Guter Start |
22.04.2002 00:00 Uhr |
Initiative
von Thomas Bellartz, Berlin
Einen fulminanten Start hat die "Initiative Pro Apotheke" hingelegt. Bei einer Pressekonferenz in Berlin erläuterten ABDA-Vertreter die Hintergründe der Unterschriftenaktion.
ABDA-Vizepräsident Heinz-Günther Wolf verwies vor den Medienvertretern, dass der heutige Bundeskanzler Gerhard Schröder als damaliger niedersächsischer Ministerpräsident den Versandhandel von Arzneimitteln im Bundesrat abgeschmettert habe. Wolf: "Heute geht es uns nicht darum, dass wir ein paar Umsatzprozente verlieren." Vielmehr befürchte man die Folgen, die einer Versandhandelseinführung erwachsen.
Ein Versandhandelsverbot existiere immerhin in 12 von 15 EU-Mitgliedsländern. Aus ökonomischen Gründen finde innerhalb der EU de facto kein Versandhandel statt. In vielerlei Hinsicht führe eine Zulassung des Versandhandels zu einer Verzerrung der Wettbewerbsstrukturen und damit zu einer Existenzgefährdung für die deutsche Offizinapotheke. So bieten Versandhandelsapotheken keinen Nacht- und Notdienst an, beschränken sich auf ein Teilsortiment, garantieren lediglich eine Belieferung innerhalb von 48 Stunden nach Rezepteingang. Die deutsche Apotheke liefere schneller, berate die Patienten und habe im Durchschnitt rund 12.000 Medikamente auf Lager.
Keine Steuergerechtigkeit
Preisdifferenzen zu ausländischen Apotheken sind laut Wolf im wesentlichen das Resultat unterschiedlicher Besteuerung. Alleine durch bei der Mehrwertsteuer ergeben sich Differenzen von bis zu 10 Prozentpunkten. Schuld seien also nicht die vermeintlich hohen Handelsmargen der Vertriebsstufe. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Hermann Stefan Keller, fragte "Wo bleibt die Steuergerechtigkeit?" Überdies habe man den Eindruck, es handele sich um eine Phantomdiskussion. Schließlich habe zum Beispiel DocMorris in den Niederlanden selbst nur einen Marktanteil von 0,05 Prozent. "Ausländische Apotheken werden in Deutschland keine Arbeitsplätze schaffen", monierte Wolf die Blauäugigkeit der Politik.
Die Aktion "Initiative Pro Apotheke", deren Startkosten ABDA-Pressesprecher Elmar Esser auf rund eine halbe Million Euro bezifferte, wende sich nicht gegen die Politik oder gegen politische Parteien. Vielmehr wollen die Apotheker Patientinnen und Patienten für die Problematik sensibilisieren. Schon in den Tagen vor dem offiziellen Start der bundesweiten Unterschriftenkampagne, sei die Aktion in zahlreichen Apotheken gestartet worden. Und dies mit überwältigender Resonanz der Kunden.
aponet.de als Alternative
Wolf stellte noch einmal das ABDA-Portal aponet.de vor, an dem sich bereits weit mehr als 7000 Apotheken beteiligen. Den Komfort der Vorbestellung liefere dieses System bereits. Die Belieferung könne, soweit von der Politik erlaubt, von pharmazeutischen Boten ausgeführt werden.
Wolf kritisierte die Handlungsweise einiger Krankenkassen, die ihre Versicherten offen zum Bezug von Arzneimitteln bei ausländischen Versandanbietern auffordern. Dies werden die Apotheker nicht hinnehmen.
Der Präsident der Bundesapothekerkammer, Johannes M. Metzger, informierte die Medien darüber, dass die Europäische Kommission das Teleshopping mit Arzneimitteln bereits untersagt habe. Insoweit erwarte er auch hier eine eindeutige europäische Entscheidung und damit ein Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln. "Der Vergleich mit der Situation in den USA hinkt", betonte Metzger, dass man sich zum Beispiel jenseits des großen Teichs sich nicht von einer anderen, nicht-nationalen Behörde die Aufsichtspflicht nehmen lassen würde.
Weitere Kampagnen
Der Unterschriftenaktion in den Apotheken werden, kündigte Wolf an, weitere Kampagnen folgen, um die Position der Apothekerinnen und Apotheker stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu tragen.
Reaktionen PZ Erste Reaktionen von Politikern folgten postwendend. So erklärte auf einer regionalen Veranstaltung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg in Stuttgart Landes-Sozialminister Friedhelm Repnik (CDU), er lehne den Arzneimittelversandhandel ab. Dieser konzentriere sich nur auf die lukrativen Segmente. Auch Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Gerlinde Kuppe (SPD) unterstützt die Apotheker in ihrem Kampf gegen den Internet-Versand. "Die Apotheke ist mehr als ein Warenumschlagplatz", sagte sie am Freitag in Magdeburg. Kuppe stellte sich damit gegen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), die den Versandhandel von Arzneien in Deutschland erlauben will. Der Internethandel stehe dem Rundum-Angebot der Apotheken derzeit eher entgegen, sagte Kuppe.
Auch der Bundesverband der Pharmazeutische Industrie (BPI) steht hinter der Initiative Pro Apotheke. So warnte BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp vor Aktionismus bei der Zulassung von Apothekenversandhandel und Internet-Apotheken. Bevor überhaupt eine Entscheidung getroffen werden könne seien auf nationaler und europäischer Ebene erhebliche Neuregelungen und Harmonisierungen notwendig, so Fahrenkamp.
Unterstützung kommt auch vom Großhandel. Mit Blick auf das Votum des Runden Tischs bezeichnete es der Bundesverband des Pharmazeutischen Großhandels (Phagro) als "völlig unverständlich", wie man wenige Tage nach der Verschärfung des Haftungsrechtes für Arzneimittel die Öffnung des deutschen Marktes für Individualimporte durch den Versandhandel fordern könne. Die Großhändler Sanacorp und Anzag kündigten an, ein von Professor Dr. Gerhard Riegl konzipiertes "Großes Apotheken Votum" als Beitrag für die Initiative Pro Apotheke zu fördern. Hierbei sollen 200.000 Kunden und 1000 Apotheken befragt werden.
Auch in den Kammern und Verbänden werden weitere begleitende Aktionen geplant, um den Erfolg der Initiative zu steigern. So werden in Kürze in Berlin an rund 450 Bushaltestellen Plakate auf de Unterschriftenaktion und die Gefahren des Versandhandels hinweisen. In de Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der ABDA verzeichnet man bereits wenige Tage nach dem Start der Aktion eine rege Nachfrage nach Autoaufklebern, weiteren Plakaten und Info-Paketen.
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