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Arzneimittelverordnungen für Kinder analysiert

24.04.2000  00:00 Uhr

- Politik

Arzneimittelverordnungen für Kinder analysiert

von Karl H. Brückner, Berlin

Das Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen wird in den nächsten zehn Jahren Datenbestände der Gmünder Ersatzkasse (GEK) unter verschieden gesundheitspolitischen Aspekten auswerten. Das haben die Krankenkasse und die Uni vertraglich vereinbart, erläuterte GEK-Vorstandschef Dieter Hebel in Berlin. Man wolle damit zur Versachlichung der gesundheitspolitischen Diskussion beitragen. Eines der ersten Projekte war die Analyse aller Arzneiverordnungen für die 184.000 in der GEK versicherten sechs- bis 14-jährigen Kinder. Die Ergebnisse erläuterte der Pharmakologe Professor Dr. Gerd Glaeske von der Bremer Forschungseinheit "Gesundheitspolitik und Evaluation medizinischer Versorgung".

Demnach haben 78 Prozent aller Kinder dieser Altersgruppe im Jahre 1999 mindestens eine Verordnung erhalten. Jeweils etwa 13 Prozent der Kinder bekamen ein, zwei oder drei Präparate, um die zehn Prozent vier oder fünf Medikamente. Fast 40 Prozent aller Rezepte stellten Hausärzte aus, 33,5 Prozent Kinderärzte. Die durchschnittlichen Verordnungskosten betrugen 21,92 DM (bei den erwachsenen GEK-Versicherten beträgt dieser Wert 41,26 DM).

Hauptindikationsgebiete der über 903.000 Verordnungen für Kinder waren Hustenmittel (rund 16 Prozent), Schnupfenmittel und Antibiotika (jeweils knapp 10 Prozent), Schmerzmittel/Präparate gegen rheumatische Beschwerden (8 Prozent) sowie Arzneien zur Behandlung von Hauterkrankungen (7 Prozent) und Asthmamittel (5 Prozent).

Nur 0,1 Prozent aller Rezepte für Kinder lauteten auf Schlaf- und Beruhigungsmittel, vor allem waren dies Phytopharmaka. Benzodiazepine wurden "ausgesprochen selten" verordnet und wenn, dann in Zubereitungen, die beispielsweise bei Fieberkrämpfen angewendet werden. Glaeskes Fazit: Im Vergleich zu vor 20 Jahren hat sich das Verordnungsverhalten in diesem Bereich deutlich verbessert.

Anstieg der Verordnungen von Ritalin nicht bagatellisieren

Kritisch schätzt Glaeske dagegen die Situation bei Psychopharmaka ein, auf die knapp 1,3 Prozent aller Verordnungen für Kinder entfielen. Auffällig sei, dass noch immer Imipramin-haltige Mittel gegen das Bettnässen eingesetzt würden. Diese Indikation sei überholt. Zum anderen kritisierte Glaeske, 80 Prozent aller Psychopharmaka-Verordnungen entfielen auf Psychostimulantien, vor allem auf Ritalin gegen das hyperkinetische Syndrom. Die Dauermedikation mit diesem Präparat habe sich in den vergangenen 20 Jahren in Deutschland auf rund 15 000 Kinder mindestens vervierfacht. Dramatische Alarmsignale sieht Glaeske darin zwar noch nicht. Nur in Einzelfällen komme es zu einem "aus unserer Sicht problematischen Missbrauch im Rahmen einer hochdosierten, langfristigen Anwendung". Andererseits dürften die "dramatischen Steigerungen" von Ritalin und anderen Psychostimulantien nicht bagatellisiert werden, forderte Glaeske. Leitlinien für den Umgang mit diesen Mitteln hält der Pharmakologe für "dringend erforderlich".

Die Analyse der knapp 80.000 Schmerzmittelverordnungen für Kinder ergab, dass rund 75 Prozent der Präparate ausschließlich Paracetamol enthielten. Außerdem wurden 1300 Verschreibungen Diclofenac-haltiger Mittel registriert. Glaeske wies darauf hin, dass für deren Anwendung bei Kindern keine gesicherten Dosierungsempfehlungen vorlägen, was generell ein großes Problem bei der Arzneiversorgung von Kindern sei. Außerdem monierte der Wissenschaftler, dass auch bei Kindern noch immer knapp fünf Prozent aller Schmerzmittelverordnungen auf Kombinationspräparate mit zwei Schmerzwirkstoffen und Kodein oder Coffein entfielen. Es sei jedoch längst pharmakologisch gesichertes Wissen, dass solche Mischpräparate nicht sinnvoll kombiniert seien und möglicherweise ein höheres Risiko unerwünschter Wirkungen mit sich brächten. Top

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