Vertragsbruch ist kein zulässiges Regelungsinstrument |
04.03.2002 00:00 Uhr |
Wiederholt hat die BKK Berlin durch eigenwillige Aktionen auf sich aufmerksam gemacht: Rabiate Kürzungen von Klinikrechnungen und eigenmächtige Genehmigungsvorbehalte bei Heilmitteln haben zu etlichen Sozialgerichtsprozessen geführt. Dem Kassenvorstand haben sie den Ruf eines "Rambo" eingetragen, der gern auf Überraschungseffekte setzt und keine gerichtliche Auseinandersetzung scheut.
Jüngste Aktivität der BKK Berlin: Im Februar 2002 hatte man Berliner Ärzte und Apotheken flächendeckend "informiert", dass ab dem 1. März 2002 bestimmte Hilfsmittel (unter anderem Inkontinenz-, Stomaartikel und Diabetikerbedarf) nur noch nach vorheriger Genehmigung abgegeben werden dürften. Mit einer Ankündigungsfrist von knapp zehn Tagen wollte die Kasse also die Hilfsmittel-Abgabebestimmungen des Arzneilieferungsvertrages (ALV) für sich selbst außer Kraft setzen.
Auf Antrag des Berliner Apotheker-Vereins hat das Sozialgericht (SG) Berlin diesen Versuch gestoppt. Es hat der BKK vorläufig untersagt, die Abgabe genehmigungsfreier Hilfsmittel von ihrer eigenen Zustimmung abhängig zu machen und einen solchen Genehmigungsvorbehalt nach außen auch nur zu behaupten. Zusätzlich muss die BKK Berlin ihre Behauptung gegenüber Versicherten, Ärzten und Apothekern schriftlich widerrufen.
Zur Begründung seines Beschlusses findet das SG Berlin deutliche Worte: Es betont die Bedeutung des ALV als zentrales Regelungselement auch bei den Hilfsmitteln. Dass die BKK Berlin einseitig Genehmigungsvorbehalte einführe, sei offensichtlich vertragswidrig. Eine verlässliche Versorgung erfordere nun einmal die beiderseitige Einhaltung der geschlossenen Verträge. Wenn die BKK die bisherige Versorgungspraxis aus gesundheitspolitischen Erwägungen ändern wolle, dann solle sie auf eine Änderung der bestehenden Verträge hinwirken. Der Vertragsbruch sei aber auch bei insgesamt angespannter Finanzlage in der GKV kein zulässiges Regelungsinstrument.
Für seine Entscheidung im Eilverfahren nutzt das SG Berlin neue Verfahrensvorschriften, die seit Jahresbeginn in der Sozialgerichtsbarkeit gelten. Denn erst seit wenigen Wochen gibt es auch hier einen einstweiligen Rechtsschutz, der ähnlich wie im Verwaltungsrecht gestaltet ist. Nach Ansicht des Sozialgerichts besteht kein Zweifel daran, dass sich die Berliner Apotheker in einem regulären Klageverfahren erfolgreich gegen die Genehmigungs-Kampagne der BKK Berlin wehren können. Gerade wegen der eindeutigen Rechtslage sei es den Apothekern nicht zuzumuten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten und Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung des ALV hinzunehmen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig (SG Berlin, Beschluss vom 1. März 2002, S 82 KR 304/02 ER).
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