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Möllemann wünscht sich Gesundheit

29.04.2002  00:00 Uhr

Interview

Möllemann wünscht sich Gesundheit

von Thomas Bellartz, Dresden

Die Liberalen sehnen sich nach 18 Prozent und Regierungsverantwortung. Im Wahlkampfteam ist Jürgen W. Möllemann für die Gesundheitspolitik zuständig. Er wirbt für mehr Eigenverantwortung, klare Reformen und liebäugelt mit der Regierungsbank.

PZ: Müssen Sie als passionierter Fallschirmspringer für ihren Risikosport in Zukunft vielleicht mehr in die Krankenkasse einzahlen?

Möllemann: Eine der unwesentlichsten Sportarten aus Sicht der Krankenkassen ist das Fallschirmspringen. Bei uns fallen Beerdigungskosten an. Da ist das finale Risiko groß.

Aber im Ernst: Bei Sportlern gibt es zwischen dem Risiko der sportlichen Betätigung und dem Nutzen eine so positive Bilanz, dass es falsch wäre, nur auf die Risiken zu schauen. Die Frage des besonderen Zuschlags für Risikosportler ist genauso wiederkehrend, wie die Frage nach einer stärkeren Besteuerung riskanter Lebensweisen. Wenn wir alles das, was da einkassiert wird, für die Gesundheit ausgäben, hätten wir keine Probleme.

PZ: Wofür steht die vom politischen Gegner als neoliberal gegeißelte FDP in der Gesundheits- und Sozialpolitik?

Möllemann: Die FDP liegt auf dem Weg zur 18 so erfolgversprechend, dass sie nach dem Erreichen des Wahlziels ihr Tätigkeitsprofil erweitern sollte. Es reicht nicht, im sozialpolitischen Bereich die Vorstellungen anderer zu kommentieren oder abzulehnen. Wir müssen Verantwortung übernehmen. Es gibt drei Ressorts im Sozialen. Ich glaube, wir sollten uns auf die Gesundheitspolitik konzentrieren.

PZ: Was halten sie von Grund- und Wahlleistungen?

Möllemann: Wir müssen die Kostendynamik durch eigenverantwortliche Steuerung eingrenzen. Das muss vor einer zuvor angewendeten Steuerreform geschehen. Für die Krankenkassen bedeutet dies eine Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Solidarität und eigener Verantwortung. Die Solidarität muss sich auf das medizinisch Notwendige konzentrieren. Alles andere muss vom Einzelnen mitverantwortet werden. Die Entscheidung, was notwendig ist, sollen die Gesundheitsberufe und die Kassen festlegen. Nicht die Politiker.

PZ: Die Finanzierung liegt im Argen. Auch der Runde Tisch brachte wieder kein Ergebnis.

Möllemann: Wir haben eine Vielzahl von Gremien geschaffen, die kein Mensch mehr überblickt. Die dienen nur dazu, um von der Verantwortung abzulenken. Wir müssen erwarten können, dass eine Bundesregierung durch ihre Fachminister klare Reformvorschläge macht. Die FDP tut das. Aber die SPD wiederholt nur ihre abgeleierten Bekenntnisse. Das hat das Gesundheitssystem nicht aus der Krise geführt. Die Gesundheitspolitik ist die Reformruine Nummer eins.

PZ: Und die CDU?

Möllemann: Auch die Union eiert nur herum.

PZ: Jetzt kommt also die FDP?

Möllemann: Die FDP sollte die Federführung übernehmen. Auch wenn das ein Gebiet mit vielen Tretminen und Reglementierungen ist. Wenn wir 18 Prozent erreichen wollen, dann reicht es nicht 'Nein' zu sagen, oder 'So nicht'.

PZ: Die Grünen sind in diesem Ressort mit Andrea Fischer gescheitert, Frau Schmidt hat's nicht viel leichter. Was will die FDP anders machen, wenn sie die Chance hat, in dieses Ministerium einzusteigen?

