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Mitgliedsstaaten haben keine Bedenken gegen Versandverbot

09.12.2002  00:00 Uhr
EuGH-Anhörung

Mitgliedsstaaten haben keine Bedenken gegen Versandverbot

von Daniel Rücker, Luxemburg

Mit seiner Position zum Versandhandelsverbot steht der Deutsche Apothekerverband (DAV) in Europa bei weitem nicht allein. Bei der Anhörung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg bezeichneten alle Vertreter der angehörten Staaten und der EU-Kommission nationale Versandhandelsverbote als EU-konform.

Der EuGH war 2001 vom Landgericht Frankfurt im Rechtsstreit zwischen dem DAV und dem Versandhändler DocMorris gebeten worden, einen von den Frankfurter Richtern erstellten Fragenkatalog zu beantworten. Im Kern geht es darum, ob das deutsche Versandhandelsverbot gegen EU-Recht verstößt. Nach Klärung dieser Fragen wird das Hauptsacheverfahren in Frankfurt fortgesetzt.

Zu Beginn der Anhörung legte der Anwalt des DAV, Dr. Claudius Dechamps, dar, dass das Versandhandelsverbot keine Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit bedeute. Der deutsche Markt stehe allen ausländischen Arzneimitteln mit einer regulären Zulassung offen. Sie dürften ohne Einschränkung gehandelt werden, würden durch die Importklausel sogar explizit gefördert. Das Versandhandelsverbot sei lediglich eine Einschränkung der Vertriebsmodalitäten. Das Verbot dieser Vertriebsform sei aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt.

Im Auftrag des DAV beantwortete Professor Dr. Jürgen Schwarze die Frage des EuGH, ob das Werbeverbot für Versandhandel via Internet die Dienstleistungsfreiheit einschränke. DocMorris hatte geltend gemacht, die Internetseite sei eine Dienstleistung. Ein Verbot sei ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit.

Der DAV bestreitet dies. Wie Schwarze ausführte, mit gutem Recht. Die Homepage von DocMorris sei untrennbar mit dem Verkauf von Arzneimitteln über das Internet verbunden, sie sei ein Bestandteil des Geschäftsprinzips und keine eigenständige Dienstleistung. Die Positionen der DAV-Anwälte wurden in den folgenden Statements von Vertretern der EU-Kommission und der im Verfahren angehörten Staaten Griechenland, Irland und Frankreich geteilt.

Regierungsvertreter stützt Versandverbot

Auch der Vertreter der Bundesregierung, Wolf-Dieter Plessing, sieht in dem im Arzneimittelgesetz (AMG) verankerten Verbot keinen Verstoß gegen EU-Recht. Arzneimittel seien sensible Waren, jedem Staat stehe es frei, aus Gründen des Verbraucherschutzes besondere Verkaufsmodalitäten festzulegen. Die persönliche Beratung in der Apotheke sei ein wichtiger Sicherheitsfaktor, der dem Versandhandel grundsätzlich fehle.

Plessing unterstützte die Position des DAV, Versandhandel sei lediglich eine Vertriebsmodalität, deshalb greife nicht das Gesetz zur Freizügigkeit des Warenverkehrs. Diese Vertriebsmodalität gelte zudem für alle Apotheker, nicht nur für ausländische. Das Versandverbot sei diskriminierungsfrei. Auch das Werbeverbot für Versandhandel via Internet ist aus Sicht der Bundesregierung EU-konform.

DocMorris-Anwalt Professor Dr. Christian König versuchte in seinen Ausführungen die hohe Qualität von DocMorris in den Vordergrund zu stellen. Jedes Rezept werde beim Eingang von einem Apotheker überprüft. Dann werde die Lieferung zusammengestellt und schließlich von einem zweiten Apotheker überprüft. Bei Unklarheiten werde der Rezeptinhaber per E-Mail oder Telefon kontaktiert und die Probleme geklärt.

Auf Grund der hohen Sicherheitsstandards von DocMorris sei das Versandverbot ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit. Es stehe zwar jedem EU-Staat zu, den freien Warenverkehr einzuschränken, dies müsse aber gut begründet werden. Ein pauschaler Verweis auf Gesundheitsgefahren sei nicht ausreichend. Zudem wolle die Bundesregierung ja selbst das Versandhandelsverbot aufheben. Dies zeige, dass sie selbst keine größeren Gesundheitsgefahren durch den Versandhandel sehe.

Doch der Vertreter der Bundesregierung wollte sich nicht zum Co-Anwalt des Versandhändlers machen lassen. Plessing wies noch einmal nachdrücklich darauf hin, dass die Bundesregierung das Versandhandelsverbot als EU-konform betrachtet. Man müsse diese rechtliche Bewertung streng von der politischen Diskussion über eine Liberalisierung des Arzneimittelvertriebs trennen. Dies sei ein Prozess, an dessen Ende möglicherweise eine regulierte Einführung des Versandhandels stehe. Ein Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit des Versandhandelsverbotes lasse sich nicht herstellen.

Im Resultat zeigte die Anhörung große Übereinstimmungen in der Rechtsauffassung von DAV, der EU-Kommission und den beteiligten Staaten. Sie halten das Versandhandelsverbot nach AMG für EU-konform. Für die Apotheker besteht dennoch kein Grund zur Euphorie. Eine Prognose, wie der EuGH entscheiden wird, ist trotz der einmütigen Stellungnahmen kaum möglich.

Schmidt beharrt auf Versand

Bundessozialministerin Ulla Schmidt nahm die Anhörung in Luxemburg zum Anlass, von Berlin aus noch einmal auf die bevorstehende Liberalisierung des Arzneimittelvertriebes hinzuweisen. Die Bundesregierung plane weiterhin, einen kontrollierten Arzneimittelversandhandel zu erlauben. Diesen sollen nach ihren Vorstellungen aber nur Apotheken betreiben dürfen. Ihr Ziel sei eine EU-weite Lösung. Nach den Ausführungen von Frankreich, Irland und Griechenland sind Zweifel angebracht, ob alle Mitgliedsstaaten die Begeisterung für ein solches Vorhaben teilen. Top

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