Schnellere Zulassung gefordert |
06.06.2005 00:00 Uhr |
Beim Jahreskongress der europäischen Selbstmedikationshersteller (AESGP) in Genf schwankten die Beteiligten zwischen der Sorge um die Finanzierbarkeit der Sozialsysteme und der Freude über das starke Wachstum der Selbstmedikation.
Wenn Dagmar Roth-Behrendt in Fahrt kommt, ist Obacht geboten. Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments (SPD) nimmt ungern ein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, eigene Positionen in die Öffentlichkeit zu tragen.
Die Gesundheits- und Sozialexpertin ihrer Fraktion forderte während der AESGP-Jahrestagung in Genf die EU-Mitgliedsländer auf, die Zulassung von Arzneimitteln zu vereinfachen und den Marktzutritt damit zu erleichtern. Roth-Berendt beklagte, dass die dezentrale Zulassung von Arzneimitteln nicht erfolgreich sei, sich „manche Länder immer noch viel zu viel Zeit bei der Zulassung lassen”. Die Kommission sei deshalb vom Europäischen Parlament aufgefordert worden, Gesundheitsrisiken genau zu definieren, damit auf der Basis eines einheitlichen Maßstabs zugelassen oder eben nicht zugelassen werden können. Notfalls werde man Länder, die sich nicht den geschaffenen Regelungen unterwerfen, vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Das war Wasser auf die Mühlen der deutschen Arzneimittel-Hersteller und der Verbandsvertreter des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Die SPD-Politikerin sieht sich auf einer Linie mit vielen anderen EU-Parlamentariern. »Ich möchte ein zentrales Zulassungsverfahren«, so Roth-Behrendt. Als »potenzielle Patientin« wolle sie sicherstellen, dass Arzneimittel »so schnell wie möglich zugelassen« werden.
Für eine einfache Handhabung plädierte sie auch beim Switch von verschreibungspflichtigen zu nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und warb dabei für eine langjährige Position der Selbstmedikationshersteller. So sei es ihr »bereits seit langem unverständlich«, warum ein Präparat beim Switch den Handelsnamen ändern müsse. Roth-Bererndt: »Das wird sich mir intellektuell und auch sonstwie nie erschließen.« Hier gehe es um die Interessen der Patientinnen und Patienten und darum, der unsinnigen Bürokratie Einhalt zu gebieten. Es gehe nicht an, die Arzneimittel zu »einer Art Geisel der Gesundheitskosten« zu machen. Eine Änderung dieser Regelung sei gut für den Verbraucher und auch aus Sicht der Hersteller sinnvoll, betonte die Juristin.
Im Herbst will die Europäische Kommission eine Leitlinie vorlegen, um Mitgliedsstaaten die Verweigerung und Verzögerung nationaler Zulassungen zu erschweren. BAH-Vertreter wiesen in Genf darauf hin, dass es neben Frankreich eine Reihe weiterer EU-Mitgliedsstaaten gebe, die auf nachgelagerten Registrierungen bestünden. Mit dem Beitritt zehn neuer Mitgliedsstaaten im vergangenen Jahr habe sich das Problem jedoch erheblich vergrößert. Denn zum Schutz nationaler Herstellerinteressen versuchen dort Nationen ihre Märkte durch eine eigene Zulassungsstrategie abzuschotten. Roth-Behrendt will notfalls mit »saftigen Strafen« auf diese Entwicklung reagieren.
Als »bekennender Nicht-Fachmann« in Arzneimittelfragen warnte Karl-Heinz Florenz (CDU) als Vorsitzender des EU-Ausschusses für Gesundheit und Umwelt davor, diese Probleme allzu leichtfertig anzugehen. Die EU-Kommission müsse sich gegen die Durchsetzung nationaler Interessen durchsetzen, um glaubwürdig zu bleiben.
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