Grundlage für eine sichere Kommunikation |
25.04.2005 00:00 Uhr |
In Zukunft werden die Akteure des Gesundheitswesens untereinander vernetzt sein, um zielgerichtet Informationen austauschen zu können. Dafür ist eine umfassende Infrastruktur erforderlich, die über internetbasierte Dienste funktioniert. Die elektronische Gesundheitskarte (E-GK) ist zentraler Bestandteil der Kommunikation.
Die Vernetzungsinfrastruktur muss verschiedene Anforderungen erfüllen. So muss es den Teilnehmern möglich sein, untereinander eine Verbindung aufzubauen, über die Daten ausgetauscht werden können. Diese Daten müssen von allen Teilnehmern gelesen und verstanden werden können. Die Kommunikation in Apotheken oder Arztpraxen muss daher über definierte Schnittstellen erfolgen. Da die eingesetzten EDV-Systeme jedoch verschiedene Sprachen sprechen, wird für den Datenaustausch eine »Lingua Franca« benötigt. Die Computersprache XML (eXtensible Markup Language) wird diese Funktion übernehmen.
Im Gesundheitswesen werden in der Regel sensible Daten ausgetauscht und dies muss natürlich in geschützter Form geschehen. Auch darf ein Zugriff auf Daten im Netz nur berechtigten Teilnehmern möglich sein. Wesentlich ist, dass sich die Kommunikationspartner gegenseitig vertrauen können und Daten unverfälscht bei ihnen ankommen. Letztlich ist eine gemeinsame Sicherheitsinfrastruktur mit von allen anerkannten Kriterien und Verfahren notwendig. Sie ist die Grundlage einer vertrauenswürdigen Kommunikation.
Karte stärkt Patientensouveränität
Die elektronische Gesundheitskarte ist ein integraler Bestandteil dieser Infrastruktur und die Voraussetzung für eine Vielzahl von Anwendungen im Gesundheitswesen. Mit ihrer Hilfe können die Versicherten aktiv Einfluss nehmen auf die Verwendung ihrer Daten. Die Patientensouveränität erfährt so einen wichtigen Anschub. Die elektronische Gesundheitskarte ist mit den Pflichtanwendungen »Überprüfung des Versichertenstatus« und elektronisches Rezept (E-Rezept) verknüpft. Die Anwendungen Arzneimitteldokumentation, Notfalldatensatz und elektronische Patientenakte können von den Versicherten freiwillig genutzt werden. Die Bereitschaft dazu ist hoch: In einer Umfrage der Techniker Krankenkasse sprachen sich über 90 Prozent der Teilnehmer für die Nutzung einer Arzneimitteldokumentation aus.
Der lückenlose Einsatz der Arzneimitteldokumentation wird sich nicht nur positiv auf die Qualität der Arzneimittelversorgung auswirken, sondern auch auf die Ausgaben der Krankenkassen. Dies belegen Studien der Harvard Medical School und erste Erfahrungen US-amerikanischer Krankenversicherer . Die an der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte beteiligten Organisationen haben nun zugestimmt, die Entwicklungen zur sektorenübergreifenden Arzneimitteldokumentation zügig voranzutreiben. Dabei kommt den in den Apotheken schon seit Jahren eingesetzten CAVE-Modulen eine wichtige Rolle zu. Durch die Berücksichtigung patientenindividueller Merkmale, wie Allergien, wird die Arzneimitteltherapiesicherheit entscheidend verbessert. Der Nutzen der Arzneimitteldokumentation ist für den Patienten direkt nachvollziehbar.
Das E-Rezept gilt als eine der Triebfedern für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Die verpflichtende Anwendung hilft dabei, Prozesse im Gesundheitswesen rationeller zu gestalten und dadurch Kosten zu sparen. Davon profitieren die Versicherten allerdings nur indirekt. Der DAV hat ein Online- und ein Offline-Verfahren für das E-Rezept entwickelt. Offline erfolgt der Transport des E-Rezepts vom Arzt in die Apotheke auf der elektronischen Gesundheitskarte.
