Gerangel um Kompetenzen |
24.10.2005 00:00 Uhr |
Medizinische Fachgesellschaften in Deutschland sehen ihre Monopolstellung bei der Erstellung von Leitlinien bedroht. Grund hierfür ist das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Medizin (IQWIG), das die Leitlinien überprüfen soll.
»Der bisherige Konsens, dass die medizinischen Fachgesellschaften die Leitlinien erarbeiten, ist jetzt infrage gestellt«, sagte Professor Dr. Werner Seeger auf einer Pressekonferenz der Korporativen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden. Zu den Korporativen Mitgliedern zählen ein Reihe großer Pharmaunternehmen und einige Fachverlage. Das IQWIG wolle die Leitlinien der Gesellschaften überprüfen, so DGIM-Vorsitzender Seeger.
Das Institut habe nicht den Wunsch, sondern den Auftrag vom Gesetzgeber, die Leitlinien zu kontrollieren, korrigierte Dr. Hanna Kirchner vom IQWIG. Es solle untersuchen, ob die den Empfehlungen zu Grunde liegenden Studien dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen. Dies sei bei vielen der insgesamt etwa 1000 Leitlinien nicht gegeben. »Wie die Leitlinien schließlich ausfallen, darauf hat das Institut keinen Einfluss«, sagte Kirchner. Es könne nur Empfehlungen an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) machen. Dieser entscheide dann. Doch die Mediziner wollen die Koordination zur Erstellung der Leitlinien wie bisher in der Hand der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen-Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) sehen und nicht in der Hand von einer »weisungsabhängigen, kassenfinanzierten Behörde«, wie Seeger erklärte. Das IQWIG habe die Kosten stark im Blick, sagte Professor Dr. Hermann Haller von der Medizinischen Hochschule Hannover. Den Fachgesellschaften sei immer vorgeworfen worden, sie seien zu industriefreundlich. Nun habe die Bundesregierung das IQWIG eingerichtet, »um über die Leitlinien der Fachgesellschaften Entscheidungen zu fällen, die kostenbewusster sind«, so Haller.
Stark wehrten sich die Mediziner außerdem dagegen, dass die
Empfehlungen des G-BA den Status von verbindlichen Richtlinien erhielten.
Die derzeitigen Leitlinien seien Hilfestellung für den Arzt, die
bestmögliche Therapie für jeden einzelnen Patienten zu ermitteln, sagte
Seeger. Wenn diese aber nun zu Richtlinien würden, verließe man die
individuelle Behandlung. Das könnte dazu führen, dass Ärzte die für einen
bestimmten Patienten bestmögliche Therapie nicht mehr verschreiben
dürften, weil diese nicht den Richtlinien entspreche, erklärte Haller.
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