Briten denken an eine Sammelklage |
13.11.2000 00:00 Uhr |
Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main gegen die niederländische Internet-Apotheke DocMorris ist in Großbritannien auf reges Interesse gestoßen. Vertreter unabhängiger Apotheker begrüßten die Gerichtsentscheidung. Anders war die Reaktion bei der seit elf Monaten operierenden britischen Internet-Apotheke Pharmacy2U. Die PZ sprach in London mit dem Direktor des rund 11000 Stammkunden zählenden Arzneimittelhändlers, Daniel Lee.
PZ: Herr Lee, macht das Frankfurter Urteil Internet-Apotheken wie ihrer das Leben schwerer?
Lee: Nicht unbedingt. Zunächst einmal möchte ich die Urteilsbegründung ausführlich lesen. Dann werden wir weitersehen.
PZ: Deutschland dürfte damit als potenzieller Markt für Pharmacy2U ausscheiden.
Lee: Auch hier möchte ich zunächst das Urteil im Detail studieren, bevor ich mich äußere. Aber es gibt auch nach dem Frankfurter Urteil Wege, wie deutsche Patienten Medikamente über das Internet bestellen können.
PZ: Soll das heißen, dass Ihr Unternehmen trotz Richterspruch nach Deutschland liefern wird?
Lee: Unter Umständen ja. Wir werden auf jeden Fall im Rahmen der Legalität operieren. Wir würden gerne mehr deutsche Kunden haben. Es ist zum Beispiel möglich, dass der deutsche Kunde sein deutsches Rezept nach England schickt. Ein englischer Arzt übersetzt es ins Englische und wir bedienen das Rezept. Das ist ganz legal.
PZ: Klingt aber sehr umständlich. Warum sollte ein Patient das alles auf sich nehmen, wenn er in die heimische Apotheke gehen kann?
Lee: Das kann viele Gründe haben. Internet-Apotheken bieten zum Beispiel Anonymität. Patienten, denen ihr Leiden peinlich ist, fühlen sich bei uns wohler.
PZ: Und die Arzneimittelsicherheit bleibt auf der Strecke...
Lee: Nein, das bleibt sie nicht. Pharmacy2U operiert nach strengen Regeln, die übrigens auch von der Royal Pharmaceutical Society in London für gut befunden wurden. Die Arzneimittelsicherheit ist garantiert.
PZ: Als Direktor einer Internet-Apotheke müssen Sie das doch sagen.
Lee: Ich würde es nicht sagen, wenn es nicht stimmen würde. Der persönliche Kontakt zwischen Apotheker und Patient ist nur ein Aspekt. Internet-Apotheken haben zum Beispiel die Möglichkeit, die Patienten-Daten und Angaben online zu überprüfen. So lassen sich unerwünschte Wechselwirkungen mit einem anderen Medikament schnell aufspüren.
PZ: Sind Ihre Kunden hauptsächlich Briten?
Lee: Ja. 85 Prozent unserer Kunden kommen aus Großbritannien. Der Rest aus anderen EU-Ländern.
PZ: Und in die USA?
Lee: Nach Amerika liefern wir nicht. Da gibt es Probleme mit der amerikanischen Food and Drug Administration.
PZ: Es sieht danach aus, als ob Internet-Apotheken auch in Europa Probleme bekommen werden.
Lee: Noch ist nicht aller Tage Abend. Ich könnte mir vorstellen, dass die Frankfurter Entscheidung nicht das letzte Wort in dieser Sache bleibt.
PZ: Wollen Sie selbst vor Gericht ziehen?
Lee: Im Moment steht das nicht zur Debatte. Aber es könnte sein, dass wir uns einer Sammelklage auf europäischer Ebene anschließen werden.
PZ: Wieso können Internet-Apotheken Arzneimittel preiswerter anbieten als traditionelle Apotheken?
Lee: Weil wir geringere Kosten haben. Wir beschäftigen 19 Mitarbeiter und operieren aus einem Lagerhaus in der Nähe von Leeds. Teure Ladeneinrichtungen und ähnliche Späße fallen da weg.
PZ: Und teure Apotheker brauchen Sie ja auch nicht zu beschäftigen...
Lee: Das stimmt nicht. Alle bei uns eingehenden Rezepte werden von einem ausgebildeten Apotheker gecheckt.
PZ: Wie sehen Sie die Zukunft des Internet-Handels?
Lee: Rosig. Das Frankfurter Urteil wird nicht das letzte Wort sein. Ich vermute, es handelt sich um einen verzweifelten Versuch deutscher Apotheker, ihre Besitzstände vor unliebsamer Konkurrenz schützen zu wollen.
PZ: Das ist eine sehr zynische und einfache Sichtweise.
Lee: Das ist meine Meinung. Es ist eine Frage der Zeit, bis in Europa
mehr und mehr Arzneimittel über das Internet gehandelt werden. Dem Internet gehört die
Zukunft.
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