Wettbewerb löst keine Kostenprobleme |
21.01.2002 00:00 Uhr |
Zum Auftakt des Fortbildungskongresses in Davos hat Johannes M. Metzger, Präsident der Bundesapothekerkammer, erneut davor gewarnt, bewährte Strukturen im Gesundheitswesen für ein scheinbar günstiges Distributionssystem zu opfern. Wer Leistungserbringer gegeneinander ausspiele, die Preisbindung aufhebe und den Versandhandel befürworte, könne nicht gleichzeitig erwarten, das Individualapotheken weiterhin die Tag- und Nachtversorgung sicherstellen.
Deutliche Kritik übte der BAK-Präsident nicht nur an Kassenfunktionären, sondern auch am Sachverständigenrat im Gesundheitswesen. Dort herrsche noch immer der Irrglaube, mehr Wettbewerb löse die Kostenprobleme, bezog sich Metzger auf das Ende 2001 erschienene Gutachten zur Arzneimittelversorgung. Sachlich vernünftige Argumente seien diesem Papier nicht zu entnehmen. Metzger: "Wir brauchen keine Vertreter einer Wissenschaft, die sich mit ihren Einsichten und Resultaten nur noch selbst imponiert, und deren Resultate nach Belieben des politischen Auftraggebers gebraucht und missbraucht werden". Kranke Menschen dürften nicht schutzlos einem "entfesselten Merkantilismus" ausgeliefert werden.
Der BAK-Präsident zeigte wenig Verständnis für die Äußerungen von Bundeswirtschaftsminister Werner Müller. Dieser hatte erst kürzlich gesagt, er könne sich Apotheken à la Fielmann sehr gut vorstellen. Gerade einem Wirtschaftsminister müssten aber die mittelstandsfeindlichen, und damit gesamtwirtschaftlich negativen Folgen einer Kettenbildung bewusst sein. Versandhandel und die Aufhebung der Preisbindung für nicht verschreibungspflichtige Medikamente würden Großvertriebsformen den Weg ebnen. Der Verbraucher könne dann erneut die Zeche zahlen, so Metzger.
Mittelstand nicht gefährden
Ein Land wie Deutschland, das mit vier Millionen Arbeitslosen zur "Wachstumsbremse für Europa" werde, sollte sich davor hüten, seinen Mittelstand zu gefährden, kritisierte der Kammerpräsident. 22.000 Apotheken zahlten nicht nur Steuern, sondern garantierten 140.000 wohnortnahe Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Der Gesundheitsmarkt sei kein Tummelplatz für Experimente, zitierte er Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Diese hatte sich erst kürzlich in Aachen gegen einen Versandhandel ohne Teilhabe der Apotheken ausgesprochen. (Den Beitrag aus PZ 03/02 lesen Sie hier.)
Metzger forderte den Berufsstand dazu auf, die Botschaft der Apotheker auch an die Verbraucher zu übermitteln. Schließlich müssten diese demnächst "die Politik an der Wahlurne bewerten".
Deutschland habe den höchsten Generikaanteil in der Arzneimittelversorgung. Metzger folgert daraus, dass Patienten in den letzten Jahren in der Bundesrepublik weniger vom medizinischen Fortschritt profitierten als ihre europäischen Nachbarn. Schließlich seien steigende Arzneimittelausgaben hauptsächlich auf den Einsatz innovativer Medikamente zurückzuführen.
Das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz bezeichnete der BAK-Präsident als "volkswirtschaftlichen Sündenfall zur bloßen Kostendämpfung". Die Industrie zahle 400 Millionen DM, um einer Zwangsabsenkung ihrer Arzneimittelpreise zu entgehen. Apotheken müssten den Kassen dagegen höhere Rabatte gewähren. Dabei belasteten die Apotheken heute die GKV-Gesamtausgaben nur noch mit 2,9 Prozent. Vor zehn Jahren seien dies noch 3,5 Prozent gewesen. Die Gesetzliche Kranversicherung wende inzwischen pro 10 Euro Kassenbeitrag nur noch 29 Cent auf, um die Arzneimittelversorgung sicherzustellen.
Kein Sonderopfer für Apotheken
Die Apotheken hätten sich dagegen in den letzten Jahren einem Qualitätswettbewerb untereinander gestellt und Tausende neuer Arbeitsplätze geschaffen. Metzger: "Um die Versorgungsqualität nicht nur zu erhalten, sondern angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung weiter ausbauen zu können, lehnt die Apothekerschaft Sonderopfer mit großem Nachdruck ab". Die ABDA habe in den letzten Monaten mit dem Aponet, Reformvorschlägen zur Apothekenbetriebsordnung und Arzneimittelpreisverordnung zukunftsweisende Positionen erarbeitet. So könne das Apothekenwesen weiterentwickelt werden, ohne seine tragenden Säulen zu gefährden.
© 2002 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de