Kommunikation muss besser werden |
08.10.2001 00:00 Uhr |
KLINISCHE PHARMAZIE
Seit dem 1. Oktober gilt die novellierte Approbationsordnung für Apotheker. Einer der Kernpunkte ist die Einführung von Klinischer Pharmazie als fünftem Prüfungsfach im zweiten Staatsexamen.
Als neue Fächer kommen Krankheitslehre, Pharmakotherapie, -epidemiologie und -ökonomie hinzu, und über ein Wahlpflichtfach können die Studenten ab jetzt eigene Schwerpunkte setzen. Was erwarten die Öffentlichkeit und die Beteiligten im Gesundheitswesen von der geänderten Approbationsordnung? Wie definieren sie die künftige Rolle des Apothekers? Anlass für die Philipps-Universität Marburg gemeinsam mit drei Arbeitsgemeinschaften für Klinische Pharmazie*) am 28. September am Marburger Institut für Pharmazeutische Chemie eine Podiumsdiskussion zu initiieren. Dabei waren Vertreter der obersten Gesundheitsbehörde der Pharmaziestudenten sowie Offizin- und Klinikapotheker, der Ärzte, Patienten, Pharmaindustrie und der Hochschulen.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) will mit der Novellierung der Approbationsordnung unter anderem fächerübergreifendes Denken und verantwortungsvolles Handeln fördern, bilanzierte Dr. Roland Radziwill, Apotheke des Klinikums Fulda und einer der Moderatoren der Veranstaltung. Er sieht den Trend zu einer stärker am Patienten orientierten Pharmazie. BMG-Vertreterin Karola Bürckner brachte die Erwartungen der Diskutanten auf den Punkt: Die Novelle soll die Kommunikationsfähigkeit des Apothekers fördern.
Die Verschiebung der Ausbildungsschwerpunkte in Richtung Pharmakologie sei im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern unbedingt nötig gewesen, erklärte Dr. Karl-Werner Glombitza, emeritierter Professor vom Institut für Pharmazeutische Biologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. In Deutschland ist Chemie im Pharmaziestudium mit 46 Prozent der Lerninhalte bislang gegenüber 30 Prozent in anderen europäischen Staaten deutlich überrepräsentiert; dagegen lagen Klinische Pharmazie und Pharmakologie bisher erheblich unter dem europäischen Durchschnitt (11 zu 19 Prozent).
Kooperation und Kommunikation
"Die Zukunft des Apothekers liegt in der Teamarbeit. Die Ausbildung muss solide Grundlagen in Pharmakoökonomie legen und Kommunikationsvermögen trainieren", sagte Klinik-Apothekers Dr. Anton Bär von der Apotheke des Kreiskrankenhauses in Roth. Auch Klinikarzt Dr. Andreas Kirschbaum vom Frankfurter Nordwest-Krankenhaus sieht eine wesentliche Aufgabe des Apothekers in der Vermittlung zwischen den beiden Heilberufsgruppen. Im Idealfall könne er dem Arzt als Partner zur Seite stehen. Was im Krankenhaus längst Routine ist, muss aus seiner Sicht auch im niedergelassenen Bereich zur Regel werden.
Professor Dr. Gerd Glaeske, Universität Bremen und ehemals Vertreter der Kassenseite, sieht den Apotheker als Patientenanwalt, der auf Defizite aufmerksam macht; darüber hinaus stellt er sich eine Mittlerfunktion zwischen den Arzneimittelherstellern und -anwendern vor. Der Apotheker müsse sich für die Gesellschaft unverzichtbar machen. Glaeske: "Man muss sich in der Gesellschaft Monopole verdienen. "
Patienten erwarten hohe Qualität
Michael Paulus, Diabetiker aus Marburg, beklagte bei der Diskussion die aus seiner Sicht oft mangelnde Betreuung der Patienten. Sie erwarten in erster Linie Kompetenz und eine hohe Beratungsqualität vom Apotheker. Dazu gehöre auch eine stärkere Vertrauensbasis zwischen Patient und Arzneimittelfachmann. "Ich erwarte, dass der Apotheker mir, beispielsweise im Hinblick auf Nebenwirkungen, auch das sagt, was ich vom Arzt nicht höre."
