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Entwurf liegt auf dem Tisch

11.08.2003  00:00 Uhr
Gesundheitsreform

Entwurf liegt auf dem Tisch

von Thomas Bellartz, Berlin

Zwei Wochen vor dem abschließenden Treffen der Verhandlungskommission von Regierung und Opposition am 21. August 2003 liegt seit Montag nun der erste Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform vor. Das 430 Seiten umfassende Werk basiert auf dem Konsenspapier.

Mehrbesitz, Versandhandel, Einzelverträge und ein neues Preismodell – in mehreren zentralen Punkten sind die deutschen Apotheken von der Gesundheitsreform erheblich betroffen. Nach dem vorliegenden Entwurf, der noch nicht mit der Leitung des Ministeriums abgestimmt ist, und zunächst als eine Art Testballon dient, werden sich Apotheken ab dem nächsten Jahr mit dem Versandhandel mit Arzneimitteln und dem eingeschränkten Mehrbesitz auseinandersetzen müssen. Dies hatte sich bereits nach Abschluss der Verhandlungsrunden zwischen Rot-Grün und Union sowie den Liberalen abgezeichnet.

Nach jüngsten PZ-Informationen war weder der Union noch der FDP bei den Verhandlungen eine Option geblieben, um den Versandhandel und den eingeschränkten Mehrbesitz zu verhindern. Nachdem Juristen aus mehreren Ministerien verschiedene Fragestellungen abgeklopft hatten, war klar, dass weder der Versandhandel mit Arzneimitteln noch der Mehrbesitz – und auch nicht der unbeschränkte – Bundesrats-zustimmungspflichtig gewesen wären. Lediglich der Fremdbesitz ist zustimmungspflichtig durch die Länderkammer.

Dies bedeutet, dass sich Union und FDP aus eigener Perspektive mit der SPD und den Grünen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt hatten. Während die Opposition dafür zum Teil heftige Kritik von Apothekerinnen und Apotheker auf sich gezogen hatte, machten die Äußerungen insbesondere aus den Reihen der Grünen deutlich, dass die Regierung ganz andere, weiter reichende Modelle geplant hatte.

Maximal vier

Während der GMG-Entwurf von Rot-Grün vom Juni noch einen unbeschränkten Mehrbesitz ermöglichen sollte, kann ein Apotheker nach dem vorliegenden Entwurf ab 1. Januar 2004 maximal vier Apotheken sein Eigen nennen. Auch wenn die Änderung immer noch den Markt auf nicht abschätzbare Art und Weise verändern wird, ist dies wohl positiver zu bewerten, als das Vorhaben von Rot-Grün, die eine komplette Freigabe anstrebten.

Unterschieden wird beim Mehrbesitz zwischen dem Leiter und Betreiber einer Apotheke, zwischen einer Hauptapotheke und bis zu drei Filialen. Damit definiert der Gesetzgeber eine klare Abhängigkeit der Filialen zur Hauptapotheke. Mit den ominösen „Nebenstellen“ sind vollwertige Apotheken gemeint. Diese Absicht des Ministeriums hatte die PZ bereits in Ausgabe 31/03 berichtet. Die „Beeinflussung durch Dritte“, also beispielsweise durch finanzstarke Kapitalgeber, soll vermieden werden, vermerkt der Entwurf ausdrücklich.

Die klar definierte Abhängigkeit zur Hauptapotheke und die räumliche Beschränkung der vier Apotheken auf einen Kreis und die angrenzenden Kreise soll klar machen, dass der Apothekenbetreiber direkte Verantwortung für alle vier Apotheken tragen soll. Dies ist ähnlich der Regelung bei krankenhausversorgenden Apotheken zu sehen. Sollte eine marktbeherrschende Stellung eintreten, dann gilt das einschlägige Wettbewerbsrecht. Die zahlenmäßige, geografische und auf den Mehrbesitz ausgerichtete Eingrenzung sei gerechtfertigt, weil es keine verlässlichen Erfahrungen gebe. Und die seien im Hinblick auf Verbraucherschutz, Arzneimittelsicherheit und die Versorgungssicherheit nötig, heißt es im Entwurf.

Eine Umgehung des Fremdbesitzverbotes will man unmöglich machen. Deswegen unterliege der Betreiber in jedem Fall den Vorschriften, die das Apothekenrecht für Apothekenleiter vorsehe. So dürfe er, wenn er eine Apotheke führt, keiner weiteren Tätigkeit nachgehen.

Signal gegen Fremdbesitz

Der Entwurf will mit dieser engmaschigen Regelung ein klares Signal gegen den Fremdbesitz setzen. Denn am Montag hatten nach Bekanntwerden des Entwurfs erneut Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und DGB-Chef Michael Sommer Änderungen beim Arzneimittelvertrieb gefordert. In einer gemeinsamen Erklärung sprachen sie sich für eine stärkere Liberalisierung des Arzneimittelmarktes aus, verlangten die vollständige Freigabe von Mehr- und Fremdbesitz. Hintergrund ist, dass die Apotheken als Arbeitgeber nicht Mitglied in Hundts Verband, und die Angestellten keine Gewerkschaftsmitglieder bei ver.di und damit nicht beim DGB sind.

