BKKs wollen Verbot ignorieren |
17.12.2001 00:00 Uhr |
VERSANDHANDEL
Die Betriebskrankenkassen (BKK) in Niedersachsen wollen das Versandhandelsverbot mit allen Mitteln kippen. Versicherte von neun niedersächsischen Betriebskrankenkassen können ihre Medikamente ab sofort bei der Internet-Apotheke DocMorris beziehen. Die BKKs wollen Direktabrechnungen des niederländischen Versenders akzeptieren. Der Landesapothekerverband kündigte umgehend rechtliche Schritte gegen die Kassen an.
Mit finanziellen Anreizen wollen die Kassen ihren Versicherten die Bestellung bei DocMorris schmackhaft machen. Wer seine Rezepte bei der niederländischen Versand-Apotheke einlöse, müsse keine Rezeptgebühr bezahlen, kündigte Bernd Hillebrandt von der Arbeitsgemeinschaft Niedersächsischer Betriebskrankenkassen an. Zu den neun beteiligten Betriebskrankenkassen gehören die BKK Continental, die BKK Neun Plus und die Energie-BKK. Zusammen haben die neun Kassen rund 240.000 Versicherte.
Die Apotheker in Niedersachsen laufen gegen diese Ankündigung Sturm. Als "unglaublichen Rechtsbruch" wertete der Vorsitzende des Niedersächsischen Landesapothekerverbandes (LAV) und ABDA-Vizepräsident Heinz-Günter Wolf den Schritt der Betriebskrankenkassen, offen mit der Internetapotheke DocMorris zusammenzuarbeiten. (Siehe Interview.) Gegen die illegalen Vertriebsaktivitäten des niederländischen Unternehmens seien zwei rechtskräftige einstweilige Verfügungen vom Oberlandesgericht Frankfurt und vom Kammergericht Berlin erlassen worden, die den Versandhandel von Arzneimitteln nach Deutschland untersagen.
Wolf, der rechtliche Schritte gegen die betroffenen Krankenkassen ankündigte, bezeichnete es als "Stil einer Bananenrepublik", wenn Körperschaften des öffentlichen Rechts offenen Rechtsbruch betrieben und diesen auch noch über die Medien propagierten, um ihren politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Wolf hat bereits den niedersächsischen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel in einem Brief dazu aufgefordert, die BKKs in Niedersachsen dazu zu bringen, sich wie jeder andere Bürger an geltendes Recht zu halten.
In einem weiteren Brief forderte der ABDA-Vize Bundeskanzler Gerhard Schröder auf, sich dafür einzusetzen, dass "diese Aktivitäten der Betriebskrankenkassen unverzüglich untersagt werden". (Den vollständigen Brief lesen Sie hier.)
Das niedersächsische Sozialministerium als Aufsichtsbehörde reagierte erst zögerlich auf den geplanten Rechtsbruch der Krankenkassen. Nachdem es anfangs seine Zuständigkeit angezweifelt hatte, kündigte später ein Sprecher an, das Ministerium werde eine Stellungnahme der Kassen anfordern und die Angelegenheit "aufsichtsrechtlich prüfen". Mittlerweile hat das Ministerium laut Hannoversche Allgemeine juristische Schritte gegen die Kassen beschlossen. "Nach dem deutschen Arzneimittelrecht ist der Internet-Handel zurzeit nicht gestattet", sagte der Ministeriumssprecher. Es sei auch nicht zulässig, dass Kassen Vergünstigungen beim Medikamentenkauf anpreisen. Das Bundesversicherungsamt hatte in den vergangenen Monaten mehrfach darauf hingewiesen, dass gesetzliche Krankenkassen Rezepte von DocMorris nicht erstatten dürften, da der Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland verboten sei.
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