globalen Verbreitung der Erreger bei. Somit werden wir mit der Suche nach neuen Antibiotika niemals das Ziel erreichen, alle pathogenen Erreger bekämpfen zu können.
In den letzten dreißig Jahren sind kaum gänzlich neue Antibiotika entwickelt worden (Tabelle 1). Umso erstaunlicher, dass gerade in den letzten fünf Jahren aus der Mitte der Makrolide heraus eine neue Antibiotikagruppe entwickelt wurde: die Ketolide. Außerdem wurde eine strukturell ganz neue Gruppe mit neuem Wirkmechanismus aufgefunden, die Oxazolidinone. Beide Gruppen werden hier vorgestellt und bewertet. Auch die Pipeline ist einen Blick wert, denn in beiden Gruppen sind mehrere Substanzen in der klinischen Prüfung.
Tabelle 1: Historie der Antibiotika-Entwicklung
Entwicklung und Markteinführung
Stoffgruppe
1936
Sulfonamide
1940
1949
Beta-Lactame
Tetracycline, Chloramphenicol
1950
1952
1958
Aminoglykoside
Makrolide, Erythromycin
Glykopeptide
1962
Streptogramine, Chinolone
1985
Fluor-Chinolone
1999
Oxazolidinone
2000
Ketolide
Von Makroliden zu Ketoliden
Gegen die in vielen Bereichen angewendeten Makrolide wie Erythromycin, Clarithromycin, Azithromycin oder Roxithromycin werden immer mehr Bakterien resistent. Die Resistenz beruht vorwiegend auf der Veränderung der Zielstruktur: Wird ein Adeninrest in der Bindungsdomäne, der 23S-rRNA, enzymatisch methyliert, nimmt die Affinität der Makrolide zu ihrer Zielstruktur deutlich ab. Dies wird insbesondere bei Staphylokokken und Enterokokken beobachtet und führt zur Kreuzresistenz zwischen Makroliden, Lincosaminen und Streptograminen (MLS-Resistenz). Streptokokken wehren sich gegen ein Makrolid-Antibiotikum, indem sie dieses mittels Effluxpumpen aktiv aus der Bakterienzelle heraustransportieren. Mutationen der Gene für den Zielort sowie enzymatische Inaktivierung des Wirkstoffs durch Phosphorylierung oder Glycosylierung haben bei der Makrolidresistenz nur eine untergeordnete Bedeutung.
Diese Resistenzmechanismen führen dazu, dass beispielsweise die Empfindlichkeit von Pneumokokken gegen Clarithromycin und Erythromycin in Ländern wie Frankreich, Spanien, China und Japan 60 Prozent und weniger beträgt (1, 2). Insbesondere in südeuropäischen Ländern ist dies in der übertriebenen Nutzung der Makrolide bei leichten Infekten wie Schnupfen und Husten begründet, die durch die Verschreibungsfreiheit erleichtert wird. Diese Resistenzsituation schreit förmlich nach neuen Antibiotika, die auch gegen derzeit resistente Keime wirksam sind.
Erythromycin ist gekennzeichnet durch seine Instabilität gegen Säure. Eine saure Umgebung wie im Magen katalysiert im ersten Schritt eine intramolekulare Hemiacetalisierung der Ketogruppe mit der Hydroxylgruppe in der " nördlichen" Hemisphäre des Moleküls sowie weitere intramolekulare Ringschlussreaktionen. In den Nachfolge-Makroliden ist die Alkoholfunktion an C-6 verethert, was die gezeigte Reaktionsfolge unterdrückt. Diese Ethergruppe weisen auch die neuen Ketolide wie Telithromycin und ABT 773 auf. Entscheidender ist aber der Ersatz des Zuckers Cladinose an C-3, dem man die Resistenzinduktion zuschreibt, gegen eine Ketogruppe, die den veränderten Makroliden ihren neuen Namen gegeben hat. Diese Ketogruppe sorgt zusammen mit der Einführung eines cyclischen Carbamats auf der gegenüberliegenden Seite des Moleküls für einen veränderten Wirkmechanismus und eine deutlich höhere antibiotische Aktivität der Ketolide im Vergleich zu den Makroliden.
