Pharmazeutische Zeitung online

Kein gutes Jahr

19.05.2003  00:00 Uhr

DAV-Wirtschaftsforum

Kein gutes Jahr

Das Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekertages fand dieses Jahr zum vierzigsten Mal statt. Feierstimmung kam dennoch nicht auf.

Das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) und der Entwurf des Gesundheitssystemmodernisierungsgesetzes (GMG) lassen bei Apothekern wenig Grund zur Freude aufkommen. In seinem Bericht zur politischen Lage hatte der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Hermann S. Keller, dann auch wenig Positives zu vermelden.

Mit dem BSSichG landete die Regierung einen Überraschungscoup. Noch bis zur Bundestagswahl verlor sie kein Wort über die dramatische Finanzsituation der Krankenkassen. Unmittelbar nachher musste ebendiese prekäre Situation der Kassen dann für den rabiaten Sparkurs der Regierung herhalten. Innerhalb kürzester Zeit sei das Machwerk dann durch das Gesetzgebungsverfahren am Bundesrat vorbei durch den Bundestag gepeitscht worden, durchaus am Rande der Legalität. Keller erinnerte an die Verfassungsbeschwerde der Bundesländer Baden-Württemberg und Saarland über die das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden hat.

Der DAV-Chef forderte die Bundesregierung auf, das Gesetz sofort zurückzunehmen. Nachdem sich gezeigt habe, dass die Belastung der Apotheker weitaus höher sei als vorher verkündet, müsse das „widerfahrene Unrecht“ gestoppt werden. Nur so ließe sich vermeiden, dass die deutsche Apothekenlandschaft unwiederbringlich zerstört werde.

Mit dem Vorgehen der Bundesregierung ging Keller hart ins Gericht. Als „Tiefpunkt der politischen Kultur“ bezeichnete er das interne Arbeitspapier aus dem BMGS, aus dem hervorgeht, dass die Bundesregierung offensichtlich von Anfang eingeplant hatte, dass der Großhandel seinen Zwangsrabatt auf die Apotheker abwälzen werde.

Kurzarbeit in der Jobmaschine

Die Konsequenzen des BSSichG werden laut Keller immer besser sichtbar. Die Zahl der Apothekenschließungen übersteige mittlerweile die der Neueröffnungen. Parallel dazu werden die Arbeitsplätze in Apotheken weniger. Die Jobmaschine Apotheke ist ins Stottern gekommen. Keller: „Die allgemeine wirtschaftliche Malaise hat uns erreicht und zwar mit voller Wucht. Arbeitsplatzabbau und Kurzarbeit statt Mehrbeschäftigung.“

Leidtragende sind neben den Apothekern vor allem die Patienten. Auf Grund des Personalabbaus müssen sie heute länger in der Apotheke warten bis sie bedient werden. Einige Apotheken haben ihre Öffnungszeiten verkürzt.

Obwohl es letztlich das BSSichG nicht verhindern konnte, stellte Keller dem „Bündnis Gesundheit“ eine gute Note aus. Binnen kürzester Zeit konnte eine Großdemonstration aller vom BSSichG betroffenen Heilberufe vor dem Brandenburger Tor organisiert werden. Hinzu kamen verschiedene Aktionen des Bündnisses auf Landesebene sowie Proteste der Apotheker allein, etwa die Aktion „Licht aus“ oder das Verhängen der Schaufenster. Keller stellte dabei fest, dass die Aktionen niemals gegen den Patienten gerichtet waren. Die Arzneimittelversorgung war jederzeit gewährleistet.

Schauerstück Liberalisierung

Die jüngste Vergangenheit war übel, die Gegenwart ist kaum besser und auch die Zukunft verspricht wenig Gutes. Das GMG bezeichnete der DAV-Chef als „Sammlung von Schauerstücken“. Unter dem Deckmantel der Liberalisierung würden mit dem Versandhandel und dem Mehrbesitz Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht, die den Berufsstand in seiner Existenz gefährdeten.

Für die Einführung des Versandhandels gebe es nach wie vor keine rationalen Gründe. Niemand habe bislang beweisen können, dass der Versand die Kosten der Arzneimittelversorgung reduziere. Das gelte nach dem BSSichG umso mehr. So habe auch die niederländische Versandapotheke DocMorris ihre Zusage an die Kassen zurückziehen müssen, alle Arzneimittel 10 Prozent preiswerter abzugeben als dies die Arzneimittelpreisverordnung vorsehe.

Nach der geplanten Modifikation der Arzneimittelpreisverordnung werde die Einführung des Versandhandels vollends zur Farce. Eine Kombination aus Fixzuschlag und preisabhängiger Spanne verderbe den Versendern die Lust an der Rosinenpickerei. Wird das ABDA-Modell zur Honorierung der pharmazeutischen Leistungen umgesetzt, sinkt die Handelspanne bei teuren Arzneimitteln, während sie bei preiswerten Präparaten steigt.

Keller erneuerte das Angebot der Apotheker, mit ihrem Home-Service-Konzept den Patienten alle vermeintlichen Vorteile des Versandhandels zu bieten, dabei aber das bewährte System und den hohen Standart der Arzneimittelsicherheit zu erhalten. Im Gegensatz zum Versender, der viele Tage braucht, bis das bestellte Präparat beim Patienten ankommt, bringt der Botendienst der Apotheke - bei Bedarf mit pharmazeutischem Personal – die Arzneimittel noch am selben Tag bis ans Krankenbett.

Mehrbesitz fördert Ketten

Als „Augenwischerei“ bezeichnete Keller die geplante Einführung eines begrenzten Mehrbesitzes. Nach den Plänen der Bundesregierung soll jeder Apotheker bis zu fünf Apotheken besitzen dürfen. In jeder Filiale muss ein angestellter Apotheker die Geschäfte führen. Entweder, so Keller, halte die Bundesregierung am Leitbild des Apothekers in seiner Apotheke fest, dann sei eine Aufweichung des Mehrbesitzverbotes nicht nachvollziehbar. Oder sie halte es für überholt, dann gebe es keinen Grund, den Mehrbesitz auf fünf Apotheken zu beschränken. Die Verantwortlichen wüssten dies, wollten es aber noch nicht aussprechen, vermutet Keller.

Statt bewährte Strukturen unwiederbringlich zu zerstören, sollte die Bundesregierung endlich eine Forderung von Apothekern und der pharmazeutischen Industrie umsetzen und die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel halbieren. Deutschland gehöre nach wie vor zu den wenigen Ländern in Europa mit einem vollen Mehrwertsteuersatz. Sollte tatsächlich die Mehrwertsteuer erhöht werden, würde dies die Arzneimittelkosten weiter steigen lassen. Dies wäre aus Kellers Sicht ein Skandal.

Trotz der erhebliche Differenzen bot der DAV-Vorsitzende der Bundesregierung eine intensivere Zusammenarbeit an. Neben dem neuen Honorarsystem für Apotheker gibt es auch in der Telematik Übereinstimmungen mit der Bundesregierung. Beide setzen auf die Einführung des Gesundheitspasses mit Mikrochip. Dieser würde das Hausapothekenmodell ideal ergänzen. Die Medikation der Patienten könnte noch besser dokumentiert und auf Doppelverordnungen und mögliche Interaktionen untersucht werden. Keller ist davon überzeugt, dass dies der richtige Weg für eine bessere und letztlich auch effizientere Arzneimittelversorgung wäre.

 

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