Ersatzkassen: Sanierung der AOK Ost ist finanzpolitische Wegelagerei |
25.10.1999 00:00 Uhr |
Politik
Die von der Bundesregierung geplante Sanierung der mit 1,9 Milliarden DM verschuldeten Allgemeinen Ortskrankenkassen in den neuen Bundesländern ist bei Ersatzkrankenkassen, welche die Zeche zum Großteil zu bezahlen hätten, auf heftige Kritik gestoßen. Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) sprach von "finanzpolitischer Wegelagerei". Die Techniker Krankenkasse (TK) forderte, die AOK in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen müssten unter Bundesaufsicht gestellt werden, da die Landesaufsichten für diese Regionalkassen versagt hätten.
Das Bundesgesundheitsministerium will die Entschuldungsmaßnahmen in die Gesundheitsreform 2000 integrieren. Im nächsten Jahr sollen demnach die Ost-AOKen eine einmalige, zusätzliche Finanzspritze von 1,3 Milliarden DM erhalten. Um die Kassen auch langfristig auf ein sicheres Finanzfundament zu stellen, soll außerdem der Risikostrukturausgleich (RSA) ab dem Jahr 2001 in fünf Jahresstufen vollständig auf ein gesamtdeutsches Ausgleichssystem umgestellt werden. Bisher wird der kassenübergreifende RSA im Wesentlichen in West- und Ostdeutschland separat angewendet. Etwa 20 Milliarden DM werden zur Zeit damit pro Jahr umgeschichtet, um den Kassen trotz ungleicher Risikostrukturen möglichst gleichmäßige Chancen im Wettbewerb zu sichern.
Die Umstellung auf ein bundesweit einheitliches System würde nach heutiger Datenlage dazu führen, dass ab 2005 jährlich mindestens fünf Milliarden DM von West nach Ost fließen würden. Rechnerisch belastet dies die Kassen im Westen mit 0,4 Beitragssatzpunkten, während die Ost-Kassen um 1,6 Punkte entlastet werden. Sämtliche noch bestehende Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland im Versicherungs-, Beitrags-, Vertrags- und Leistungsrecht sollen bereits Anfang 2001 aufgehoben werden. Das würde insbesondere zu einer Anhebung der Versicherungspflicht- und Beitragsbemessungsgrenze in den neuen Ländern führen.
Die unionsregierten Länder Thüringen und Sachsen (letzteres mit schuldenfreier AOK) begrüßen zwar prinzipiell die geplanten Entschuldungsmaßnahmen. Sie wollen sich damit aber die angekündigte Ablehnung der Gesundheitsreform 2000 im Bundesrat nicht abkaufen lassen. Die unionsgeführten Länder Bayern und Baden-Württemberg hatten sich andererseits bereits im Vorfeld der jüngsten Initiative gegen zusätzliche Lasten für die Kassen in den alten Ländern ausgesprochen. Das sei eine finanzielle Aufgabe des Staates, erklärte Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) in Stuttgart.
Die Ersatzkassen plädieren dafür, dass der gesamtdeutsche AOK-Verbund das Problem kassenintern aus der Welt schafft. Die bundesweit organisierten Ersatzkassen hätten ebenfalls im Osten Finanzprobleme gehabt und diese eigenständig gelöst, ohne sich zu verschulden. Die AOKen in den neuen Ländern hätten jahrelang mit zu niedrigen Beitragssätzen operiert und sich illegal verschuldet, lautet der Vorwurf.
Inzwischen hat das Land Berlin sein Interesse bekundet, als Ost-Land in das jetzt
geplanten Transfersystem aufgenommen zu werden. Der Stadtstaat wird zur Zeit dem
Rechtskreis West zugeordnet. Die AOK-Berlin sitzt auf einem Schuldenberg von über 1,2
Milliarden DM, die BKK Berlin steht mit mehr als 370 Millionen DM in der Kreide.
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