Makrolide und Ketolide greifen in die Proteinbiosynthese ein (3). Um die Proteinsynthese in Gang zu setzen, müssen sich die 30S-und 50S-Untereinheiten der Ribosomen zusammenlagern. Der Prozess der Zusammenlagerung der Vorläufer der 50S-Untereinheiten wird sowohl von Makroliden als auch von Ketoliden gestört. Ist ein Komplex der ribosomalen 30S- und 50S-Untereinheit mit der mRNA, die von der DNA abgelesen worden ist, gebildet, bindet die transfer-RNA, die den Aminosäuren entsprechende Codons trägt, an die mRNA und sorgt mit Hilfe einer Peptidyltransferase für den Aufbau des Peptidfadens. Dieser wird durch einen Translationskanal durch die ribosomale RNA nach außen transportiert. Genau in diesen Kanal lagern sich die Makrolide und Ketolide ein und verhindern so die Translokation.
Genau bei dieser Einlagerung gibt es graduelle Unterschiede zwischen Makroliden und Ketoliden. Während die Hauptbindungsstelle für die Makrolide das Adenin 2058 in der Domäne V der 23S rRNA darstellt - übrigens findet an dieser Stelle auch die Methylierung bei der Resistenzentwicklung statt -, binden die Ketolide zusätzlich an Adenin 752 in der Domäne II der 23S rRNA. Dies ist auf Grund der zusätzlichen Carbamatfunktion möglich. Die Ketogruppe an C-3 und die Carbamatgruppe an C-11/C-12 sorgen für eine mindestens zehnfach festere Bindung an die ribosomale RNA als es für Clarithromycin gemessen wurde. Diese stärkere Bindung an die rRNA erschwert zusätzlich die Methylierung des Adeninrestes A2058, was die Wahrscheinlichkeit einer Kreuzresistenz zu den MLS-Antibiotika deutlich verringert. Trotz allem wurde auf der letzten International Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy (ICAAC) im Dezember 2001 in Chicago von ersten Ketolid-resistenten Streptokokken berichtet (4).
Wirkspektrum verbreitert
Was bedeutet dieser veränderte Mechanismus für die antibakterielle Aktivität? Das von Aventis in den Handel gebrachte Ketolid Telithromycin (Ketek®) ist sowohl gegen Penicillin-empfindliche als auch gegen Penicillin-resistente und Erythromycin-resistente Streptococcus-pneumoniae-Keime wirksam und zwar wesentlich besser als Clarithromycin und Azithromycin. Dagegen wird Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) weniger gut abgetötet. Außerdem ist die Wirksamkeit hoch gegen Erreger atypischer Atemwegserkrankungen wie Chlamydia pneumoniae und Mycoplasma pneumoniae, die wegen ihrer Zellwanddefekte nicht nach Gram anfärbbar sind (Tabelle 2 - aus technischen Gründen nur in der Druckausgabe). Gegen gramnegative und atypische Erreger hat Telithromycin dem Clarithromycin vergleichbare Aktivität (5), wobei bemerkt werden muss, das die Makrolide nur bakteriostatisch, die Ketolide dagegen bakterizid wirken.
Da sich Ketolide besonders gut im Lungengewebe, das heißt in der Bronchialschleimhaut, in den Alveolarmakrophagen und im "Epithelial Lining fluid" (ELF) anreichern (6, 7), sind sie geeignet zur Therapie von Atemwegsinfektionen. In Deutschland ist Telithromycin zugelassen bei akuter Sinusitis, bakterieller Bronchitis, Tonsillitis und Pharyngitis (hier keine Zulassung von der FDA) sowie ambulant erworbener Pneumonie.
Nicht mit CYP-Induktoren einsetzen
Telithromycin wird zu 75 Prozent glucuronidiert über die Fäces sowie zu 17 Prozent über den Urin ausgeschieden. Die Substanz wird mittels Cytochrom P450 (CYP3A4 und CYP2D6) zu 13 Prozent zu einem noch antibakteriell wirksamen Alkohol sowie zu einem Desmethyldesosamin, einer Säure und einem Pyridin-N-oxid metabolisiert. Telithromycin flutet schnell an (Tmax etwa 2 Stunden), erreicht hohe Serum- und Gewebespiegel und hat eine lange Halbwertszeit von etwa zehn Stunden; daher reicht eine Einmaldosis von 800mg/d aus. Eine Dosisanpassung bei eingeschränkter Nieren- und Leberfunktion ist nicht notwendig. Nachteilig ist die hohe Proteinbindung von 60 bis 70 Prozent sowie eine nur durchschnittliche Bioverfügbarkeit von 57 Prozent. Hier können neue Ketolide noch Boden gut machen.
Bei 13 Prozent der Patienten wurden Diarrhöe, bei acht Prozent Übelkeit und bei drei Prozent Erbrechen beobachtet. Weiterhin ist mit verschiedenen Nebenwirkungen zu rechnen, deren Häufigkeit erst bei intensivem Gebrauch zu bestimmen sein wird: Geschmacksstörungen, verschwommenes Sehen, Vaginalmykosen, Urtikaria, Juckreiz, Flush, Schläfrigkeit und Schlaflosigkeit.
