Pharmazeutische Zeitung online

Lob und Warnung in einem Atemzug

18.10.2004  00:00 Uhr
Arzneiverordnungs-Report

Lob und Warnung in einem Atemzug

von Thomas Bellartz, Berlin

Diesmal war es bisschen anders und trotzdem frei nach dem Motto „Alle Jahre wieder“. Bei der Präsentation der 20. Auflage des Arzneiverordnungs-Reports in Berlin lobten dessen Autoren und Herausgeber die Gesundheitspolitik der Regierung und forderten Einsparungen bei den Apotheken.

Glaubt man den Autoren und Herausgebern des Reports, vornweg Professor Dr. med. Ulrich Schwabe und Dr. Dieter Paffrath, dann werden in Deutschland immer noch zu viele neue Medikamente verschrieben, die nicht wirksamer, aber teurer sind als herkömmliche Mittel. Diese Scheininnovationen stehen immer im Mittelpunkt der Kritik des Reports, so auch in diesem Jahr. Obwohl die eigentliche und grundlegende Nachricht eine durchaus positive war: Denn der stete Ausgabenanstieg im Arzneimittelsektor konnte im vergangenen Jahr gestoppt werden.

Mit 21,1 Milliarden Euro lagen die Ausgaben rund 1 Prozent unter den Aufwendungen des Vorjahrs. Allerdings wäre die traditionelle Vorstellung des knapp 1300 Seiten starken Werks nicht dieselbe, wenn nicht ein kräftiger Spritzer Kritik hinzugegeben würde. Und so kommt mit dem Lob zwar nicht der konkrete Tadel, aber die Warnung, wonach der positiven Entwicklung des vergangenen und insbesondere des laufenden Jahres eine sehr viel schlechtere im kommenden Jahr folgen werde. Schwabe und Paffrath konzentrierten sich in ihren Ausführungen denn auch weniger auf die Analysen und Daten des Jahres 2003 als auf die jüngsten Entwicklungen im Arzneimittelsektor. Da wurde allerhand interpretiert und vorhergesagt.

Und so konnten sich die beiden Mahner nicht ganz zum Lob für die verordnende Ärzteschaft hinreißen. Obwohl die Mediziner immer seltener zum Rezeptblock greifen und überdies zunehmend preisbewusster verordnen, sehen die Experten immer noch ein nicht ausgenutztes Pillen-Einsparpotenzial von etwa 4,4 Milliarden Euro. Der Verband Forschender Arzneimittel-Hersteller (VFA) hatte kurz vor der Vorstellung des Reports eine Studie vorgestellt, die eine „eklatante Unterversorgung“ von Millionen von Patienten beschreibt. Das Bundesgesundheitsministerium widersprach postwendend und wenig überraschend.

Auf Talfahrt

Schwabe sagte, höhere Arzneimittelrabatte für die Krankenkassen hätten 2003 erstmals nach 1997 zu sinkenden Kassen-Ausgaben geführt. Im laufenden Jahr seien die Medikamentenausgaben der Kassen wegen der angehobenen Patientenzuzahlungen noch deutlicher auf Talfahrt. Auch 2003 hätten die Ärzte mehr höherpreisige Medikamente verschrieben, und zwar im Volumen von zwei Milliarden Euro. Dagegen wurden bei insgesamt leicht gesunkenen Medikamentenpreisen weniger Rezepte ausgestellt.

Paffrath warnte vor einem dramatischen Wiederanstieg der Ausgaben für Arzneimittel im Jahr 2005. So sei mit einer Zunahme der Verordnungen zu rechnen, weil sich viele Patienten Ende 2003 bei Medikamenten noch für 2004 auf Vorrat eingedeckt hätten. Zudem werde der gesetzliche Herstellerrabatt von 16 Prozent für die Kassen wieder auf 6 Prozent zurückgenommen, auch Preisanhebungen seien wahrscheinlich. Er forderte die Regierung zum Gegensteuern auf, da sonst eine „zweistellige Ausgabendynamik“ drohe.

Die Autoren rieten der Regierung, sie solle insbesondere bei der Preisbildung in der Apotheke nachbessern. Denn die Apotheker seien die Gewinner der jüngsten Gesundheitsreform.

Die KBV kritisierte das vorgerechnete Einsparpotenzial von mehr als vier Milliarden Euro als theoretischen Wert. KBV-Vize Dr. Leonhard Hansen wies darauf hin, dass die Mediziner durch kostenbewusstes Verordnen dazu beigetragen hätten, seit 1992 rund 6,6 Milliarden Euro einzusparen. Es gebe aber bei vielen Krankheiten einen großen Nachholbedarf, den man in einer eigenen Studie bereits nachgewiesen habe.

Gesundheits-Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder wies den Vorwurf zurück. Der neue Arzneiverordnungs-Report zeige in der Gesetzlichen Krankenversicherung „ein sehr hohes Niveau der Versorgung mit innovativen und hochwertigen Arzneimitteln“. 2003 sei für die Hochleistungsmedizin schon fast ein Fünftel der Arzneiausgaben verwendet worden.

Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) mochte auf den Arzneiverordnungsreport nicht mehr mit Höflichkeiten reagieren. BPI-Vorsitzender Dr. Bernd Wegener warf den Autoren des Reports unverhohlen vor, sie hätten die „Realität aus dem Blick verloren“. Im Arzneimittelbereich lasse sich nicht weiter sparen, stellte der BPI-Chef fest. „Wer in diesem vollständig überregulierten Marktsegment noch Einsparpotenzial erkennen will, setzt sich dem Verdacht aus, die Fakten zu ignorieren.“ Top

© 2004 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa