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Niedergelassene Ärzte fühlen sich von Fischer überrumpelt

19.07.1999  00:00 Uhr

-PolitikGovi-Verlag

PATIENTENDATEN

Niedergelassene Ärzte fühlen sich von Fischer überrumpelt

von Dieter Schütz, Bonn

Ärzte und Krankenhäuser müssen vom 1. Januar 2000 an ihre Diagnosen mit Hilfe des umstrittenen ICD-10-Codes verschlüsseln. Das Bundesgesundheitsministerium hat mit der überraschenden Veröffentlichung des ICD-10-Codes im Bundesanzeiger am 8. Juli dafür gesorgt, daß die Diagnoseverschlüsselung zum Jahresanfang in Kraft treten kann. Bei Ärzte-Organisationen löste das Vorgehen des Ministeriums scharfe Proteste aus.

Für Hausärzte sieht das neue Verfahren vor, daß rund 3000 Patientendiagnosen mit Ziffern für die Abrechnungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung verschlüsselt werden können. Nach Darstellung des Ministeriums sind sowohl die Rentenversicherung als auch das Statistische Bundesamt auf ICD-verschlüsselte Daten aus dem Gesundheitswesen angewiesen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) kritisierte die Entscheidung des Ministeriums als "unfreundlichen Alleingang". Die Veröffentlichung im Bundesanzeiger sei ohne jede Absprache mit der KBV erfolgt, erklärte der zweite Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Eckhard Weisner. Damit sei die bislang gemeinsam geführte Diskussion zum weiteren Vorgehen in der Diagnoseverschlüsselung von Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer einseitig aufgekündigt worden. Es sei verblüffend, daß ausgerechnet eine grüne Gesundheitsministerin den Weg zum "gläsernen Patienten" ohne Rücksicht auf die noch anstehenden parlamentarischen Beratungen über die Gesundheitsreform 2000 vollende.

Nach Weisners Darstellung zeigt der Alleingang des Ministeriums, daß sich Patienten und Ärzte auf eine Zeit maximaler bürokratischer Belastung einstellen müßten.

Auch der NAV-Virchowbund, Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands, sieht in dem Vorgehen der Ministerin "einen weiteren Schritt zur totalen Überwachung des Patienten". Die Überrumpelung der niedergelassenen Ärzte mache deutlich, was von der vielbeschworenen Dialogbereitschaft der Ministerin zu halten sei, erklärte der Bundesvorsitzende des Verbandes, Dr. Maximilian Zollner.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Joachim Jacob kritisierte den Alleingang des Ministeriums. "Dieses Vorgehen hat mich außerordentlich überrascht", sagte Jacob der "Pharmazeutischen Zeitung". Der Datenschutzbeauftragte warf dem Bundesgesundheitsministerium unzureichende Kooperation vor.

Seine Behörde sei vom Ministerium nicht darüber informiert worden, daß die neue Diagnose-Verschlüsselung für Ärzte und Krankenhäuser im Bundesanzeiger veröffentlicht wird und damit bereits zum Jahresbeginn 2000 in Kraft tritt. Jacob hat das Bundesgesundheitsministerium nun aufgefordert, ihm eine aktuelle Fassung der ICD-10 zur Verfügung zu stellen, "damit wir prüfen können, ob unsere bisherigen datenschutzrechtlichen Bedenken aufgegriffen wurden".Top

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