Möllemann: Wir brauchen marktwirtschaftliche Mechanismen und Transparenz. Patienten sollen als Kunden behandelt werden, nicht mehr als anonyme Masse. Es wird eine direkte Kundenbeziehung zwischen den Leistungserbringern und den Patienten aufgebaut. Die Krankenkassen haben nur noch eine Dienstleistungsfunktion. Alles was geschieht, passiert auf der Basis eindeutiger Preise, eindeutiger Rechnungslegung und eindeutiger Verantwortung. Wir brauchen Wettbewerb zwischen Leistungserbringern genauso wie zwischen den Kassen.

PZ: Kann man von den privaten Versicherern lernen?

Möllemann: Beitragsrückgewähr und Selbstbehalte, also Instrumente der privaten Krankenversicherung, müssen unbedingt eingeführt werden. Das funktioniert nur auf der Grundlage eindeutiger Preise und Rechnungslegung. So können wir das System besser aussteuern. Eine nachlassende Bedeutung werden die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen bekommen. Heute hat man das Gefühl, die seien die Wichtigsten im Gesundheitssystem.

PZ: Das wird ein harter Kampf.

Möllemann: Die Kassen können uns nicht mehr mit dem Ausweg kommen: 'Jetzt 14 Prozent, demnächst 15 Prozent und dann 16 Prozent.' Das geht nicht mehr und muss geändert werden.

PZ: Der Arzneimittelsektor steht im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Was soll bei den Arzneimitteln aus FDP-Sicht passieren?

Möllemann: Zunächst gilt auch hier das Prinzip der richtigen Sortierung von Solidarität und eigener Verantwortung. Wir halten Zuzahlungsregelungen für unabdingbar. Die steuern das Konsumverhalten. Die Frage ist, ob wir unter den Vorzeichen der europäischen Politik unser Bild vom Arzt und Apotheker neu bestimmen wollen. Die FDP wird das nicht tun. Für uns ist der Apotheker ein Gesundheitsberuf, und kein Händlerberuf. Wir hohe Ansprüche an die Qualifikation und Ausbildung der Apotheker. Es wäre nicht gerechtfertigt, wenn wir nicht auch an den Beruf des Apothekers diesen hohen Anspruch stellen würden.

PZ: Wie steht die FDP zum Versandhandel mit Arzneimitteln?

Möllemann: Wir sind gegen den Versandhandel und wir sind gegen Internet-Apotheken. Wir glauben, dass dadurch eine möglichst Therapieorientierte Anwendung der Medikamente gefährdet ist. Ich kann nicht die Kompetenz des Apothekers verlangen und sie auf der anderen Seite nicht konsequent nutzen. Das Risiko bei einer Freigabe des Handels ist einfach zu groß.

PZ: Wie schnell muss eine große Reform kommen, damit sie zum Erfolg wird?

Möllemann: Im ersten Jahr muss alles entschieden sein. Damit der Kampf dagegen im zweiten und dritten Jahr abebben kann und im vierten Jahr die Früchte geerntet werden können. Da der Erkenntniszugewinn durch Verschleppung nicht mehr gesteigert wird, gibt es nur einen Weg: klare Vereinbarungen und sofortige Umsetzungen. Ein Riesengeschrei gibt es ohnehin immer.

PZ: Wann waren sie zuletzt in der Apotheke?

Möllemann: Vor einer Woche. Ich muss jeden Tag drei Tabletten nehmen. Die sind zwar teuer, aber wenn ich sie nicht nehme, dann wird's noch teurer. Ich gehe regelmäßig in meine Apotheke um die Ecke.

PZ: Nach den erhofften 18 Prozent bei der nächsten Wahl für die FDP: Gibt es dann einen Gesundheitsminister Jürgen W. Möllemann?

Möllemann: Ich wünsche mir, dass es einen Minister der FDP im Sozialbereich gibt. Ich würde das Gesundheitsministerium empfehlen. Und dann setze ich auf die Weisheit der FDP, die richtige Persönlichkeit dafür zu finden. Top

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