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Studie macht Rentner für GKV-Misere verantwortlich

01.09.2003  00:00 Uhr

Studie macht Rentner für GKV-Misere verantwortlich

von Thomas Grünert, Berlin

Die Finanzmisere der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat ihre wesentliche Ursache keineswegs in explosionsartig steigenden Arzneimittelkosten. Stark angestiegen sind allerdings die Ausgaben für Rentner.

Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Berliner Wiso-Instituts, das im Auftrag des AOK-Bundesverbands die Finanzentwicklung der GKV zwischen 1950 und 2000 analysierte. Zu der umfassenden Analyse über 50 Jahre GKV-Ausgaben trugen die Autoren der Studie, Berlins Ex-Gesundheitssenator Ulf Fink und der ehemalige Chefökonom des Bundesarbeitsministeriums, Dr. Hermann Berié, Datenmaterial zusammen, das nach ihren Angaben in der Tiefe und Breite bisher nicht zur Verfügung stand. Dabei griffen sie auch auf bislang unveröffentlichtem Material aus dem Bundesministerium für Gesundheit zurück.

Von einem Einnahmeproblem der GKV, so die Gutachter, könne in den letzten 50 Jahren keine Rede sein. 1950 lag der Beitragssatz zur GKV bei durchschnittlich 4,7 Prozent (ohne Lohnfortzahlung für kranke Arbeiter) und stieg bis ins Jahr 2000 auf 13,6 Prozent. Er hat sich damit verdreifacht. Parallel dazu verdreifachte sich im selben Zeitraum auch der Anteil der GKV-Ausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP): Er stieg von 2 auf 6,3 Prozent. Beitragssätze und Ausgaben entwickelten sich also parallel im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Die viel zitierte Kostenexplosion gibt es demnach nicht – vor allem nicht in den letzten 20 Jahren. Berié: „Wir haben die untersuchten 50 Jahre in zwei Perioden unterteilt. Von 1950 bis 1980 stieg der Beitragssatz von 4,7 auf 11,4 Prozent, also auf das Zweieinhalbfache. Von 1980 bis 2000 nur noch um ein Fünftel von 11,4 auf 13,6 Prozent. Das kann man wohl nicht Kostenexplosion nennen.“

Zur Berechnung der für die Beitragsbemessung wichtigen Lohnquote, das ist der Anteil der Einkünfte aus nicht-selbstständiger Arbeit am Volkseinkommen, analysierten die Autoren die Entwicklung in Gesamtdeutschland. Ihr Ergebnis. In den letzten 30 Jahren lässt sich keine sinkende Tendenz feststellen. Die Lohnquote liegt konstant zwischen 72,20 und 72,30 Prozent. Von einer Erosion der Löhne als Basis zur Finanzierung des Sozialsystems könne man demzufolge auch nicht reden.

Überraschung

Selbst überrascht zeigten sich die Autoren über das Ausmaß des eigentlichen Problems der GKV: Die Kosten für die Krankenversicherung der Rentner steigen weitaus stärker als die von Rentner bezahlten Beiträge. 1950 betrug der Anteil, der von Rentnern verursachten GKV-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt noch 0,27 Prozent. Jetzt beträgt er 2,8 Prozent und hat sich damit mehr als verzehnfacht. Die Einnahmen aus Zahlungen der Rentner folgten den Ausgaben keineswegs. Während in den 60er Jahren noch 90 Prozent der Ausgaben für Rentner durch entsprechende Einnahmen gedeckt wurden, hat sich dieser Anteil auf knapp über 75 Prozent in den 70er Jahren und knapp über 40 Prozent in den 90er Jahren verringert.

In absoluten Zahlen heißt das: Im Jahr 2000 mussten erwerbstätige Krankenversicherte die Rentner mit 62 Milliarden DM subventionieren. 1980 reichten ganze 15 Milliarden. Dieses Geld konnte nur deshalb aufgebracht werden, weil die erwerbstätig Krankenversicherten im Jahr 2000 rund 50 Prozent mehr in den GKV einbezahlten als sie an Ausgaben verursachten.

Fink sieht dringenden Handlungsbedarf, will allerdings den sozialen Konsens nicht in Frage stellen: „Wir sind selbst überrascht über die Dramatik des Rentnerproblems. Einen möglichen Ansatz, langfristig wieder ins Lot zu kommen, sehe ich vor allem in schnellen und konsequenten Programmen zur Prävention. Leistungskürzungen für Rentner halte ich für nicht vertretbar.“ Top

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