Politik
"Als untaugliche
Vorschläge zur Absenkung der Arzneimittelkosten" in
Deutschland bewertete der Vorstandsvorsitzende der Gehe
AG, Dieter Kämmerer, sowohl den Versandhandel für
Arzneimittel, die verstärkte Abgabe von
Importarzneimitteln als auch die Zulassung von Mehr- und
Fremdbesitz für Apotheken am 11. Juni 1997 vor der
Hauptversammlung seiner Gesellschaft in Stuttgart.
Diese von der GKV in der Kostenbegrenzungsdiskussion
immer wieder hochgespielten Vorschläge würden sowohl
die Apotheken als auch den Pharmagroßhandel tangieren.
Daher ginge der Gehe Pharmahandel auch gegen die nicht zu
Ende gedachten Konzepte in enger Abstimmung mit seinen
Apothekenkunden vor. So etwa in der Vergangenheit bei den
Parallelimporten, die trotz allen Pushens nach wie vor
eine "unbedeutende Randerscheinung des
Arzneimittelmarktes" bleiben.
Das Vorbild USA in Sachen Versandhandel liege schon
deswegen schief, weil dort ganz andere Umfeldbedingungen
vorherrschten und die Gesundheitsausgaben in Prozent des
Bruttoinlandsprodukts die mit Abstand höchsten unter den
Industrienationen seien. 1995 betrugen sie dort 14
Prozent, in Deutschland 9,5 und in Großbritannien 8
Prozent. In den USA gäbe es zudem keine
Preisüberwachung im Arzneimittelmarkt durch
gesetzgeberische oder administrative Maßnahmen. Die von
den Arzneimittelversendern dort erzielten Einsparungen
würden aufgrund von individuellen Preisverhandlungen mit
den Herstellern und nicht aufgrund einer billigeren Form
der Distribution erzielt. Die europäischen Systeme
gäben dazu keinen Spielraum mehr her. Gründe der
Arzneimittelsicherheit, des Gesundheitsschutzes sowie der
Verschreibungs- und Apothekenpflicht hätten im übrigen
die Europäische Union veranlaßt, in zwei bald in Kraft
tretenden Richtlinien das Versandhandelsverbot für
Arzneimittel durch Mitgliedsstaaten für zulässig zu
erklären. Dies deute darauf hin, "daß das in fast
allen EU-Staaten geltende Verbot für den Versandhandel
mit Arzneimitteln auch weiterbestehen wird, was uns als
Großhändler ebenso mit Genugtuung erfüllt wie unsere
Kunden", sagte Kämmerer.
Zum Mehrbesitz von Apotheken: Ins Gerede gekommen ist
Gehe in Apothekerkreisen jetzt vor allem wegen einer
Satzungsänderung, die übrigens von den Aktionären mit
großer Mehrheit beschlossen wurde. Danach ist Gegenstand
des Unternehmens unter anderem "der Groß- und
Einzelhandel mit Pharmazeutischen Erzeugnissen, Drogen,
Chemikalien und allen Waren, die in Apotheken, Drogerien,
Parfümerien und ähnlichen Geschäften verkauft
werden..." Wie Kämmerer darlegte, bezog sich diese
Satzungsänderung lediglich auf den Erwerb der
Apothekenketten von AAH und Lloyds in Großbritannien.
Gehe gäbe dem Apothekerstand in Deutschland auch unter
wirtschaftlichem Aspekt volle Unterstützung bei der
Verteidigung des Mehrbesitzverbots gegen Angriffe der
GKV. Deren Behauptung, Apothekenketten würden für mehr
Wettbewerb sorgen und zu einer Senkung der
Distributionskosten führen, sei für ihn nicht
nachvollziehbar. In den meisten europäischen Staaten sei
Mehrbesitz gemäß dem nationalen Recht nicht erlaubt.
Und nach den Erfahrungen Gehes in Großbritannien spare
der National-Health-Service (NHS) keinen Pfennig Geld in
Abhängigkeit davon, ob das Rezept von einem freien
Apotheker oder in einer Kettenapotheke eingelöst wurde.
Eine Übertragung des Systems auf Deutschland würde
kostenmäßig "rein gar nichts bringen". Somit
bestehe daran auch kein öffentliches Interesse.
Das Engagement der beiden größten Pharmagroßhändler
in Großbritannien in Apotheken wertete Kämmerer als
zunächst einen Akt der Selbstverteidigung und
"mittlerweile auch als eine wirtschaftlich reizvolle
Form der vertikalen Intetration". Dies werde von den
rund 65 bis 70 Prozent der unabhängigen Betrieben der
insgesamt rund 12000 Apotheken nicht nur akzeptiert,
"sondern auch als eine angenehme
Auffangposition" empfunden für den Fall, daß ein
Unabhängiger seine Apotheke nicht mehr führen könne
oder wolle.
Einen weiteren Bericht über die Hauptversammlung findne
Sie im Ressort
Wirtschaft und Handel.
PZ-Artikel von Erdmuthe Arnold, Stuttgart
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