In Zukunft wird der Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland zugelassen. Für die Apotheke, die einen Versandhandel betreibt und ihren Sitz in Deutschland haben gilt das Fremdbesitzverbot, das insgesamt bestehen bleibt, ohnehin. Eine Vielzahl von Auflagen soll sicher stellen, dass Versandapotheken den gleichen Standard einhalten wie deutsche Apotheken. Der Kontrahierungszwang gilt für Versandhändler ebenso wie für Offizinapotheken. Zudem dürfen zwischen Bestellung durch einen Patienten und Versendung maximal zwei Tage liegen. Allerdings klärt dies nicht, wann das Päckchen beim Empfänger ankommt. Um Versendern den schnellen Marktzugang zu ermöglichen, soll eine Erlaubniserteilung faktisch spätestens drei Monate nach Antragstellung erfolgen.

Entgegen vielfältiger Befürchtungen wird es auch nach dem vorliegenden Entwurf den Kassen nicht ermöglicht, in jedem Fall mit jeder Apotheke Einzelverträge abzuschließen. Einzelverträge werden nur in der integrierten Versorgung möglich sein. Bei dieser Versorgungsform sind allerdings auch die Versandapotheken mit im Boot. Bei den Vertragsmöglichkeiten handelt es sich im Übrigen um Kann-Bestimmungen. Das bedeutet eine wesentliche Entschärfung zum Gesetzentwurf, den Rot-Grün in einem ersten Anlauf vorgelegt hatten. Ein Knackpunkt ist aus Sicht der Apothekerschaft sicherlich die ambulante Versorgung durch Krankenhausapotheken.

Keine Preisverhandlungen

Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel werden aus der Erstattungsfähigkeit herausfallen, ausgenommen sind lediglich Arzneimittel für Kinder bis 12 Jahre. Zehn bis zwölf Indikationen sollen noch auf Stoffbasis festgelegt werden; allerdings erst bis zum 1. April 2004. Preisverhandlungen, wie im alten GMG-Entwurf vorgesehen, wird es zwischen Kassen und Apotheken in diesem Segment nicht geben, der Rabatt wird wieder von 6 auf 5 Prozent abgesenkt.

Der pharmazeutische Großhandel wird vom Gesetzentwurf erheblich getroffen. Seine Spanne wird um die Hälfte gekürzt. Das wird sich ab Jahresbeginn im Rabattwettbewerb widerspiegeln.

Die Preisspannenverordnung wird erheblich verändert. Der Festzuschlag wird auf 8,10 Euro zuzüglich 3 Prozent vom Apothekeneinkaufspreis festgelegt. Das ist deutlich mehr als noch im GMG im Juni vorgesehen war. Der Rabatt beträgt zwei Euro. Diese Lösung war bereits im Konsenspapier so.

Erfreuliche Veränderungen gibt es bei der Nachttaxe und den Rezepturaufschlägen. Die Nachttaxe soll von 1,53 Euro auf 2,50 Euro angehoben werden, für Rezepturen können zukünftig 2,50 (statt 1,53) Euro, 5,00 (3,07) Euro und 7,00 (4,60) Euro genommen werden.

Es ist damit zu rechnen, dass es in den kommenden Wochen bis zur ersten Lesung im Deutschen Bundestag am 11. September noch Änderungen geben wird. Möglich machen dies die Verhandlungen zwischen den Vertretern der Fraktionen, aber auch den Abgesandten der SPD- wie auch Unions-regierten Bundesländer. Die Fraktionen selbst werden ausführlich im Vorfeld der ersten Lesung über die Details der Gesundheitsreform beraten. In jedem Fall hat die Politik auch nach dem 21. August weitere drei Wochen Zeit, um den Entwurf zu diskutieren und möglicherweise einen neuen Anstrich zu verpassen.

Das weiß man auch bei der ABDA in Berlin. Präsident Hans-Günter Friese hatte bereits in der vergangenen Woche bei einer Pressekonferenz deutlich gemacht, dass man auch weiterhin bei der Ausgestaltung des Gesetzes mitmachen will. Im Zentrum stehen hierbei neben den Kriterien für den Versandhandel sicherlich auch die Teile, die sich mit dem Preismodell, dem Mehrbesitz an Apotheken und den Einzelverträgen befassen.

Friese unterzeichnete am Dienstag hunderte Briefe, die er nicht nur an die Bundestagsabgeordneten verschickte, sondern auch an die Ministerpräsidenten der Bundesländer, die das letzte Wort im Bundesrat sprechen werden.

Viele Kammern und Verbände, aber auch Apothekerinnen und Apotheker haben in den letzten Tagen Briefe, E-Mails und Faxe an Abgeordnete, Minister und Vertreter der regionalen wie lokalen Politik geschrieben, um auf die dramatischen Auswirkungen des Gesetzes aufmerksam zu machen. Top

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