Politik
Der Bundesverband der
Pharmazeutischen Industrie (BPI) sieht einen Übergang
von den Zuzahlungen auf Packungsgrößen auf eine
prozentuale Beteiligung der Patienten bei allen
Arzneimittelgruppen voraus. Der Geschäftsführer des
BPI-Geschäftsbereichs Wirtschafts-, Gesundheits- und
Sozialpolitik, Peter Dewein, begründete dies im
Presseseminar seines Verbandes am 14. Mai 1997
"Partnerschaft im Gesundheitswesen: Wie fallen die
Entscheidungen?" in Mayschoß nicht zuletzt mit der
dann besseren Transparenz als auch mit dem derzeit wenig
kalkulierbaren Patientenverhalten.
Betrachte man die Zuzahlungsregelungen der
letzten 30 Jahre, sei kein gewünschter Steuerungseffekt
festzustellen. Ihnen allen sei gemeinsam gewesen, daß
der Versicherte nicht über den Preis des Arzneimittels
und der damit in Anspruch genommenen Gesundheitsleistung
ausreichend informiert worden war. Ein wirtschaftlicher
Umgang mit Arzneimitteln setze aber Transparenz voraus.
Den Patienten werde derzeit auch nicht deutlich gemacht,
warum sie für eine Arzneimittelpackung, die 10 DM koste,
ebenso 9 DM zuzahlen müßten wie bei einer 200 DM teuren
Packung in der gleichen Zuzahlungsstufe.
Künftige Zuzahlungen werden sich nach Deweins Prognose
daher im Prozentsatz des Apothekenverkaufspreises
ausdrücken. Diese transparente und einfach umzusetzende
Regelung sei von den Versicherten, aber auch von den
Ärzten und in den Apotheken unmittelbar
nachzuvollziehen.
Zugleich warnte Dewein vor der Hoffnung, die
Arzneimittelausgaben der Krankenkassen würden mit der
erzwungenen Verordnungsänderung bei der Ärzteschaft
automatisch sinken. Eine vom BPI vorgenommene Analyse
über das Verordnungsverhalten 1996 zeige deutlich, daß
die Ärzte zwar weniger, dafür aber teurer verordnet
hätten. Diese Tendenz habe sich im ersten Quartal 1997
fortgesetzt. Bei weiterhin rückläufiger
Verordnungsmenge um 10,7 Prozent sei der Struktureffekt
mit 8,9 Prozent stark positiv.
Medizinisch-pharmazeutischen Beirat beim Bundesausschuß
bilden
Der Vorsitzende des BPI, Professor Dr. Hans
Rüdiger Vogel, forderte erneut die Bildung eines
medizinisch-pharmazeutischen Beirats beim Bundesausschuß
der Ärzte und Krankenkassen. Denn der entwickele sich
durch die Reformgesetze noch stärker zum eigentlichen
Entscheidungszentrum im Gesundheitswesen. Auf diese Weise
wäre bei anstehenden Entscheidungen ein undogmatischer
und partnerschaftlicher Umgang möglich, außerdem
könnten Konflikte und Auseinandersetzungen schon im
Vorfeld entschärft werden. Einem solchen Beirat sollten
Vertreter der Apothekerschaft, der pharmazeutischen
Industrie und der pharmazeutischen Wissenschaft
angehören.
Vogel übte zugleich Kritik an den Politikern. In der
dritten Stufe der Gesundheitsreform hätten sie selbst
den Partnerschaftsgedanken gefordert. "Vorfahrt für
die Selbstverwaltung" räumten die Reformgesetze
jedoch im wesentlichen den Krankenkassen und der
Ärzteschaft ein, die jetzt zu Lasten Dritter
Vereinbarungen treffen könnten.
Ein Gastreferent des BPI-Presseseminars war der neue
Vorsitzende des Bundesausschusses der Ärzte und
Krankenkassen, Karl Jung, der sich selbst als
"Ruhestandsbeamter" des
Bundesgesundheitsministeriums und
Bundesarbeitsministeriums titulierte. Jung gab seinen
Zuhörern eine gute Ahnung von der Behäbigkeit dieser
unter der Aufsicht des Bundesgesundheitsministeriums
arbeitenden 50 Jahre alten Institution. Die
ehrenamtlichen Mitglieder sind neun Ärzte und neun
Vertreter der Krankenkassen. Hinzu kommen drei
"unparteiische" Mitglieder. Jedes Mitglied hat
fünf Stellvertreter und kann zu jeder Sitzung zwei
Vertreter mitbringen. Behäbig machen auch die
zahlreichen gesetzlichen Regelungen, die Grundlage aller
Beschlußvorlagen sind. Sie werden seit der ab Januar
1997 angelaufenen 11. Amtsperiode von nunmehr 16
Arbeitsunterauschüssen (vorher waren es 25) und
zahlreichen weiteren Unterausschüssen erarbeitet.
Eine unzulängliche Handhabung bescheinigte Jung dem
großen Richtlinien-Katalog des Bundesausschusses plus
seiner Sonderrichtlinien. Viele Richtlinien seien seit
vielen Jahren unverändert. Möglichst kurzfristig
müßten nun neue Richtlinien erlassen werden, etwa zur
häuslichen Krankenpflege, um eine Abgrenzung zur
Pflegeversicherung zu schaffen. Arbeitsdruck bestehe
hinsichtlich der Rahmenempfehlungen zu Modellmaßnahmen.
Jung kündigte unter anderem eine Fortsetzung der Bildung
von Festbetragsgruppen an und meinte, daß sich der
Anteil von 64 Prozent noch steigern lasse. Die Arbeit
negativ zu bewertender Arzneimittel gehe gleichfalls
weiter, hier würden die Möglichkeiten des
Bundesausschusses nicht eingeengt. Die
Preisvergleichslisten sollen neu und effektiver aufgelegt
werden, um zeitnah informieren zu können. Hier sei
allerdings noch nicht geklärt, wie diese Arbeit
finanziert werden soll, zumal der Output der Bemühungen
(zum Beispiel bei onkologischen Präparaten) minimal sei.
Darüber hinaus werde die Ausschlußliste von Leistungen
den Bundesausschuß beschäftigen.
Für die vom BPI in der Veranstaltung begrüßten
Richtgrößen fand Jung kein gutes Wort, er sagte
vielmehr voraus, daß Politiker und Leistungserbringer
dann in drei Jahren vor dem gleichen Scherbenhaufen
stehen" wie derzeit mit der Budgetierung von
Arzneimitteln. Der Bürokratieaufwand werde schlicht zu
hoch. Auch der Vorschlag, die Patienten über die Kosten
ihrer Therapie zu informieren, sei nicht durchführbar.
Der Versand der Informationsbriefe würde 500 Millionen
DM kosten - ganz zu schweigen von den nötigen
Übersetzungen aus dem "Fachchinesischen".
PZ-Artikel von Erdmuthe Arnold, Mayschoß
© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de