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Regierung kommt Industrie entgegen

11.04.2005  00:00 Uhr
Arzneimittel-Werbung

Regierung kommt Industrie entgegen

von Daniel Rücker, Eschborn

Mit Entsetzen hatte die pharmazeutische Industrie auf die geplante Novellierung des Heilmittelwerbegesetzes reagiert. Danach sollte Publikumswerbung für alle erstattungsfähigen Arzneimittel generell verboten werden. Jetzt will die Regierung jedoch einlenken.

Mit der 14. AMG-Novelle will die Bundesregierung auch das Heilmittelwerbegesetz (HWG) überarbeiten. Der Pharmaindustrie sollte unter anderem verboten werden, beim Publikum für Arzneimittel zu werben, die zwar nicht verschreibungspflichtig sind, aber auf der Ausnahmeliste stehen, also zulasten der Krankenkassen verordnet werden dürfen. Dieses Verbot sollte für alle gelisteten Präparate gelten.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) liefen von Beginn an Sturm gegen diese Regelung. Viele ihrer Mitgliedsunternehmen stellen Selbstmedikationsarzneimittel her und wären die Leidtragenden gewesen.

Besonders heftig kritisierten die Hersteller das pauschale Verbot. Der Gesetzgeber wollte Werbung verbieten, unabhängig von dem Verordnungsanteil der Medikamente. »Diese Regelung macht auch Arzneimitteln den Garaus, die zu mehr als 95 Prozent vom Patienten selbst bezahlt werden«, kritisierte BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp auf der Jahrestagung der Fachgruppe Selbstmedikation. Die HWG-Novelle sei eine »Informationsblockade für Patienten«. Beim BAH sah man die Lage kaum anders.

Der massive Protest lies auch die Bundesregierung daran zweifeln, ob sie hier tatsächlich das richtige Augenmaß gefunden hatte. Bereits im Februar kündigte das Bundesgesundheitsministerium an, die HWG-Novelle zu überarbeiten. Rund sechs Wochen später konnte Staatssekretär Klaus Theo Schröder nun auf einer BAH-Veranstaltung in Bonn die anwesenden Industrievertreter beruhigen: Unternehmen dürfen auch in Zukunft für verschreibungsfähige OTC-Arzneimittel werben, so seine Botschaft. Allerdings dürfen sie dabei nicht die Erstattungsfähigkeit der Präparate herausstellen. Die Regierung will damit verhindern, dass Patienten auf Ärzte Druck ausüben, damit diese ihnen ein rezeptfreies Medikament verordnen.

Schlechte Nachrichten hatte Staatssekretär Schröder dagegen für alle Freunde der verbalen Gleichberechtigung. Beim Warnhinweis »Zu Risiken und Nebenwirkungen...« bleiben Apothekerinnen und Ärztinnen weiterhin unerwähnt. Eine Änderung des Pflichthinweises unter dem Aspekt des »Gender Mainstreaming« sei nicht zielführend, erläuterte Schröder.

Diskussion um OTC-Altersgrenze

Wenig Hoffnung machte der Staatssekretär den OTC-Herstellern zur Erstattungsfähigkeit von Selbstmedikationsarzneimitteln. An der Ausgrenzung der Präparate aus dem GKV-Leistungskatalog will die Regierung im Grundsatz festhalten.

Auf Druck der Bundestagsfraktionen will das Gesundheitsministerium aber darüber nachdenken, bis zu welcher Altersgrenze OTC-Arzneimittel erstattet werden sollen. Schröder erteilte der Forderung, OTC-Arzneimittel für Jugendliche bis 18 Jahren generell erstattungsfähig zu machen, am 4. April in Bonn noch eine klare Absage. Drei Tage später zeigte sich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt dagegen gesprächsbereit.

Die Diskussion angestoßen haben Bundestagsabgeordnete aller Parteien. CSU-Gesundheitsexperte sieht hier »Änderungsbedarf«. Es habe sich gezeigt, dass die Herausnahme rezeptfreier Arzneimittel aus der GKV negative Auswirkungen auf den Gesundheitszustand von Jugendlichen habe. Abgeordnete von SPD und Grünen sehen das Problem auch. Eine abgestimmte Position gibt es jedoch noch nicht.

Schmidt will eine Gesetzesänderung jedoch offenbar verhindern. Stattdessen soll der Gemeinsame Bundesausschuss sich damit befassen, welche nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel für Jugendliche medizinisch sinnvoll sind. Bis zu einem Alter von 18 Jahren sollten alle nachweislich wirksamen Präparate erstattet werden, sagte Schmidt. Top

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