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Qualität richtet sich nach Wohnort

14.06.2004  00:00 Uhr
GEK-Arzneimittelreport

Qualität richtet sich nach Wohnort

Conny Becker, Berlin

Same procedure as last year – der jährliche GEK-Arzneimittelreport: Im Auftrag der Gmünder Ersatzkasse (GEK) durfte Professor Dr. Gerd Glaeske bereits zum vierten Mal die Arzneimittelversorgung in Deutschland kritisieren – natürlich mit einem Seitenhieb auf seinen Lieblingsgegner, den niedergelassenen Apotheker. Für 2003 deckte er regionale Unterschiede bei den Verordnungen auf.

Gesundheitsforscher Glaeske macht sein Zahlenwerk selbstsicher. Konnte er doch erneut belegen, dass es Mängel im Verordnungsverhalten der Ärzte gibt und sich schon deswegen die von ihm geleitete Studie an der Bremer Universität lohnt. Das berechnete Einsparpotenzial der GEK, das auf alle Gesetzlichen Krankenversicherer übertragen werden könne beläuft sich aber nur noch auf 0,3 Beitragssatzpunkte (gegenüber 0,4 in den Vorjahren).

Grund dafür könnte sein, dass nur noch jede elfte Verordnung im Jahr 2003 die eines „umstrittenen Arzneimittels“ war und nicht mehr jede achte wie noch in 2002. Zu dieser Gruppe zählt Glaeske neben Ginkgo-Präparaten zur Durchblutungsförderung und Kapseln mit Mariendistelfrüchteextrakt bei Leberbeschwerden auch α-Liponsäure bei Diabetikerneuropathien. „Es wirkt nicht. Es ist überhaupt nichts belegt“, kritisiert der Pharmazeut die Präparate. Zwar nicht ohne therapeutischen Nutzen, dennoch unnötig, da zu teuer, seien darüber hinaus Me-too-Präparate mit Levocetrizin, Desloratadin oder Esomeprazol. Denn für die entsprechenden Vorgängersubstanzen gibt es bereits Generika, mit denen immense Einsparungen erzielt werden könnten. Auch 2003 sei „wieder zu teuer verordnet“ worden, was daran zu erkennen sei, dass die GEK-Ausgaben für Arzneimittel mehr als fünfmal stärker stiegen als die Zahl der verordneten Packungen.

„Die Verordnung von Arzneimitteln ist erheblich beeinflusst durch die Besuche von Pharmareferenten“, monierte Glaeske. Pharmazeutische Hersteller wenden seinen Angaben zufolge etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr für rund 25 Millionen Praxisbesuche auf, die häufig den Präparatenamen auf dem Rezept beeinflussen. Die Kritik richtete sich aber auch an die Mediziner, die solchen Werbestrategien aufsitzen.
 

Regional unterschiedlich

Auffällig am Report sei, „wie massiv die regionalen Unterschiede bei den Verordnungen“ waren. Während im Bundesdurchschnitt 7,4 Arzneimittelpackungen auf einen GEK-Versicherten entfielen, erhielten Patienten aus dem Bereich der KV Nordbaden mit 9,4 Packungen etwa 26 Prozent mehr Arzneimittel. Dagegen wurden den Bewohnern der neuen Bundesländer nur 5,5 bis 6,5 Packungen verschrieben. Betrachtet man die umstrittenen Therapien, so liegen nur die Regionen Nordbaden und Bayern über dem Bundesdurchschnitt und dies mit über 100 beziehungsweise 50 Prozent allzu deutlich.

Warum in diesen Regionen solche Unterschiede bestehen? „An dieser Stelle muss ich mit den Daten passen, hier sind wir auf Vermutungen angewiesen“, bedauerte Glaeske, der eine Pharmakologieberatung der betroffenen Ärzte vorschlug.
 

Lob für OTC-Regelung

Die ersten Monate nach dem GKV-Modernisierungsgesetz beurteilt Glaeske positiv, da bei den nicht rezeptpflichtigen Arzneimitteln die Verschreibungen von umstrittenen Gallen-, Leber- oder Venenmitteln um fast 70 Prozent zurückgegangen sind. Die weitestgehende Ausgrenzung von OTC-Präparaten aus der Erstattungsfähigkeit liegt somit ganz auf seiner Linie. „Unerwünscht“ sei jedoch etwa die Empfehlung der Firma Rationpharm, Paracetamol durch Metamizol zu ersetzen, da dies in jedem Fall erstattungsfähig sei (was Paracetamol jedoch auch sein könne). Schlecht aufgeklärte Ärzte seien tatsächlich auf das umstrittene, da stark mit Nebenwirkungen behaftete Schmerzmittel umgestiegen.

Aus den neuen Regelungen würden neben den Herstellern häufig auch Apotheker Profit ziehen, unterstellte Glaeske seinen Kollegen. Diese würden Patienten mit einem Rezept über ein nicht verschreibungspflichtiges Präparat raten, dies selbst zu bezahlen, um dem Arzt Schwierigkeiten zu ersparen, und das Rezept zusätzlich bei der Kasse abrechnen. „Das passt gut zu den Meldungen der letzten Tage“, sagte Glaeske mit Blick auf die Anschuldigungen des Magazins „Der Spiegel“, die weder vom BKK-Bundesvorstand noch vom Gesundheitsministerium bestätigt werden konnten. Auf Nachfrage musste Glaeske eingestehen, dass er auch an dieser Stelle mit harten Daten passen muss. Als Quelle konnte er lediglich „Apothekenmitarbeiter aus seinem Bekanntenkreis“ nennen und stufte die Fälle als „ähnlich fehlgeleitete Einzelfälle“ ein wie die schwarzen Schafe im Spiegel-Bericht. /

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