Beim Online-Verfahren wird das E-Rezept vom Arzt in ein persönliches Patientenfach im Netz übertragen. Ein Arzt kann das E-Rezept dorthin übermitteln, ohne dass der Versicherte dazu seine Praxis besucht. Der Versicherte kann das E-Rezept anschließend aus seinem privaten Patientenfach abrufen und an die Apotheke weiterleiten. Erst die Realisierung des körperlosen E-Rezeptes bietet den Versicherten eine größere Freizügigkeit und Flexibilität als dies derzeit beim Papierrezept der Fall ist. Zusätzlich kann das Patientenfach unter anderem zur Übermittlung von elektronischen Überweisungen oder Krankenhauseinweisungen genutzt werden.
Aktivitäten des DAV
Der DAV hat technische Lösungen für den Aufbau und die Nutzung der Vernetzungsinfrastruktur entwickelt. Damit wurden praxisnahe Antworten auf viele ungelöste Fragen geliefert.
In der im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) von einem Industriekonsortium erstellten Rahmenarchitektur für die Telematikinfrastruktur des Gesundheitswesens wird eine Integrationsplattform definiert. Diese soll die verschiedenen EDV-Systeme im Gesundheitswesen einbinden und sie befähigen, untereinander Daten auszutauschen. Diese Verbindungsstelle wurde bei der Planung der Umsetzung treffend als »Konnektor« bezeichnet. Der DAV hat gemeinsam mit MaK DATA (Kiel) die erste marktfähige Version des Konnektors entwickelt: »CertiWare« bietet eine Plattform für unterschiedlichste Anwendungen wie E-Rezept, elektronische Arzneimitteldokumentation, elektronischer Arztbrief und elektronische Patientenakte. Zusätzlich übernimmt sie wichtige Sicherungsfunktionen, durch die ein sicherer Webzugang, vertrauenswürdige Dokumentationen und rechtsverbindliche E-Mail ermöglicht werden. Damit steht die Basisfunktionalität für wirtschaftlich interessante Anwendungen wie die Vernetzung von Warenwirtschaftssystemen zur Verfügung. Der Konnektor »CertiWare« garantiert durch seine vielfältigen Einsatzmöglichkeiten Investitionssicherheit.
Konsequent hat der DAV auch eine praxisnahe Lösung für die sichere Anbindung aller Apotheken-Arbeitsplätze an die Sicherheitsinfrastruktur entwickelt. Das Konzept der verteilten Signaturarbeitsplätze erlaubt es, den Heilberufsausweis an eine zentrale Stelle zu stecken und von den einzelnen Arbeitsplätzen aus zu nutzen, zum Beispiel zur Signatur eines E-Rezepts. Ein Wechsel des Bedienplatzes ist dann möglich, ohne aber den Heilberufsausweis jedes Mal stecken, beziehungsweise ziehen zu müssen. Dadurch laufen Prozesse ungestört ab, Karten und Terminals werden geschont. Ermöglicht werden die verteilten Signaturarbeitsplätze durch das Stecken des Heilberufsausweises an einem zentralen Kartenlesegerät und sicheren Verbindungen (»Tunnel«) zwischen dem Heilberufsausweis und den Arbeitsplätzen. Patienten-Postfach, CertiWare und das Konzept der verteilten Signaturarbeitsplätze sind wesentliche Beispiele für die innovative Rolle der Apothekerschaft bei der Vernetzung der Akteure im Gesundheitswesen.
Fraunhofer-Gesellschaft im Vorteil
Am 14. März erhielt die von den Organisationen der Selbstverwaltung gegründete Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte, gematik mbH, von Bundesministerin Ulla Schmidt die von der Fraunhofer-Gesellschaft entwickelte Spezifikation der Lösungsarchitektur zur Umsetzung der Anwendungen der E-GK. Der DAV hat die Architektur sorgfältig geprüft. Nicht zuletzt da sie diverse vom DAV entwickelte Verfahren berücksichtigt, weist die Lösung der Fraunhofer-Gesellschaft deutliche Vorteile gegenüber der von Protego.net im Dezember vorgestellten Architektur auf.
