Das Deutsche Apothekerhaus steht ab Mitte 2002 in Berlin |
29.10.2001 00:00 Uhr |
ABDA-UMZUG
Das Votum war sehr deutlich: 73 Prozent der Delegierten der Mitgliederversammlung der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände haben sich am Dienstag in Hannover für den Kauf des Mendelson-Palais in Berlin ausgesprochen. Damit folgte die Versammlung letztlich nicht nur dem Beschluss des Deutschen Apothekertages aus dem Jahr 1996, sondern reagierte auch auf die aktuellen gesundheitspolitischen Entwicklungen.
Hitzig waren die Diskussionen, die in den vergangenen Tagen und Wochen die Gemüter bewegten. Grund waren Veröffentlichungen über die Immobiliensuche der ABDA in Berlin und insbesondere das "Objekt der Begierde", das nun zum Standort für die Arbeit der ABDA-Geschäftsstelle werden soll. Teile der Standespresse hatten zuletzt Stimmung gegen den Ankauf des Objekts und damit gegen den Umzug nach Berlin gemacht. Die PZ hatte sich aus der Diskussion bewusst heraus gehalten, um keinen einseitigen Einfluss auf die Meinungsbildung in den Kammern und Verbänden zu nehmen.
In Hannover wurde am Rande der Mitgliederversammlung und der Feier zum 50-jährigen Bestehen der Treuhandverbandes Hannover GmbH (ausführliche Berichte in PZ 45) der Unmut vieler Vertreter aus den Landesorganisationen über die Art und Weise der Veröffentlichungen deutlich. Schließlich hatte die von vielen als einseitig empfundene Berichterstattung dazu geführt, dass zahlreiche Fakten, Zahlen und Daten entstellt oder schlichtweg falsch in die breite Berufsöffentlichkeit transportiert worden waren.
Am Dienstag hatten sich allerdings die Wogen - zumindest innerhalb der Mitgliederversammlung - geglättet. Weit mehr als zwei Stunden wurde noch einmal diskutiert, wurden Argumente ausgetauscht und Informationen geliefert. ABDA-Präsident Hans-Günter Friese wies ausdrücklich und mehrfach darauf hin, dass es darum gehe, "wirklich alle noch offenen Fragen zu beantworten". Bis dahin waren die Diskussionen äußerst sachlich verlaufen. Die anschließende namentliche Abstimmung ergab eine deutliche Zustimmung für den Ankauf des Hauses. Bei 557 zu 205 Stimmen kamen die Befürworter auf immerhin 73 Prozent - ein deutliches Votum.
Im historischen Berlin
Das Deutsche Apothekerhaus steht also in Zukunft im historischen Berlin, ganz in der Nähe des Gendarmenmarkts. Diesem Standort in der Mitte der Hauptstadt kommt nicht wegen der vermeintlich exklusiven und geschichtsträchtigen Lage eine außerordentliche Bedeutung zu. Die Nähe zu den Entscheidungsträgern der Bundespolitik war der Faktor, der - neben vielen anderen - den Ausschlag zu der Entscheidung für den Ankauf des Gebäudes in der Jägerstraße gab.
Nicht nur der geschäftsführende Vorstand der ABDA, der den Ankauf in der Beschlussvorlage empfohlen hatte, sondern auch viele Vertreterinnen und Vertreter aus den Kammern und Verbänden ließen keinen Zweifel daran, dass es sinnvoll sei, die Nähe zu den politisch Verantwortlichen zu suchen und im Interesse der Apothekerschaft weiter auszubauen und zu nutzen.
Dabei hatte die vom ABDA-Vorstand mit der Objektsuche beauftragte Geschäftsführung in den vergangenen Monaten mehr als zwanzig Objekte unter die Lupe genommen. Mit Architekt und Fachingenieur wurden diese Immobilien allesamt auf Herz und Nieren geprüft. Es war also keine leichtfertige Entscheidung, die zu einer Empfehlung für den Kauf des Hauses Jägerstraße 49/50 führte.
Das ehedem als Bankgebäude genutzte Haus ist komplett eingerichtet und ermöglicht nach kleineren Umbauten einen relativ kurzfristigen Einzug. Das war den Entscheidern aus den Kammern und Verbänden wichtig. Schließlich geht bei einem Neubau oder beim massiven Umbau eines angekauften Gebäudes viel Zeit ins Land. Zudem würden Kräfte innerhalb der ABDA zu stark aus ihrer eigentlichen Aufgabe - nämlich der Vertretung des Berufsstandes - entbunden. Und eben dieses Potenzial an qualifizierten und kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird gerade in diesen gesundheitspolitisch bewegten Zeiten für Gespräche und Diskussionen mit Marktbeteiligen, aber eben ganz besonders in der Auseinandersetzung mit der Politik dringend benötigt.
