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Selbstmedikation für alle – packen wir's an

22.05.2000  00:00 Uhr

- Politik Govi-Verlag

Selbstmedikation für alle –
packen wir's an

von Gisela Stieve, Helsinki

Selbstmedikation kann nur effektiv und sicher sein, wenn Apotheker gut aus- und fortgebildet sind und wenn Verbraucher Zugang zu den notwendigen seriösen Informationen haben. Apotheker sind jedenfalls für die finnische Sozialministerin Maija Perho dafür verantwortlich, dass Kunden, wenn nötig, einen Arzt aufsuchen.

Das erklärte die Ministerin des Gastgeberlandes zur Eröffnung der 36. Jahresversammlung der europäischen Selbstmedikationshersteller, zu der Ende vergangener Woche die Vertreter aus 30 Mitgliedsorganisationen nach Helsinki kamen. Motto der Tagung: "Self-Medication for All – Making it Happen".

Dank der Selbstmedikation und der fachmännischen Beratung in den Apotheken könnten sich Ärzte in ihrer Arbeitszeit ernsten Fällen zuwenden, sagte die Sozialministerin von Finnland, einem Land, in dem Wartelisten für Operationen und lange Anmeldefristen für Sprechstundentermine eine Selbstverständlichkeit sind.

Modellhaft erschien vielen Besuchern, dass in finnischen Apotheken nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Freiwahl präsentiert werden. Der Kunde kann die Medikamente nach Indikationen, Inhaltsstoffen und Preisen vergleichen, wobei immer ein Apotheker zum beratenden Gespräch vor den Handverkaufs- und Beratungstischen bereit ist. Um die Arzneimittelsicherheit nicht zu gefährden, besteht die finnische Sozialministerin darauf, dass der Verkauf von OTC-Produkten auch in Zukunft an die Apotheken des Landes gebunden sein muss.

Wer verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Apotheke holen will, steuert mit seinem Rezept einen von mehreren Beratungsplätzen an, um hier in Ruhe und abgeschirmt vom Nachbarplatz mit dem Apotheker zum Beispiel über den Einnahmemodus oder mögliche Nebenwirkungen sprechen zu können (siehe auch unsere Reportage in PZ 18, Seite 21). Für die Abgabe eines rezeptpflichtigen Arzneimittels nehmen sich Apotheker und Patient Zeit.

Theorie der Traumgesellschaft

Von der Theorie einer Traumgesellschaft berichtete Rolf Jensen vom Institut für Zukunftsforschung in Kopenhagen. Die Industrie müsse emotionale Marktprofile entwickeln, um in Zukunft Erfolg zu haben (siehe auch Editorial in dieser Ausgabe). In den Chefetagen großer Markenartikler würden bald keine Ökonomen und Strategen, sondern Geschichtenerzähler sitzen. Stand der Marlboro-Mann bis vor kurzem noch für Zigaretten und das harte Leben in der Prärie, wirbt er heute für Abenteuerreisen und bald vielleicht auch dafür: "Ich habe mir das Rauchen abgewöhnt und kaufe mir jetzt Möbel im Country-House-Stil".

Für Selbstmedikationshersteller ist nach Jensens Worten auch die Kooperation mit einem Hersteller für Wander- und Sportartikel möglich, nach dem Motto: Wenn der Berg ruft, gehört die XY-Salbe in den Rucksack. Ein vielfältiges Kommunikationsgeflecht zwischen den direkten Marktbeteiligten, aber auch mit artfremden Branchen müsse entstehen.

Kommunikative Gesundheitsprofis

Die Gesundheitsprofis – das sind nach Meinung zahlreicher Referenten Industrie, Ärzte und Apotheker – müssen die Sprache der Patienten sprechen. Der Mehrwert, den sie Verbrauchern und Patienten geben können, heißt: Informationen managen und die Menschen vor einer Informationsüberlastung schützen, die Qualität der Informationen bewerten und interpretieren, Defiziten ergänzen und den Patienten die Gewissheit geben, dass sie immer für sie da sind.

Für mehr und intensivere Kommunikation mit zum Teil gut aufgeklärten und gebildeten Verbrauchern müssen Branchen- und Berufsverbände geeignete Aus- und Fortbildungsprogramme anbieten. Bislang leisten das zum Beispiel die Curricula der Apotheker in keinem Land der Europäischen Union zur vollen Zufriedenheit. Von Fortbildungsangeboten der Apothekerorganisationen auf diesem Gebiet berichtete der Niederländer Loek Arts vom Zusammenschluss der Apotheker in der Europäischen Union (ZAEU) aus . Hier könne auch das Internet von Bedeutung sein.

Widersprüchliches Verhalten der Verbraucher

Von einem Widerspruch im Verhalten der Verbrauchern berichtete Hans Mathias Kepplinger, Professor und Leiter des Instituts für Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Einerseits wollten die meisten Menschen alles über Wirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln wissen, andererseits merken sie sich keine Details. Dennoch sollten die Gesundheitsprofis den Wunsch der Menschen nach Eigenverantwortung unterstützen. Wenn ein Mensch in die Entscheidung für ein Medikament mit einbezogen werde, steigere dies die Compliance, so ein Umfrageergebnis von Kepplinger.

Internet im Gesundheitsmarkt

Das Internet wird im Gesundheitsmarkt vor allem in business-to-business-(B2B-)Beziehungen von Bedeutung sein. Eine Revolution erwartet sich Erkki Likkanen, Mitglied der Europäischen Kommission, jedoch nicht. Auch hält er die Formulierung von Leitlinien für den Umgang mit dem Internet nicht für notwendig. Patrick Deboyser, ebenfalls Mitglied der EU-Kommission, sieht Europa von einem gemeinsamen Binnenmarkt weit entfernt. Dennoch zeichne sich schon heute ab, dass die Selbstmedikation ein Teil der Lösung und nicht ein Teil des Problems sei. Wertgeprüfte Informationen und Vertrauensbildung durch Transparenz seien auch beim Einsatz des Internet unabdingbar. Der Kommissar begrüßte die Einbeziehung der osteuropäischen Länder in die Überlegungen der AESGP.

Hubertus Cranz, Generaldirektor der AESGP, zeigte sich in einem Gespräch am Ende der Tagung zufrieden, weil mehr Zeit für Diskussionen eingeplant war. Die Tagungsteilnehmer hätten bei der Besichtigung finnischer Apotheken mit den spezifischen Dienstleistungsangeboten sicherlich gute Anregungen erhalten. Mehr Gesundheit sei eben nicht ohne mehr Verantwortung des Einzelnen möglich, so Cranz. Top

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