Telithromycin zeigt keine Interaktionen mit der Nahrung oder mit oralen Kontrazeptiva, Theophyllin, Ranitidin, Aluminium- und Magnesium-haltigen Antacida oder Azolen, wie es bei anderen Antibiotika beobachtet wird. Bei gleichzeitiger Gabe von Cisaprid (außer Handel) kommt es zu QTc-Zeitverlängerungen. Digoxin-Spiegel können durch Telithromycin erhöht sein. CYP-Induktoren wie Phenytoin, Johanniskraut, Rifamycin und Carbamazepin erhöhen die Telithromycinspiegel, und umgekehrt erhöht Telithromycin den Blutspiegel von Benzodiazepinen, die über das CYP3A4-System metabolisiert werden wie Midazolam und Triazolam. Ebenso muss der Blutspiegel von Immunsuppressiva überwacht werden. Als Co-Medikationen sind kontraindiziert: Mutterkornalkaloide, CYP3A-Induktoren wie Midazolam und Triazolam, Terfenadin, Astemizol, Pimozid sowie Statine wie Simvastatin, Lovastatin und Atorvastatin.
Wohin geht die Ketolid-Reise?
Es gibt eine Vielzahl von Substanzen in der Pipeline. In Bezug auf die antimikrobielle Aktivität ist dem Telithromycin das ABT 773 an die Seite zu stellen (8); es weist einen Chinolinring auf, der über eine Propylenetherkette an C-6 geknüpft ist. Auch dieses Ketolid kann bei Atemwegsinfekten eingesetzt werden (zum Beispiel 9). Der Metabolismus von ABT 773 ähnelt dem von Telithromycin: 87 Prozent der Substanz werden fäkal eliminiert, 10 Prozent renal. Der Hauptmetabolit ist ein N-Desmethylderivat (35 Prozent), weiterhin entstehen ein 10-Hydroxyprodukt (6 Prozent), ein N-Desmethyl-10-hydroxy-Metabolit (4 Prozent) und ein Oxidationsprodukt (Struktur unbekannt, 3,5 Prozent). Maximale Plasmakonzentrationen wurden erst nach etwa drei Stunden beobachtet, wobei die Halbwertszeit nur fünf bis sechs Stunden betrug. Daher ist mit einer zweimal täglichen Einnahme zu rechnen. Die Inzidenz von Nebenwirkungen scheint höher als bei Telithromycin zu liegen. Studien der letzten klinische Phase werden zeigen, ob und mit welchen Indikationen ABT 773 auf den Markt kommen wird.
Weitere Derivate dieser Art wurden auf der letzten ICAAC vorgestellt, zum Beispiel das ebenfalls von Abbott entwickelte A-217213, das den Chinolinring über eine Propinyletherkette an C-6 des Grundgerüstes geknüpft hat (10). Pfizer stellte das C-9-Oximketolid CP-642959 vor, das gute orale Aktivität gegen Pneumokokken und Haemophilus influenzae zeigt und deshalb für Atemwegsinfekte entwickelt wird (11).
Die vielleicht wichtigste Gruppe sind die Fluoroketolide, die ein Fluoratom in Position 2 tragen (12). Die Einführung des Fluoratoms erhöht die antibakterielle Aktivität insbesondere gegen Makrolid-resistente Bakterien. Das von Aventis entwickelte HMR3787 ist ein vielversprechender erster Kandidat dieser Substanzgruppe (13).
Oxazolidinone mit neuem Wirkmechanismus
Schon 1978 erhielt DuPont de Nemour ein Patent für 5-Halo-3-aryl-2-oxazolidinone, eine Substanzgruppe, die im Pflanzenanbau bei durch Bakterien und Pilzen verursachten Blatterkrankungen eingesetzt werden sollte. Erste Studien mit einigen Derivaten an humanpathogenen Erregern zeigten eine gute antibakterielle Wirksamkeit gegen Staphylococcus epidermidis, jedoch waren die von DuPont hergestellten Substanzen zu toxisch, um beim Menschen eingesetzt werden zu können. Deshalb wurde in dieser Firma die Entwicklung der Oxazolidinone eingestellt und die Szene wechselte zu Upjohn und Pharmacia, wo letztendlich Linezolid (Zyvox®) entwickelt wurde (14). Eine Reihe weiterer Substanzen ist in der Pipeline.