So sieht die Lösungsarchitektur der Fraunhofer-Gesellschaft nicht nur die Sicherung der E-Rezepte durch eine durchgängige Verschlüsselung bei der Online-Übermittlung vor, die nur der Versicherte aufheben kann. Die Architektur übernimmt auch den DAV-Ansatz des Patientenfachs. Als Alternative bietet sie eine Lösung für den Transport der E-Rezepte auf der elektronischen Gesundheitskarte. Mit der Speicherung der Rezepte auf der Karte hat der Versicherte seine Daten nicht nur »in der Hand«, sondern weiß auch, dass sie in der Offizin ausgelesen werden könnten, wenn die Online-Infrastruktur einmal nicht zugänglich wäre. Den Anforderungen, die die Fraunhofer-Gesellschaft an den Konnektor stellt, entspricht »CertiWare«. Auch das Verteilte-Signaturarbeitsplätze-Konzept des DAV findet in dieser Architektur Berücksichtigung.
In der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (gematik) sind alle Organisationen der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens repräsentiert. Ihre Mitglieder treffen alle grundlegenden Entscheidungen zur Entwicklung und Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und ihrer erforderlichen Infrastruktur. Dabei nimmt die gematik allerdings Aufgaben nur insoweit wahr, wie dies zur Schaffung einer interoperablen und kompatiblen Telematikinfrastruktur notwendig ist. Bereiche, die allein Belange der Apothekerschaft berühren, wird diese also weiterhin in eigener Verantwortung regeln können.
Dies betrifft beispielsweise die Abrechnung der E-Rezepte über die Apothekenrechenzentren. Der Weg des E-Rezeptes vom Arzt über den Patienten an die Apotheke sollte zwischen Ärzte- und Apothekerschaft geklärt werden, ohne dass gematik hier ein Mitbestimmungsrecht hätte. Auch Fragen der Finanzierung werden unter den Akteuren der Selbstverwaltung selbst geklärt. Die gematik übernimmt ausschließlich die inhaltliche Festlegung der Infrastruktur. Daher prüft die gematik nun auch die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) vorgelegte Lösungsarchitektur hinsichtlich der von ihr definierten Kriterien: Vollständigkeit und Praktikabilität, Verwendung von Standards und Ausschreibungsfähigkeit. Auch wird geprüft, ob ökonomische Kriterien in der von der Fraunhofer-Gesellschaft vorgelegten Lösungsarchitektur berücksichtigt wurden. Voraussichtlich wird sich diese Qualitätsprüfung bis Ende April und, mit höherer Detailtiefe, bis Juli hinziehen. Gematik wird dann eine eigene Architektur vorlegen, die auf den vorangegangenen Arbeiten von protego.net und Fraunhofer-Gesellschaft aufbauen. Nach Annahme der Lösungsarchitektur durch die Selbstverwaltung wird gematik die erforderlichen, aber noch nicht am Markt verfügbaren Komponenten zur Entwicklung durch Industrieunternehmen ausschreiben. Sobald diese Komponenten verfügbar sind, werden sie im Labor geprüft und bei Bedarf angepasst.
Nachdem die Selbstverwaltung die Lösungsarchitektur angenommen hat, wird gematik vermutlich zwei Regionen auswählen, die sie während des anstehenden Praxistests intensiv betreut. Als Testregionen haben sich Flensburg, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Wolfsburg, Sachsen-Anhalt, Cottbus, Sachsen, Bochum/Essen, Lahn-Dill-Kreis, Trier, Heilbronn und Ingolstadt beworben. Voraussetzung für die Praxistests ist die Funktionsfähigkeit aller Elemente der Lösungsarchitektur im Labor. Mit dem Beginn der Feldtests ist Anfang 2006 zu rechnen.
Anstehende Entscheidungen
Die Apotheker haben gemeinsam mit den Ärzten die Spezifikation 2.0 des elektronischen Heilberufsausweises erarbeitet sowie gemeinsam mit den anderen Heilberufsgruppen die Anforderungen an die technischen Dienstleister (technische Trust Center) zur Ausgabe des HBA formuliert. Dennoch sind zentrale Fragen offen, die dringend geklärt werden müssen, bevor Heilberufsausweise ausgegeben werden können: Der Ausweis ist zwar als universelles Sicherheitswerkzeug konzipiert, er muss jedoch auch mit der elektronischen Gesundheitskarte kompatibel sein, um mit ihr kommunizieren zu können. Bislang wurde die Karte allerdings noch nicht vollständig spezifiziert, sodass auch die finale Version der elektronischen Berufsausweise nicht vorliegen kann.
