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Rürup für radikalen Umbau

18.11.2002  00:00 Uhr

Rürup für radikalen Umbau

von Daniel Rücker, Eschborn

Der Schock des Vorschaltgesetzes ist noch längst nicht verdaut, da kündigen sich bereits neue Katastrophenmeldungen an. Im „Darmstädter Echo“ plädierte der designierte Chef der Reformkommission für Gesundheit und Rente, Bert Rürup, für einen radikalen Kurswechsels in der Gesundheitspolitik.

Aus Sicht der Apotheker sind seine Vorschläge Horrorvorstellungen. Rürup, der Apotheker als reine Logistiker sieht, will den Fremd- und Mehrbesitzverbotes ebenso wie den Versandhandel zulassen. Außerdem müsse die Preisbindung für Arzneimittel fallen und den Krankenkassen gestattet werden, die Preise mit den Einzel- und Kettenapotheken frei auszuhandeln.

Das Herbstgutachten der fünf Wirtschaftsweisen schlägt in dieselbe Kerbe. Auch hier ist von einer Liberalisierung der Vertriebswege für Arzneimittel die Rede. Kein Wunder schließlich gehört Rürup auch diesem Gremium an. Versandhandel und Apothekenkette sollen die Preise senken und die Kassen entlasten, heißt es demzufolge in dem 600 Seiten starken Werk.

Im Interview mit dem Darmstädter Echo greift Rürup nicht allein die Apotheker an. Die anderen Leistungserbringer, vor allem die Ärzte, bekommen auch ihr Fett weg. „Die Kartelle der Leistungsanbieter müssen geschleift werden“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler. Die Kassenärztlichen Vereinigungen verhinderten den Wettbewerb und müssten deshalb abgeschafft werden. Im Wettbewerb liegen nach Rürups Überzeugung die größten Effizienzreserven.

Kritik muss auch die Bundesregierung einstecken. Rürup wirft ihr Aktionismus vor und stellt die „Politik der Verschiebebahnhöfe“ an den Pranger. Das Vorschaltgesetz mit dem Beitragsstopp sei eine reine Notoperation, die „wirklich nicht in die Landschaft passt.“

Radikale Reform

Der Darmstädter Ökonom fordert eine radikale Reform des Gesundheitswesens: „Das Gesundheitswesen sollte langfristig nicht mehr über lohnabhängige und in die Arbeitskosten eingehende Beiträge finanziert werden, sondern über Kopfpauschalen.“ Mit einer monatlichen Kopfprämie von 200 Euro pro Versichertem ließe sich das derzeitige Gesundheitswesen finanzieren. Kinder würden beitragsfrei mitversichert.

Der Arbeitgeberanteil an der Krankenversicherung sollte steuerfrei ausgezahlt werden. Für Geringverdiener müsste es einen steuerfinanzierten staatlichen Zuschuss geben. Niemand sollte mehr als 15 Prozents seines Einkommens für den Gesundheitsschutz zahlen.

Als entscheidenden Vorteil des Systems sieht Rürup die Entkoppelung von Arbeitskosten und Gesundheitswesen: „Das Kopfprämienmodell wäre wesentlich beschäftigungsfreundlicher. Ohne eine solche Umstellung sind die Reformmöglichkeiten des derzeitigen Systems relativ begrenzt.“

Dass die Regierung Rürups Konzept in toto mitträgt, ist unwahrscheinlich. Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) und SPD-Fraktionschef Franz Müntefering lehnen die Forderung nach einem nach einem radikalen Kurswechsel postwendend ab.

Shareholder Value statt Pharmazie

Bei der ABDA stoßen Rürups Vorschläge zur Liberalisierung des Arzneimittelmarktes auf harsche Kritik. In Ländern mit freiem Wettbewerb stiegen die Arzneimittelausgaben bislang dreimal schneller als im preisgebundenen deutschen System, sagt ABDA-Präsident Hans-Günter Friese. „Wenn die angedachten Maßnahmen realisiert werden, bedeutet dies das Ende der Arzneimittelversorgung, wie sie seit Jahrzehnten praktiziert wird. Schon das derzeit geplante Gesetz wird die Einkommen der Apotheker fast halbieren“, stellt Friese fest

Würden die erwähnten Maßnahmen zusätzlich realisiert, wären die derzeit von Apothekerinnen und Apothekern erbrachten Dienstleistungen nicht mehr finanzierbar. In Apothekenketten wäre der Apotheker nicht mehr Heilberufler sondern Kaufmann eines Filialbetriebes. „Pharmazeutische Grundsätze“, fürchtet Friese, „würden dem Shareholder Value weichen“.

Von einer Liberalisierung der Arzneimittelpreise seien Einsparungen nicht zu erwarten, im Gegenteil. Im liberalisierten US-Markt seien die Ausgaben für Arzneimittelpreise seit 1992 dreimal schneller gestiegen als in Deutschland. Dennoch zeigen sich die Apotheker kooperativ: „Gerne stehen wir Herrn Rürup für Gespräche über die zukünftige Gestaltung der Arzneimittelversorgung zur Verfügung“, sagte Friese. Top

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