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Der NMDA-Rezeptor und seine Liganden bei cerebraler Ischämie

21.04.1997  00:00 Uhr

- Titel

  Govi-Verlag

Der NMDA-Rezeptor und seine Liganden bei cerebraler Ischämie

  Die Pathophysiologie des Schlaganfalls als Folge einer Mangelversorgung des Gehirns ist seit etwa zehn Jahren ansatzweise geklärt. Eine zu hohe Konzentration von exzitatorischen Aminosäuren (EAA), die im ZNS als Neurotransmitter dienen, läßt massiv Nervenzellgewebe absterben. Man fand eine Vielzahl von Substanzen, die selektiv an verschiedenen Subtypen der EAA-Rezeptoren angreifen. Eine Blockade dieser Rezeptoren und damit die Unterdrückung der neurotoxischen Wirkung der Aminosäuren könnte eine kausale Therapie des Schlaganfalls ermöglichen. Der wichtigste Vertreter der EAA-Rezeptoren ist der NMDA - (N-Methyl-D-Aspartat)-
Rezeptor. Eine Reihe von Antagonisten wurde entwickelt, die neuroprotektiv wirken und das Schlaganfallvolumen reduzieren.

Eine Kaskade von hämodynamischen, elektrophysiologischen und biochemischen Vorgängen führt beim Schlaganfall zur überschießenden Freisetzung von exzitatorischen Aminosäuren wie Glutamat und Aspartat, die nach Bindung an ihre Rezeptoren letztlich zur Kumulation von freiem Calcium in der Zelle führen. Neben der zytotoxischen Wirkung des Calcium-Überschusses lösen Lipidperoxidation, freie Radikale, Proteolyse der Zellmembran und Schädigung der Mitochondrien den Zelltod aus. Auf diese Weise sind exzitatorische Aminosäuren an neurodegenerativen Prozessen beteiligt. Man suchte daher nach ihren Rezeptoren und schon bald erkannte man, daß es nicht nur einen Glutamat-Rezeptor gibt. Heute unterteilt man fünf Klassen je nach ihren selektiven Liganden: NMDA-, AMPA-, KAIN-, L-AP4- sowie metabotrope Rezeptoren. Vermutlich steuert der NMDA-Rezeptor neuronale Prozesse "höherer Ordnung" und hat Bedeutung für die Entwicklung, das Lernen und das Gedächtnis.

Der NMDA-Rezeptor besteht aus einem Natrium- und Calcium-permeablen Ionenkanal, der durch Magnesium spannungsabhängig blockiert werden kann. Zudem besitzt er mindestens sechs regulatorische Bindungsstellen: die Glutamat-, Aspartat- und NMDA-Bindungsstelle, die im Kanal liegenden Andockstellen für Magnesium und Arylcyclohexylamine, die Strychnin-unempfindliche Glycin-Bindungsstelle, eine Zink- und eine oder mehrere Polyamin-Bindungsstellen. Der Rezeptor besteht aus zwei etwa 1000 Aminosäuren umfassenden Proteinuntereinheiten mit vier transmenbranären Segmenten. Es sind zahlreiche Isoformen der Untereinheiten bekannt.
  • Nicht kompetitive NMDA-Rezeptorantagonisten: (+)-MK-801 (Dizocilpin) war einer der ersten potenten NMDA-Antagonisten mit In-vivo-Wirksamkeit. Doch trotz guter neuroprotektiver Eigenschaften bei Cerebralischämie verhinderte das starke psychostimulierende und psychomimetische Potential die Einführung in die Therapie. Amantadin und Memantine dagegen sind schon länger zur Behandlung von Hirnleistungsstörungen und Schädel-Hirn-Traumen zugelassen.
  • Kompetitive NMDA-Rezeptorantagonisten gehören zur Klasse der Phosphonoaminosäuren. Sie zeigen deutliche Neuroprotektion nach Cerebralischämie und sind bei peroraler Gabe vor einer fokalen Ischämie wirksam.
  • Antagonisten am Strychnin-unabhängigen Glycin-Rezeptor: Eine Reihe von strukturell sehr unterschiedlichen Verbindungen blockiert den Glycin-Rezeptor. Die Aminosäure kann - neben ihrer Funktion als inhibitorischer Neurotransmitter am Strychnin-unabhängigen Glycin-Rezeptor - auch NMDA-erzeugte Signale potenzieren. Sie agiert als echter Co-Agonist: Für eine Öffnung des NMDA-gesteuerten Ionenkanals ist eine gleichzeitige Bindung von Glutamat und Glycin nötig. Die antagonistisch wirksamen Liganden leiten sich strukturell ab von Aminosäuren, Kynurensäure und Kynurenin, 2-Carboxyindol, Chinoxalindion sowie 2-Chinolon.
  • Polyamin-Rezeptorantagonisten: Die Bedeutung der Polyamin-Bindungsstelle ist heute noch nicht eindeutig geklärt. Daher ist auch der Angriffspunkt des Antagonisten Ifenprodil noch nicht festlegbar. Arcain und das Adamantan-Derivat BAHSPM verhindern ebenfalls die Öffnung des Ionenkanals.

Eine Überstimulation des NMDA-Rezeptors soll bei vielen ZNS-Erkrankungen beteiligt sein, zum Beispiel bei Epilepsie, Morbus Alzheimer oder Parkinson. Daher wird große Hoffnung auf die Antagonisten des NMDA-Rezeptors gesetzt. Vor kurzem wurde der NMDA-Antagonist Acamprosat zur Alkoholentwöhnung zugelassen. Er kann die neuronale Erregbarkeit durch antagonistische Effekte am NMDA-Rezeptor und agonistische Effekte an GABA-ergen Neuronen dämpfen.

PZ-Titelbeitrag von Professor Dr. Gerd Dannhardt, Mainz

       

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