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Wie Zug und Schiene

03.09.2001  00:00 Uhr

ARZNEIMITTELPASS

Wie Zug und Schiene

von Claus Werner Brill und Frank Diener, Eschborn

Am 23. August 2001 führte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt mit der Führungsspitze der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der ABDA ein Gespräch darüber, wie Arzneimittelsicherheit in Deutschland nachhaltig verbessert werden kann. Im Ergebnis verständigten sich die Beteiligten auf die schnellstmögliche Einführung eines elektronischen "Arzneimittelpasses" für die Versicherten. Eine Ad-hoc-Kommission ist beauftragt, Details zur Umsetzung zügig auszuarbeiten.

Nach mehrjähriger Diskussion haben sich nun erstmals das Gesundheitsministerium sowie die Spitzenorganisationen der Ärzte und Apotheker auf eine gemeinsame Lösung zum elektronischen Arzneimittelpass verständigt. Der Verband der Privaten Krankenversicherung, Industrieverbände, ebenso wie der VdK als größter Sozialverband Deutschlands, haben diese Konzeption begrüßt. Von den Medien ist das als geradezu historischer politischer Durchbruch wahrgenommen worden und erklärt auch das enorme Echo. Dennoch ist die Resonanz nicht einhellig positiv. Es gibt auch Gegenstimmen, insbesondere seitens der gesetzlichen Krankenkassen und der Datenschützer. Einige Klarstellungen sind zur Versachlichung der Diskussion dringend nötig.

Welche persönlichen Daten sollen auf dem Pass stehen?

Das wird noch im Detail festgelegt werden. Sinnvollerweise sollte auf einem elektronischen Arzneimittelpass die Gesamtmedikation des Patienten (ärztliche Verordnungen und Selbstmedikation) für einen bestimmten Zeitraum dokumentiert sein. Des weiteren sind Patientenmerkmale wie Allergien oder Schwangerschaft, wichtig.

Wie kann der Pass beim Arzt und Apotheker genutzt werden?

Über ein Kartenlesegerät werden die persönlichen Daten des Patienten am Bildschirm des Arztes oder Apothekers dargestellt. Sie werden mit den Fachdaten der Arzneimitteldatenbank verknüpft. Interaktionen, Arzneimittelallergien, Kontraindikationen, alters- oder geschlechts-atypische Medikationen werden am Bildschirm automatisiert als Treffer angezeigt und müssen vom Heilberufler berücksichtigt werden.

Wie steht es um die Datensicherheit?

Die sensiblen Gesundheitsdaten des Patienten bleiben mit der Chipkarte in seiner Hand. Damit wird die Just-in-time-Nutzung dieser Daten gewährleistet: Die Daten kommen und gehen mit dem Patienten. Nur der Arzt oder Apotheker, dem der Patient die Karte aushändigt, kann sie lesen. Lesbar sind die Daten nur in Verbindung mit einem speziellen Arzt- oder Apothekerausweis. Selbst wenn der Patient die Karte verlieren sollte, bleiben seine Daten also vor unbefugten Zugriffen geschützt. Dieses Zwei-Schlüssel-Prinzip bietet ein Maximum an Datensicherheit.

Sind Arzneimittelpass und elektronisches Rezept Gegensätze?

Die gesetzlichen Krankenkassen bezeichnen das elektronische Rezept als Alternative zum elektronischen Arzneimittelpass. Diese Entweder-oder-Position ist jedoch bloße Irreführung. Arzneimittelpass und elektronisches Rezept gehören zusammen wie Zug und Schiene. Warum? Das E-Rezept organisiert lediglich den digitalen Transfer der ärztlichen Verordnungen von der Arztpraxis über die Apotheke bis zur Krankenkasse, während der Arzneimittelpass die relevante Gesamtmedikation des Patienten speichert und in Verbindung mit der ABDA-Datenbank individuelle Arzneimittelrisiken entdeckt.

Aus unserer Kosten-Nutzen-Analyse wissen wir, dass Arzneimittelpass und E-Rezept erst im Verbund die hohen Investitionskosten einer Telematikplattform zur Amortisation bringen. Wenn beides zusammen auf einer Versicherten-Smartcard eingeführt wird, ist mit jährlichen Einsparungen von 1 Milliarde DM zu rechnen.

Wäre der "zentrale Gesundheitsserver" eine Alternative?

Die gesetzlichen Krankenkassen wollen anstelle einer Smartcard in Patientenhand einen zentralen Gesundheitsdatenserver, auf dem die persönlichen Gesundheitsdaten des Patienten gespeichert werden. Diesen Datenpool wollen sie für ihr Versorgungsmanagement nutzen. Dies lehnt der Bundesdatenschutzbeauftragte kategorisch ab, und dabei hat er die volle Unterstützung der Apothekerschaft.

Mit der Smartcard kann der Heilberufler die persönlichen Daten des Patienten berücksichtigen, obwohl sie stets beim Patienten verbleiben. Die Smartcard ist daher aus Sicht des Datenschutzes die überlegene Alternative zum zentralen Gesundheitsdatenserver. Auch technologisch könnte ein zentraler Gesundheitsserver nicht ohne eine neue Krankenversichertenkarte betrieben werden. Anders gesagt: Der Arzneimittelpass auf einer Versichertenchipkarte kommt ohne zentralen Gesundheitsdatenserver aus, doch ein Zentralserver nicht ohne eine neue Generation der Krankenversichertenkarte.

Pflichtpass oder freiwillige Lösung?

Was die Frage "Pflicht oder Freiwilligkeit" beim Arzneimittelpass anbelangt, so hat Staatssekretär Claus Theo Schröder die griffige Lösungsformel "Pflichtkarte mit Ablehnungsmöglichkeit" ins Spiel gebracht. Damit können die Bedenken des Datenschutzes ausgeräumt werden. Wir tragen das mit.

Arzneimittelpass und E-Rezept gehören zusammen. Doch nur auf einer Smartcard sind sie wirklich sicher! Top

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