Wie der Name schon sagt, ist das wichtigste Strukturelement der fünfgliedrige Oxazolidinonring, an den stets eine Acetamidomethylengruppe so angeknüpft ist, dass sich eine S-Konfiguration ergibt. Sozusagen gegenüber sind am Carbamatstickstoff elektronenziehende oder mit elektronenziehenden Resten versehene aromatische Ringe substituiert, die ihrerseits häufig einen Morpholino- oder Piperazinring tragen. Linezolid und Eperezolid sind die ersten Vertreter dieser Antibiotikagruppe, die als bakteriostatisch eingestuft werden.
So ungewöhnlich wie die Struktur, so neu ist auch der Wirkmechanismus. Wie die Makrolide und Ketolide inhibieren auch die Oxazolidinone die Proteinbiosynthese, und zwar die Ausbildung des ternären Komplexes aus Ribosomen (30S und 50S), m-RNA und Formyl-methionin-t-RNA, also der ersten t-RNA, die an die m-RNA bindet. Über die Bindungsstelle der Oxazolidinone ist bisher nichts bekannt; nur so viel, dass kein anderes Antibiotikum hier angreift. Deshalb gibt es bisher keinerlei Kreuzresistenz zwischen Oxazolidinonen und anderen Antibiotika. Resistenzen an sich entstehen offenbar durch Punktmutationen im Gen der 23S-Untereinheit der Ribosomen.
Hoch wirksam gegen grampositive Keime
Die Oxazolidinone sind besonders wirksam gegen grampositive Keime; dies gilt gleichermaßen für empfindliche wie auch resistente Keime. Das bedeutet, dass die minimalen Hemmkonzentrationen von Linezolid für Vancomycin-empfindliche und -resistente Enterokokken (VRE), für Penicillin-empfindliche und -resistente Pneumokokken, Methicillin-empfindliche und -resistente Staphylokokken (MRSA) und für Methicillin-empfindliche und -resistente Staphylococcus epidermidis alle zwischen 0,5 und 2,0 µg/ml liegen (14). Damit ist Linezolid ausgezeichnet geeignet für den Kampf gegen hochresistente Krankenhauskeime. Es ist zugelassen bei nosokomialen und ambulant erworbenen Pneumonien (insbesondere bei MRSA- und VRE-Infektionen) sowie Haut- und Weichteil-Infektionen. Man darf aber nicht verkennen, dass die antibakterielle Aktivität gegen gramnegative Keime vergleichsweise gering ist (15).
Linezolid wird im Wesentlichen am Morpholinoring oxidativ metabolisiert. Dabei kommt es zur Ringöffnung unter Bildung eines Aminomethoxyessigsäure- und eines Hydroxyethylglycin-Metaboliten. Das dafür verantwortliche Enzymsystem ist nicht bekannt. 75 Prozent der Substanz werden renal, davon 35 Prozent unverändert, und 10 Prozent vollständig metabolisiert fäkal ausgeschieden (16). Eine eingeschränkte Nierenfunktion verlangt keine Dosisanpassung, eine eingeschränkte Leberfunktion erhöht jedoch die Plasmakonzentration von Linezolid um gut 30 Prozent. Zu beachten ist, dass die Clearance von Linezolid nach Dialyse um 70 Prozent zunimmt, so dass eine Dosisanpassung unumgänglich ist.
Linezolid flutet schnell an (Tmax 1 bis 2 Stunden), erreicht hohe Serumspiegel und verteilt sich schnell im Gewebe. Die Proteinbindung beträgt 30 Prozent, die Bioverfügbarkeit 100 Prozent. Wegen der kurzen Halbwertszeit von vier Stunden ist eine zweimal tägliche Gabe von jeweils 600 mg notwendig. Dafür stehen Tabletten, Suspensionen und Injektionslösungen zur Verfügung.
Da Linezolid nicht über das Cytochrom-P450-System metabolisiert wird, gibt auch von dieser Seite keine Interaktionen. Linezolid ist ein schwacher, reversibler Hemmstoff der Monoaminoxidase (MAO-A und MAO-B). Deshalb führt stark Tyramin-haltige Kost zu leichten Blutdruckerhöhungen, wobei mehr als 100 mg Tyramin pro Tag zugeführt werden müssen, um einen Effekt zu sehen. Dies ist nur bei einer ausgesprochenen Käse- oder Sauerkraut-"Diät" möglich. Eine Kombination mit Pseudoephedrin und Phenylpropanolamin führt ebenfalls zu einer Blutdruckerhöhung um etwa 30 mm Hg. Die gleichzeitige Gabe von MAO-Hemmstoffen wie Tranylcypromin oder Serotoninliganden wie Fluoxetin, Paroxetin und Sertralin sollte vermieden werden (17).