Die Arzneimitteldokumentation muss gemeinsam mit dem E-Rezept in der Praxis getestet werden. Dabei kann auf den CAVE-Modulen aufgesetzt werden, die sich seit Jahren in den Apotheken bewährt haben. Zahlreiche Untersuchungen bestätigen den wirtschaftlichen Nutzen sowie den Wunsch der Versicherten nach der elektronischen Arzneimitteldokumentation. Kommt die Selbstverwaltung diesem nicht nach, leidet die Akzeptanz der elektronischen Gesundheitskarte.
Mit der Vorbereitung der Praxistests muss begonnen werden. Hierfür muss die gematik mbH Regionen auswählen, die sich durch zielgerichtete Vorbereitung auszeichnen. Dazu zählt die Umsetzung der Anforderungen der Lösungsarchitektur ebenso wie die Einbindung von Versicherten, Leistungserbringern und Kostenträgern.
Handlungsbedarf in den Apotheken
Die meisten Apotheken sind mit modernen Warenwirtschaftssystemen und ISDN- oder sogar DSL-Zugang ausgestattet. Mittels »CertiWare« werden diese Systeme an die Komponenten der Telematikinfrastruktur angebunden, also an die Lesegeräte für Heilberufsausweis und Gesundheitskarte. Damit ist der sichere Zugang zum Telematiknetz gewährleistet.
Den Antrag auf einen Heilberufsausweis muss jeder Angehörige eines Heilberufs persönlich stellen, Institutionskarten werden vom Inhaber der Apotheke beantragt. Kartenlesegeräte, Konnektoren sowie weitere eventuell erforderliche Komponenten werden nach Abschluss der Praxistests freigegeben. Die Apotheken können somit in die Vernetzungsinfrastruktur für das Gesundheitswesen eingebunden werden, ohne sich um technische Details kümmern zu müssen.
Fazit
ABDA und DAV werden den Prozess der Entwicklung und Einführung der elektronischen Gesundheitskarte weiterhin innovativ begleiten. Dabei liegt das Augenmerk immer auf Prozessnähe und Umsetzung geltenden Rechts. Den Mitgliedsorganisationen leisten sie dabei Unterstützung. In den Apotheken werden sich Arbeitsabläufe zwar ändern, doch ist davon auszugehen, dass der für die Umstellung erforderliche Aufwand durch den Einsatz universeller Werkzeuge, die für unterschiedlichste Anwendungen geeignet sind, überschaubar ist.
Kampf der RegionenPZ Anfang 2006 soll die Gesundheitskarte in verschiedenen Bundesländern getestet werden. Bis heute steht noch nicht fest, welche Regionen ausgewählt werden.
Nach Medienberichten haben Nordrhein-Westfalen (Bochum/Essen) und Bayern (Ingolstadt) gute Chancen. Für die bayerische Sozialministerin Christa Stewens ist es keine Frage, dass eine der drei Testregionen für die neue Gesundheitskarte in Bayern liegt. In Ingolstadt soll für die Durchführung extra ein eigenes Projektbüro eingerichtet werden. Zudem hat CSU-Sozialexperte Horst Seehofer dort seinen Wahlkreis.
Mit Bochum/Essen würde aus Proporz-Gründen auch das Heimatbundesland von Ministerin Ulla Schmidt bedacht. Beim Rennen um die mögliche dritte Testregion hätte Baden-Württemberg gute Chancen.
Die Autoren
Claus-Werner Brill ist seit 1996 Leiter der Abteilung Telematik im Gesundheitswesen bei der Werbe- und Vertriebsgesellschaft der ABDA. Nach dem Pharmaziestudium hat Brill von 1980 bis 1995 als selbstständiger Apotheker gearbeitet. Von 1985 bis 1995 war er Vorstandsmitglied des Saarländischen Apothekerverbandes, danach bis 1995 Vizepräsident der Landesapothekerkammer. Brill ist Mitglied verschiedener nationaler und supranationaler Gremien der Medizintechnik.
Katja Förster ist seit 2004 Referentin Kooperation der Abteilung Telematik im Gesundheitswesen. Sie hat internationale Betriebswirtschaft studiert. Ihre Diplomarbeit verfasste sie über die Privatisierung als Beitrag zu Verbesserungen im Gesundheitswesen. Von 2002 bis 2004 arbeitete sie als Referentin Wirtschaftspresse bei der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände in Berlin. Außerdem ist sie Mitglied des Fachausschusses der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH.
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