Wenn sich die Apotheke nicht durch diese Kriterien von anderen Absatzkanälen unterscheide, sei es ihm egal, woher er seine Arzneimittel beziehe: "Hauptsache sie sind qualitativ gut und bezahlbar". Als Zukunftsperspektive hofft Paulus auf eine stärkere Vernetzung zwischen den Beteiligten im Gesundheitswesen; das gelte sowohl für Arzt, Apotheke und ergänzende Dienste als auch für die Apotheken untereinander.
Aus Sicht der niedergelassenen Ärzte scheint eine Kooperation zwischen den beiden Heilberufen allerdings nur in engen Grenzen wünschenswert. Dr. Eva Susanne Dietrich, Vertreterin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sieht Möglichkeiten für eine Kooperation bei der ganzheitlichen Betreuung des Patienten, in der Pharmakoökonomie oder bei der Betreuung von Selbsthilfegruppen. Andere Aktivitäten des Apothekers wie die Bestimmung von Blut- oder Urinmesswerten lehnt die KBV laut Dietrich ab; gleiches gelte auch für das Hinterfragen ärztlicher Medikamentenverordnungen durch den Apotheker.
Apotheker als Kommunikator
Hauptaufgabe des Offizinapothekers ist es, unter den beratungsbedürftigen Patienten die zu identifizieren, die beraten werden wollen; danach folgen Problemerkennung und sachgerechte Lösungsvorschläge. So die Berufsauffassung von Gerhard Carstens aus der St. Bernward Apotheke, Hannover. Pharmazeutisches Fachwissen sei zwar als Grundlage unverzichtbar, mache aber in der Praxis einen immer kleineren Anteil aus. Soziale Kompetenz und die Fähigkeit zur erfolgreichen Kommunikation bekommen nach seiner Einschätzung einen immer höheren Stellenwert und müssen daher bereits in der Ausbildung gefördert werden.
Die ABDA stehe hinter der novellierten Approbationsordnung, sagte Dr. Martin Schulz, Eschborn, als Vertreter der Standesvertretung. "Wir befürworten eine Förderung der Klinischen Pharmazie nicht nur in der Lehre, sondern auch in der Forschung", sagte Schulz. Grundlage für den Beruf sei lebenslanges Lernen.
"Klinische Pharmakokinetik ist ein Fach originär für Apotheker". In der klinischen Forschung sei dieser Fachbereich unverzichtbar und es gebe dafür derzeit kein anderes Berufsbild als den Pharmazeuten, betonte Dr. Hans G. Schaefer von Boehringer Ingelheim. In seinen Augen muss dieser Bereich in der pharmazeutischen Ausbildung gestärkt werden.
"Der Bezug zum Heilberuf fehlt momentan häufig". So beschrieben die beiden Bonner Pharmaziestudentinnen Anna Maria Mattenklotz und Susanne Quellmann den Zustand des Pharmaziestudiums. Vor allem im Grundstudium liege der Ausbildungsschwerpunkt allein auf Naturwissenschaften, kritisierten sie. Der Bezug zur täglichen Praxis fehle ihrer Meinung nach. "Wir hoffen auf eine effektive Umsetzung der Neuerungen, nicht nur auf eine Umbenennung von Fächern". Um die Wochenstundenzahl trotz neuer Lerninhalte konstant zu halten, sollten Stunden im Chemilabor gestrichen werden.
"Die Perspektive der Hochschule orientiert sich an der Öffentlichkeit", betonte Professor Dr. Richard Süverkrüp, Pharmazeutischer Technologe an der Universität Bonn. Der Apotheker müsse sich einen eigenständigen Kompetenzbereich schaffen und dies auch der Öffentlichkeit überzeugend vermitteln. "Wir sind nicht Mediziner zweiter Klasse". Nach Überzeugung Süverkrüps muss es der Hochschule gelingen, die Lust am Lernen stärker zu wecken und problemorientiertes Lernen zu fördern. Das Bemühen um Teamfähigkeit werde dabei einen großen Teil der Kraft beanspruchen.
*) Deutsche Gesellschaft für Klinische Pharmazie (AG
Klinische Pharmazie der DPhG), Ausschuss Klinische Pharmazie der ADKA und
Deutsche Sektion der ESCP (European Section for Clinical Pharmacie)
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