Diarrhöe, Übelkeit und Erbrechen halten sich für Antibiotika mit jeweils drei bis fünf Prozent im Rahmen. Außerdem wurden Kopfschmerzen und vaginale Candidiasis bei weniger als zwei Prozent der Patienten beobachtet. Kritisch dagegen sind die Blutbildveränderungen, insbesondere die durch Myelosuppression hervorgerufene Thrombozytopenie, die bei längerer Therapie (mehr als zwei Wochen) auftreten kann.
Nur bei schweren Infektionen
Zusammengenommen mit dem auf grampositive Keime beschränkten Wirkspektrum gehört Linezolid im Augenblick nur in die Hände des erfahrenen Klinikers, der schwere Infektionen durch hoch resistente Keime behandelt. Sicher ist es eine gute Alternative zu Synercid®, einer Kombination aus Dalfopristin und Quinupristin, die bei der Injektion schwere Schmerzen erzeugt und auch sonst ein ungünstigeres Nebenwirkungsspektrum aufweist.
Wohin geht die Linezolid-Reise?
Auf der ICAAC wurde von AstraZeneca ein weiteres Oxazolidinon, das AZD2563 (AZD), ausführlich vorgestellt, das ebenfalls bei von resistenten grampositiven Bakterien verursachter Pneumonie eingesetzt werden soll. AZD hat neben einer noch besseren antibakteriellen Aktivität bei resistenten Bakterien eine günstigere Pharmakokinetik, die die einmal tägliche Gabe erlaubt (18).
Pharmacia hat in letzten Jahren viele neue Oxazolidinone untersucht (19). PNU-177553 (20), VRC-3803 und 3909 sowie VRC-3783 und 4104 (21) sind erste Kandidaten für die Weiterentwicklung. Alle Substanzen zeigen, dass insbesondere der "westliche" Teil des Oxazolidinon-Moleküls sehr flexibel substituiert werden kann. Der Morpholino-Ring des Linezolids kann gegen Piperazinringe, Acetamidogruppen, Sulfid und Sulfoxide ausgetauscht werden. Selbst annelierte Ringsysteme sind möglich. Dagegen sind der Oxazolidonring und Acetamidomethylgruppen oder entsprechende Bioisostere am "östlichen" Ende des Moleküles unabdingbar. Die Zukunft wird weisen, wie viele und welche Oxazolidinone sich in der Therapie atypischer Atemwegsinfektionen und anderer Infektionen durchsetzen werden.
Wertende Zusammenfassung
Mit den vorgestellten neuen Antibiotika ist ein großer therapeutischer Fortschritt erzielt worden, einerseits durch die strukturelle Variation einer "alten" Antibiotikagruppe, was zu graduellen Veränderungen des Wirkmechanismus geführt hat. Andererseits wurde eine ganz neue Gruppe von Antiinfektiva entwickelt, die einen ganz neuen Wirkmechanismus hat. Auf diese Weise wurden sowohl bei den Ketoliden als auch bei den Oxazolidinonen bisher wenig Resistenzen und Kreuzresistenzen beobachtet. Da sich erfahrungsgemäß diese Situation in den nächsten Jahren ändern wird, dürfen wir auch weiterhin nicht ruhen, nach neuen Antiinfektiva zu suchen.
Literatur
Die Autorin
Ulrike Holzgrabe studierte Chemie in Marburg und Pharmazie in Marburg und Kiel. Nach Approbation, Promotion und Habilitation in Pharmazeutischer Chemie 1989 in Kiel war sie von 1990 bis 1999 als C3-Professorin in Bonn tätig. Seit April 1999 hat sie den Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie in Würzburg inne. Seit Januar 2000 ist Holzgrabe Vizepräsidentin der DPhG, seit September 2000 Vorsitzende des Ausschusses "Pharmazeutische Chemie" sowie Mitglied der Deutschen Arzneibuchkommission am BfArM. Seit letztem Jahr ist sie Mitglied der Europäischen Arzneibuchkommission und ab 2002 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des BfArM. Ihre Arbeitsschwerpunkte umfassen die Entwicklung von Opioid-artigen Analgetika und Liganden an muscarinischen Rezeptoren, die Enantiomerenanalytik mit NMR-Spektroskopie und Kapillarelektrophorese sowie die Arzneibuchanalytik.
Anschrift der Verfasserin:
Professor Dr. Ulrike Holzgrabe
Institut für Pharmazeutische Chemie
Universität Würzburg
Am Hubland
97074 Würzburg
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E-Mail: redaktion@govi.de