Der Geschäftsführer der Verwaltungsgesellschaft Deutscher Apotheker (VGDA) Hartmut Schmitt stellte noch einmal das Objekt, dessen Lage und die Nutzungsmöglichkeiten detailliert vor. Dabei präsentierte er die Vorteile und erläuterte, wie der eine oder andere Nachteil, zum Beispiel bei der Raumaufteilung, durch kleinere Umbaumaßnahmen zum Vorteil gewandelt werden könne. Gemeinsam mit den Geschäftsführern hatte man in der vergangenen Woche das Objekt noch einmal besichtigt und eine mögliche Aufteilung besprochen.
Die mehr als 50 ABDA-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im kommenden Jahr von Eschborn nach Berlin umziehen sollen, werden gute Arbeitsmöglichkeiten vorfinden, davon sind die Gremien überzeugt.
ABDA-Präsident Hans-Günter Friese legte im Übrigen Wert darauf, dass es sich bei dem Objekt um keinen Pracht- oder Protzbau handele. Man habe vielmehr jetzt ein gutes und zum bereits vor einiger Zeit definierten Bedarf der ABDA passendes Objekt gefunden. Überdies werde man für die Kaufpreisfinanzierung den Mitgliederbeitrag nicht erhöhen müssen.
Überhaupt reagierten einige Vertreter aus den Kammern und Verbänden eher erleichtert, als sie noch einmal mit den Fakten zum geplanten Hauskauf konfrontiert wurden und ihre teilweise durchaus kritischen und skeptischen Fragen beantwortet wurden. Bereits am 9. Oktober hatten viele die Möglichkeit wahrgenommen, das Gebäude persönlich in Augenschein zu nehmen.
Pendeldiplomatie
Insbesondere nach den letzten Bundestagswahlen hat sich der Trend verstärkt, dass auch im gesundheits- und sozialpolitischen Bereich Termine fast ausschließlich in der Hauptstadt stattfinden, eben dort, wo die Entscheidungen gefällt werden. Ob politische Veranstaltungen, Pressekonferenzen, Diskussionen oder Foren - seit geraumer Zeit gibt es eine ausgeprägte Pendeldiplomatie zwischen Eschborn und Berlin - Tendenz zunehmend. Das ABDA-Büro in der Reinhardtstraße wird mit dem Umzug von Eschborn nach Berlin in das dann bezugsfertige Deutsche Apothekerhaus integriert.
Bereits im Vorfeld wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Eschborn über die bevorstehenden Veränderungen informiert. Schließlich hat die ABDA ein außerordentlich großes Interesse daran, möglichst viele Mitarbeiter für einen Wechsel in die Hauptstadt gewinnen zu können. Trotzdem werde es sicher personelle Verluste geben, hieß es aus der ABDA-Spitze. Aber diese Verluste gebe es auch, wenn man erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Berlin umgezogen wäre. In den kommenden Wochen werden mit allen Betroffenen intensive Gespräch geführt, um eventuelle Probleme gemeinsam zu lösen. Auf der Ebene der Geschäftsführung wird die ABDA nicht die bereits öffentlich kolportierten Personalverluste hinnehmen müssen.
Kommentar: Entscheidung für Berlin Die Entscheidung für den Umzug der ABDA-Geschäftsstelle nach Berlin ist bereits sechs Jahre alt. Am Dienstag hat die Mitgliederversammlung den entscheidenden Schritt getan, um diesen Beschluss in die Tat umzusetzen: Mit dem beabsichtigten Hauskauf in der Jägerstraße unweit des Gendarmenmarkts schafft die ABDA Fakten. Die Diskussionen und teilweise drastischen Schmähungen der vergangenen Wochen haben Spuren hinterlassen. Das war vielen der Präsidenten und Vorsitzenden anzumerken. Trotzdem sollte der künstlich erzeugte Sturm im Wasserglas ein Ende haben. Auch wenn dies dem einen oder anderen publizistischen Ego äußerst schwer fallen wird.
Was nützen in schwierigen Zeiten Zwietracht und Missgunst? Die demokratisch getroffene Entscheidung steht. Auf zu neuen Taten. Die Gegner stehen eben nicht in den eigenen Reihen, sondern finden sich besonders bei den Kassen und anderen Marktbeteiligten.
Dass im Vorfeld über Geld und Geschmack eifrig und manchmal auch unter Negierung der Fakten gestritten wurde, sollte zu den Akten gelegt werden.
Wichtig ist, dass jeder Verband, jede Kammer die jeweilige Meinung einbringen konnte. Gegenstimmen gab es durchaus. Alles andere wäre überraschend gewesen. Schließlich ist generelle Einstimmigkeit in der ABDA kein Muss.
Wichtig aber ist der gemeinschaftliche Auftritt und dass die unterschiedliche Auffassung bei Sachthemen wie dem Berliner Hauskauf nicht zu einem Mangel an Geschlossenheit führt. Insoweit gab die Mitgliederversammlung in Hannover tatsächlich ein Signal. Nach innen wie außen.
Thomas Bellartz
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