Solidarität und Versandhandel |
16.09.2002 00:00 Uhr |
SPD
Das Wahlprogramm der SPD stellt die Solidarität ins Zentrum der gesundheitspolitischen Reformen. Für die SPD bedeutet dies eine klare Absage an eine Aufteilung des GKV-Leistungskataloges in Grund- und Wahlleistungen. Auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat immer wieder betont, dass sie in jedem Fall am einheitlichen und gemeinsamen Leistungskatalog der Kassen festhalten möchte.
Das zweite Zielkriterium der sozialdemokratischen Gesundheitspolitik ist die Qualität. Für die wichtigsten Krankheitsbilder sollen Behandlungsleitlinien erstellt und kontinuierlich an den Stand der Wissenschaft angepasst werden. Ein Institut mit unabhängigen Sachverständigen soll die Qualitätssicherung garantieren.
Außerdem will die Partei alle Heilberufler verpflichten, sich regelmäßig fortzubilden. Eine freiwillige Fortbildung wird nicht als ausreichend angesehen. Gleichzeitig sollen die Krankenkassen mehr Vertragsfreiheit erhalten. Sie können dann selektiv mit den Leistungsanbietern Verträge schließen, die ein festgelegtes Qualitätsniveau erfüllen.
Als weiteres Mittel zur Qualitätssicherung will die SPD einen Gesundheitspass auf freiwilliger Basis einführen. So sollen Mehrfachbehandlungen vermieden werden. In der Arzneimitteltherapie soll die Gefahr von Interaktionen und Doppelverordnungen reduziert werden. Für die Patienten schafft dies mehr Transparenz. Während Apotheker der Einführung eines Gesundheitspasses grundsätzlich positiv gegenüberstehen, lassen die bisherigen Gespräche mit Ärzten und Krankenkassen Zweifel aufkommen, ob sich die Pläne der SPD umsetzen lassen.
Das Finanzierungsproblem der Kassen wollen die Sozialdemokraten über eine höhere Versicherungspflichtgrenze lösen – allerdings ohne die Beitragsbemessungsgrenze zu erhöhen. Gleichzeitig wollen sie über eine höhere Effizienz und die Möglichkeit zu Einzelverträgen zwischen Kassen und Ärzten die Kosten senken. An der Budgetierung des Gesundheitswesens will die SPD festhalten ebenso an der paritätischen Finanzierung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
In der Arzneimittelversorgung planen Ministerin Schmidt und die Partei erhebliche Änderungen. Im Regierungsprogramm liest sich dass noch vergleichsweise harmlos: "Der Vertrieb und die Preisbildung von Arzneimitteln werden liberalisiert." Für Apotheker hätte dies gravierende Folgen, denn Kernpunkt ist die Einführung des Versandhandels mit Arzneimitteln. Schmidt und auch andere SPD-Gesundheitspolitiker lassen keinen Zweifel daran, dass sie die Empfehlung des Runden Tisches, den Versand unter fairen Wettbewerbsbedingungen zu legalisieren, umsetzen wollen. Konzepte, wie ein fairer Wettbewerb zwischen Apothekern und Versendern gewährleistet werden soll, hat die Partei noch nicht präsentiert.
Die Vorstellungen der Partei zur Liberalisierung der Preisbildung sind noch wenig konkret. Auch im Zusammenhang mit fairen Wettbewerbsbedingungen gegenüber Versandhändlern hat Ulla Schmidt die von der ABDA seit Jahren geforderte Drehung der Arzneimittelpreisverordnung ins Spiel gebracht. Ob die SPD auch weitere Liberalisierungen, etwa die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes plant, ist unklar.
Trotz dieser fundamentalen Veränderungen betont die SPD immer wieder, dass sie an der wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch öffentliche Apotheken festhalten will. Gleichzeitig räumen Gesundheitspolitiker wie Horst Schmidbauer aber auch ein, dass der Versandhandel die Erträge der Apotheken beeinträchtigen werde und mittelfristig mit Schließungen zu rechnen sei.
Heftig umstritten ist der Plan der SPD, Arzneimittel in Zukunft von einem Expertengremium auf deren Zusatznutzen prüfen zu lassen und die Erstattungsfähigkeit von dem Ergebnis abhängig zu machen. Im Prinzip handelt es sich hierbei um eine Fortsetzung der Positivliste mit anderen Mitteln.
Trotz eines wenig ermutigenden Starts will die SPD an den Disease-Management-Programmen festhalten. Angesichts des Streits zwischen Ärzten und Krankenkassen ist es allerdings zweifelhaft, ob diese Programme eine Chance haben. Für die SPD sind sie die Basis dafür, den Risikostrukturausgleich bis zum Jahr 2007 auf Morbiditätskriterien umzustellen.
Wie alle anderen Parteien will die SPD nach der Bundestagswahl die Prävention ausbauen. Im Regierungsprogramm kündigt die Partei an, die Prävention zu einer eigenständigen Säule des Gesundheitswesens auszubauen. Explizit erwähnt werden ein nationales Herz-Kreislauf-Programm, ein Anti-Tabak-Programm und die Früherkennung von Krebserkrankungen.
Fazit: Die gesundheitspolitischen Vorstellungen der SPD bergen für die Apotheker einige Gefahren. Vor allem die geplante Einführung des Versandhandels stellt ein erhebliches Risiko dar. Erfreulich aus Apothekersicht ist dagegen die geplante Einführung eines Gesundheitspasses, wobei hinter der Realisierung einige Fragezeichen stehen.
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