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Ungleiche Partner

09.12.2002  00:00 Uhr
Einzelverträge

Ungleiche Partner

von Daniel Rücker, Bonn

Im Zuge der bevorstehenden Gesundheitsreform will die Bundesregierung den Krankenkassen mehr Vertragsfreiheit einräumen. Damit soll auch die Macht der Verbände beschnitten werden. Freilich nur auf der Seite der Leistungserbringer.

Die Krankenkassen hätten dann die Möglichkeit, Vereinbarungen mit einzelnen Arztpraxen, Apotheken oder Krankenhäusern zu treffen. Die stotternd anlaufenden Disease-Management-Programme könnten ein erster Schritt in diese Richtung sein.

Die Leistungserbringer halten von diesen Plänen wenig. „Verhandlungen zwischen Krankenkassenverbänden und Apothekern können nicht funktionieren“, stellte ABDA-Geschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz auf der Pharmafachtagung am 9. Dezember in Bonn fest. Faire Verhandlungen seien nur unter gleichstarken Geschäftspartnern möglich. Zwischen einem Kassenverband und einem einzelnen Apotheker gebe es jedoch gravierende Unterschiede.

Auch die Ärzte lehnen direkte Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen ab. Neben der Ungleichheit der Vertragspartner sei auch das Sachleistungsprinzip ein Hinderungsgrund für solche Verhandlungen, stellte Dr. Werner Baumgärtner von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung fest. „In individuellen Verträgen vereinbarte Leistungen könnten nur dann abgerechnet werden, wenn der Patient die Kosten erstattet und sich das Geld von der Industrie wiederholt.“

Fehlende Systeme

Abrechnungsprobleme dürfte es auch geben, wenn die Krankenkassen wie im Vorschaltgesetz vereinbart mit Herstellern in direkte Preisverhandlungen eintreten. Wie Schmitz feststellte, fehlen bislang die Abrechnungssysteme für kassenbezogene Arzneimittelpreise. „Es gibt keine Systeme, die Abrechnungen zwischen Apotheken und Herstellern ermöglichen.“

Der Bundesregierung sind solche Probleme fern. „Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen, agieren müssen die Krankenkassen“, stellte Ministerialdirigent Dr. Erhard Schmidt fest. Es sei nicht die Aufgabe der Bundesregierung, Pläne zur Umsetzung zu entwickeln.

Das gilt offensichtlich auch für die Liberalisierung der Vertragsstrukturen zwischen Kassen und Leistungserbringern. Aussagen, wie Einzelverträge konkret aussehnen können, blieb Schmidt schuldig. Nur soviel sei klar: Direkte Verhandlungen werden den Wettbewerb fördern und zu einem Konzentrationsprozess der Krankenkassen führen. Viele kleine Kassen hätten nämlich kein ausreichendes Personal, um Verhandlungen mit einzelnen Leistungserbringern zu führen.

Dem stimmte Herbert Rebscher Chef des Verbande deutscher Angestellten-Krankenkassen zu. Nach seiner Interpretation soll der Begriff „Einzel-“ aber nur für die Leistungserbringer gelten. Auf Kassenseite befürwortet er Verhandlungen der Verbände mit einzelnen Leistungserbringern. Nach wie vor scheinen die Krankenkassen weitaus mehr Interesse an einem Wettbewerb der Leistungserbringer zu haben, als selbst in den Wettbewerb einzutreten.

Kritik am BSSichG

Kein gutes Haar ließ ABDA-Geschäftsführer Schmitz am Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG). Die Apotheker lehnten es rundweg ab, weil es die Apotheken übermäßig belaste, ein unüberschaubares Inkassoverfahren vorsehe und sinnvolle Alternativen nicht berücksichtige. Schmitz machte noch einmal deutlich, dass die Apotheker mit einem Wertschöpfungsanteil von knapp 20 Prozent am Arzneimittelmarkt rund 80 Prozent der Einsparungen tragen müssten.

Es sei unstrittig, dass der Großhandel die ihm auferlegten Zwangsabschläge von 3 Prozent des Apothekerverkaufspreises bei einem Gewinn von 1,2 Prozent zwangsläufig an die Apotheker weitergeben müsse. Zudem erziele das Gesetz deutlich höhere Einsparungen als die Bundesregierung angebe. Nach Berechnungen der ABDA summiert sich der erhöhte Apothekenabschlag auf 500 statt 350 Millionen Euro. Der Großhandelsrabatt ergebe ein Summe von 700 Millionen Euro. Die Bundesregierung rechnet mit 600 Millionen Euro.

Aus Sicht der Ärzte kritisierte Baumgärtner das BSSichG. Die darin verfügte Nullrunde für Ärzte werde auch Konsequenzen für die Patienten haben: „Für die Kranken bedeutet dies Nullwachstum bei den Leistungen.“ Vor allem bei Arzneimitteln und Heilmitteln wollen die niedergelassenen Ärzte sparen. Er verteidigte die Ankündigung der Kassenärzte, nur noch Dienst nach Vorschrift zu leisten. „Die Regierung behauptet immer wieder, es gebe zu viele Ärzte. Wenn das stimmt müsste Dienst nach Vorschrift ausreichen.“

Ministerialdirigent Schmidt lässt die Kritik am BSSichG kalt. Die vom Ministerium errechneten Einsparungen seien richtig, behauptete er. Beim Inkasso sieht er keine Probleme. Die Apotheken hätten eine funktionierende Abrechnungsstruktur. Es wäre in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen, die Inkasso-Abrechnung bei den Krankenkassen anzusiedeln. Auf Details zum Inkasso verzichtete Schmidt. Ebenso enthielt er sich eines Kommentars zu der Frage, ob die Großhandlungen ihre Zwangsrabatte an die Apotheken weitergeben würden. Stattdessen verwies er auf die deutlichen Steigerungen bei den Arzneimittelausgaben. Diese seien ausreichend um die jetzigen Einschnitte zu verkraften. Top

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