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Bundesärztekammerpräsident Hoppe spricht zu Apothekern

20.11.2000  00:00 Uhr

Bundesärztekammerpräsident Hoppe spricht zu Apothekern

von Gisela Stieve, Neuss

Das gemeinsame Anliegen von Ärzten und Apothekern muss es sein, die Folgen der Gesundheitsreform für die Patienten so gering wie möglich zu halten. Vor allem darf es keine qualitative Verschlechterung der Arzneimittelversorgung geben. Das erklärte Professor Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer, vor der Kammerversammlung der Apothekerkammer Nordrhein am 15. November in Neuss. Hoppe sieht vor allem die niedergelassenen Ärzte in einem Dilemma zwischen ethischer Verantwortung und finanzieller Haftung, was zu einem veränderten Verordnungsverhalten führe.

Ein klares Nein sagte Hoppe zu E-Commerce mit Arzneimitteln. Das Gesundheitswesen als Wachstumsfaktor und Zukunftsmarkt müsse sich den neuen Medien stellen. In der Arzneimittelversorgung sei es aber als Informationsmedium denkbar. Auch die Ärzteschaft warnt, wie Hoppe betonte, vor Tabletten und Ampullen per Mausklick. Politikern müsste es grauen, dass im Internet Injektionsanleitungen für Laien zu finden seien. Bei nicht fachgerechten Injektionen könnten Gefäße und Nerven verletzt werden, was lebensbedrohende Folgen für die Anwender haben könne.

Die medizinischen und pharmazeutischen Informationen im Internet müssen von höchster Qualität sein. "Sonst verbringen wir bald mehr Zeit für das Ausreden von Unsinn als mit unserer eigentlichen ärztlichen oder pharmazeutischen Tätigkeit", so der Bundesärztekammerpräsident. Jeder wisse, dass Menschen dazu neigen, geschilderte Symptome oder mögliche Nebenwirkungen virtuell zu durchleben.

Das Arzt-Apotheker-Verhältnis kann traditionell eher als gespannt angesehen werden, sagte Hoppe. In den gemeinsamen Gesprächskreisen habe das Verhältnis aber eine neue Qualität gewonnen. Beide Heilberufe sollten es als gemeinsame Aufgabe ansehen, auch interdisziplinäre Fortbildung zu betreiben.

Mit Blick auf das Behrendes-Urteil, wonach kein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vorliegt, wenn ein Arzt Altarzneimittel abgibt, stellte Hoppe fest, dass das Oberlandesgericht keine Fragen zum Arzneimittelgesetz und zum Dispensierverbot der Ärzte gestellt habe. Da der Arzt angekündigt habe, so weiterzumachen wie bisher, müssten die zuständige Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung aktiv werden und gegen ihr Mitglied rechtlich vorgehen. "Über den Rechtsverstoß hinaus betrachte ich dieses Handeln aus ärztlicher Sicht den Patienten gegenüber als unverantwortlich", so Hoppe, "da bei der Abgabe von Restarzneimitteln die Arzneimittelsicherheit nicht mehr gewährleistet ist".

Hoppe ließ keinen Zweifel daran, dass die Ärzteschaft die Grenzen zwischen ärztlicher Diagnose und Therapie einerseits sowie pharmazeutischer Beratung andererseits nicht verwischt sehen wollen. Dies gelte insbesondere auch für die integrierten Versorgungsformen. Vorrangiges Ziel müsse es sein, die Zusammenarbeit der Beteiligten im Gesundheitswesen zu verbessern. Die Evaluation erprobter Praxisnetze habe gezeigt, dass die Patientenversorgung besser, nicht aber zwingend preiswerter werde. Durch mehr und effizientere Kooperation, Koordination und Kommunikation könne dem Patienten zumindest mehr Qualität geboten werden.

Hoppe stellte fest, dass durch die Gesundheitsreform alle Heilberufe unter Druck geraten sind – nicht nur aus finanzieller Sicht, sondern auch hinsichtlich ihrer traditionellen Autonomie. Zum Wohle der Patienten als primäres Ziel und zum Erhalt des freiberuflichen Charakters "sollten wir bestrebt sein, die Interessenskonflikte zwischen den beiden Berufen Arzt und Apotheker abzubauen, um die Politik des Bündnis Gesundheit 2000 gemeinsam verstärkt fortzuführen".

In der Diskussion berichteten Apotheker über die Schwierigkeiten, mit den Ärzten in ein persönliches Gespräch zu kommen. Offensichtlich sei in der Ärzteschaft nicht hinreichend bekannt, was die Apotheker mit pharmazeutischer Betreuung meinen und wollen. Hoppe erhielt deshalb ein Manuskript mit der Bitte, über dieses zentrale Thema im nordrheinischen Kammerblatt zu informieren. Angesprochen auf den Sumpf der Rezeptzuweisungen stellte Hoppe fest, dass es wohl in allen Berufsgruppen noch Integrationsnotwendigkeiten gebe. Top

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