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Liebesentzug für Seehofer

17.11.2003  00:00 Uhr
Union

Liebesentzug für Seehofer

von Thomas Bellartz, Berlin

Das Fass ist übergelaufen. Mit seinen jüngsten Attacken gegen das Reformkonzept der Herzog-Kommission hat sich Horst Seehofer (CSU) endgültig ins Abseits manövriert.

Der stellvertretende CSU-Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte am Montag gemeinsam mit dem CSU-Chef Edmund Stoiber in München das Rentenkonzept der Christsozialen vorgestellt. Das Konzept wurde in ungewohnter Eintracht von SPD, Grünen und von der Schwesterpartei kritisiert. Doch der Ärger der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel hatte andere Gründe. Es könne nicht angehen, dass Seehofer permanent gegen das Papier der Herzog-Kommission schieße. Schließlich habe man sich darauf verständigt, einen gemeinsamen Weg nach dem CDU-Parteitag Anfang Dezember zu finden.

Seehofer nutzt seit Wochen jede Möglichkeit, um seine Kritik an den Herzog-Plänen und insbesondere am Prämienmodell, das in der Union als Gesundheitsprämie gehandelt wird, zu untermauern. Am Montag platzte dann auch CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer der Kragen. Er sagte, es habe „helle Aufregung“ über die „polemischen und unsachgemäßen Äußerungen“ Seehofers gegeben. Meyer findet Seehofers Aktivitäten unverhohlen „unerträglich“.

Im Unions-Präsidium war das Konzept der CSU, aber insbesondere der neuerliche Ausbruch Seehofers das Topthema. Die Sozial- und Gesundheitspolitiker der Union drohen dem früheren Gesundheitsminister unverhohlen damit, ihm zukünftig die Gefolgschaft zu verweigern. Mitunter zähneknirschend hatten sie bei den Konsensverhandlungen im Sommer im Schatten des Bayern gestanden.

Aus der Fraktion war am Montag Nachmittag die Kritik immer lauter geworden. Schon im Sommer hatte Seehofer bei der Frage der Leistungsausgrenzung beim Zahnersatz nur knapp politisch seinen Kopf retten können und kurz darauf die Konsensrunde mit Ulla Schmidt (SPD) angeführt. Bei den Wahlen zum Fraktionsvorsitz hatte er nicht zuletzt deswegen ein deutlich schlechteres Ergebnis hinnehmen müssen, als noch vor einem Jahr. Und auch bei den Wahlen zum CSU-Vorstand war der Stoiber-Vertreter schlechter weggekommen als beim vorangegangenen Urnengang.

In der Unionsfraktion fürchtet man, dass Seehofer sich auf Kosten der CDU profilieren will. Merkel hatte nach der Präsidiumssitzung am Montag noch einmal betont, dass nicht nur die CSU für das Soziale in der Union stehe. „Der läuft Amok“, wurde am Dienstag ein Präsidiumsmitglied zitiert. In der CDU geht man jedenfalls nicht mehr davon aus, Seehofer und dessen „Einzelmeinung“, so Meyer, in ein gemeinsames Konzept integrieren zu können.

Kurzschlussreaktionen sind bei Seehofer aber zumindest in dieser Sache auszuschließen. Denn bereits am Mittwoch der Vorwoche hatte der CSU-Vize auf Nachfrage der PZ bei einem Hintergrundgespräch die Vorgehensweise der CSU am Montag dieser Woche erläutert. Und gleichsam erklärt, er wolle das Gesundheitssystem so wie es ist belassen und zunächst das Steuerkonzept von Friedrich Merz (CDU) umgesetzt wissen. Sein neuer Vorstoß kontra Herzog hat dieses Vorhaben jedoch in den Hintergrund gedrängt. Top

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