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Pseudo-Ketten gefährden Freiberuflichkeit

17.11.2003  00:00 Uhr
Kooperationen

Pseudo-Ketten gefährden Freiberuflichkeit

von Daniel Rücker, München

Den Boom der Apothekenkooperationen sehen Standesvertreter und externe Beobachter mit Sorge. Verbünde, die nach außen den Anschein einer Kette vermitteln, machen den Fremdbesitz wahrscheinlicher.

Der Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer und der Bundesapothekerkammer, Johannes M. Metzger, warnt seine Kolleginnen und Kollegen vor der Teilnahme an diesen Zusammenschlüssen. Der Kunde werde nicht zwischen einer Kooperation selbstständiger Apotheker mit gleichem Auftritt und einer Apothekenkette unterscheiden können. Damit werde die externe Akzeptanz für das Fremdbesitzverbot massiv unterlaufen, sagte Metzger in der Delegiertenversammlung der Bayerischen Landesapothekerkammer in München.

Apotheker sollten genau überlegen, ob sie sich einem Verbund anschließen wollen, bei dem sie ihre Selbstbestimmung zumindest teilweise abgeben. Wenn die Politik den Eindruck gewinne, Apotheker bildeten selbst Ketten, dann würde sie diese sicherlich grundsätzlich legalisieren. Mit fatalen Folgen. Metzger: „Das Original wird das Surrogat schnell ersetzen.“

Der Kammerpräsident griff damit eine Warnung von Dr. Gerd Schorn auf. Der Mitarbeiter des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung hatte auf einer Veranstaltung der Universität Marburg angekündigt, sein Ministerium werde die Entwicklung genau verfolgen und gegebenenfalls reagieren. Es könne nicht sein, dass die Apotheker mit großen Einsatz gegen die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes vorgingen um sich anschließend selbst zu Apothekenketten zusammenzuschließen.

Gefährliche Dachmarke

Als größte Gefahr bezeichnete Metzger die Kooperationen, die mit einer Dachmarke arbeiten wollen. Sie vermittele besonders stark den Eindruck einer Kette. Ausdrücklich kritisierte der Kammerpräsident den genossenschaftlichen Großhändler Sanacorp. Es sei ein Fehler gewesen, die Dachmarke „Meine Apotheke“ zu kreieren. Metzger kritisierte auch die Informationspolitik des Großhändlers. Sanacorp habe sein Konzept weder den Berufsvertretungen noch dem eigenen Aufsichtsrat vorab präsentiert.

Auch ABDA-Hauptgeschäftsführer Professor Dr. Rainer Braun warnt eindringlich vor Kooperationen, die mit einer gemeinsamen Dachmarke arbeiteten. Sie seien eine Gefahr für den freien Heilberuf und führten den Apotheker in eine Abhängigkeit und vermittelten nach außen den Eindruck einer Apothekenkette, sagte Braun auf der Vertreterversammlung der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz. Braun bestätigte die aktuelle Auffassung des Ministeriums: Wenn sich Apotheker selbst zu Pseudoketten zusammenschließen und ihre unternehmerische Freiheit abgeben, fehlt die Begründung für den Fortbestand des Fremdbesitzverbotes.

Braun kann für Apotheker keinen Nutzen erkennen, sich an eine Kooperation zu binden. Die Konzepte stammten aus dem Frühjahr, als der Fremdbesitz noch im Raum stand. Als klar wurde, dass er weiter verboten bleibt, sollten sie die Position ihrer Mitglieder bei Preisverhandlungen verbessern. Nun seien auch diese aus dem Gesetz geflogen und damit der letzte Grund für eine Kooperation obsolet.

Unterschätzte Macht

Dennoch werben die Initiatoren weiter um neue Mitglieder. Sie setzten dabei vor allem auf die Angst der Apotheker vor der Zukunft, sagte Braun. Da es aber für die Apotheken zum 1. Januar 2004 keine fundamentalen Strukturveränderungen gebe, entbehrten die gezeichneten Horrorszenarien jeglicher Grundlage. Brauns Fazit fällt deutlich aus: „Finger weg von den Kooperationen, auch den genossenschaftlichen.“

Dabei sind es nicht nur Standesvertreter, die Kooperationen als vermeintliche Konkurrenz zu den Apothekerverbänden, schlecht machen wollen. Auch Professor Dr. Gerd Glaeske rät seinen Kollegen zur Vorsicht. Es gebe kaum eine Gruppe im Gesundheitswesen, deren Macht so stark verkannt werde, wie den Großhandel, sagte er auf einer Veranstaltung in Bad Homburg. In den vergangenen Jahren hätten es die Großhandlungen verstanden, ihren Einfluss sukzessive auszubauen. Apotheker sollten sich überlegen, „ob die Teilnahme an einer Großhandelsplattform der richtige Weg ist“.

Eine Einteilung in gute und schlechte Kooperationen mag Braun nicht vornehmen. Er geht davon aus, dass auch die Kooperationen, die heute noch an keinen Großhändler gebunden sind, dort mittelfristig Partnerschaften suchen. Top

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