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Des Kanzlers Leid mit Apotheken

13.09.2004  00:00 Uhr

Des Kanzlers Leid mit Apotheken

von Thomas Bellartz, Berlin

Wenn der Kanzler sich schon nicht zu den Wahlen in Tschetschenien äußert, dann doch wenigstens zu den deutschen Apotheken. In der Haushaltsdebatte um den Etat des Bundeskanzlers, die Generalabrechnung zwischen Regierung und Opposition, kam Gerhard Schröder (SPD) auf den beschränkten Mehrbesitz bei Apotheken zu sprechen und kündigte weitere Veränderungen an.

Der Kanzler verteidigte seine Politik und insbesondere die Agenda 2010. Er lobte explizit seine Ministerin Ulla Schmidt (SPD) und warf der Union vor, sie habe sich „in die Büsche verkrochen“ als die Volksseele wegen der von ihr mitbeschlossenen Praxisgebühr gekocht habe. Schmidt sei hingegen „standhaft“ gewesen.

Das Gesundheitssystem sei „mittlerweile transparenter“ und es gebe immerhin auch Ansätze, dass Kassen mit Ärzten Verträge abschließen könnten. Aber, so Schröder, „eben nur Ansätze“. Die Opposition habe zu verantworten, dass in diesem System „weniger Transparenz als nötig und weniger Freiheit als möglich“ herrsche. An die Liberalen und parallel dazu an die Apotheken sandte der Kanzler eine überraschende, aber möglicherweise politisch wegweisende Grußadresse: „Der Versuch der FDP, den Besitz von Apotheken auf vier zu beschränken, das heißt, den Markt in diesem Bereich nicht freizugeben, grenzt schon ans Lächerliche. Das ist eine marktwirtschaftliche Orientierung, bei der es einem kalt den Rücken herunterläuft.“

Die Apotheken hatte sich der Kanzler als Beispiel für fehlenden Markt und Transparenz vorgeknöpft, hieß es anschließend aus den Reihen der SPD-Fraktion. Und zum Abschluss seiner Ausführungen zur Gesundheitspolitik, die angesichts der Zahnersatzdebatte aktuell einen hohen Stellenwert genießt, sagte Schröder, das „Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht, was mehr Transparenz und mehr Markt – auch bei den Apotheken – angeht“. Die Opposition werde von dieser Frage noch eingeholt.

Und auch dabei beließ es Schröder nicht: Die Gesundheitsreform sei erfolgreich, „wenn man davon absieht, dass die Klientelpartei FDP verhindert hat, dass es bei den Apotheken wirkliche Konkurrenz gibt“. Der Kanzler: „Immerhin bestehen heute 800 Versandapotheken. Da tut sich was beim Wettbewerb. Trotzdem sind wir hier noch lange nicht fertig.“ Man werde „weitermachen müssen“.

Aus der Sicht des Sozialpolitikers Andreas Storm (CDU) hat der Kanzler mit seinen Ausführungen den Boden für weitergehende Strukturänderungen im Apothekenbereich bereitet. „Das ist vollkommen unsinnig. Aber es hat den Anschein, als wolle die SPD noch vor der nächsten Bundestagswahl weitere Maßnahmen durchsetzen“, sagte Storm kurz nach der Debatte im Gespräch mit der PZ. Er könne sich nicht erklären, „warum sich der Kanzler immer wieder mit den Apotheken beschäftigt“. Schließlich habe man gerade in diesem Bereich bereits tief greifende strukturelle Änderungen verankert. Man müsse doch zunächst einmal abwarten, wie sich diese Veränderungen auswirken.

Auch innerhalb der SPD hält man nicht viel davon, sich erneut mit den Leistungserbringern zu beschäftigen und weitere Kostendämpfungen anzusetzen. Sowohl Andrea Nahles als auch der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Klaus Kirschner, betonten gegenüber der PZ, dass man zunächst die Wirkung der eingeleiteten Maßnahmen auswerten müsse.

 

Kommentar: Räder an die Apotheke Sonst hat unser Bundeskanzler also keine Probleme: Die deutsche Apotheke als Nukleus des wettbewerbsunfähigen Gesundheitssystems. Da muss angepackt werden, da muss was geändert werden, da muss Transparenz rein, Wettbewerb sowieso.

Was fehlte, war die Erklärung Schröders, warum er eigentlich den Wettbewerb will. Der Kanzler verharrte irgendwo im Niemandsland von Forderung, Drohung, Ankündigung – nur von der konkreten Alternative, von der Erklärung, was denn bitte schön für den Patienten, für den Versicherten, für den Kanzler besser wird nach einer totalen Reform im Apothekensektor – kein Wort.

Die Apotheken sind unfreiwillig im Bannstrahl eines Bundeskanzlers gelandet, der sich zum Bordeaux mit den Bossen der multinationalen Pharmakonzerne im Kanzleramt trifft, der Versandapotheken deswegen Klasse findet, weil es sie gibt, und davon ablenken will, dass ihm das politische und strategische Rüstzeug abhanden gekommen ist, um das wahre Problem im Gesundheitswesen zu lösen: die Renovierung auf der Einnahmenseite. Aufgeschoben bis 2006 – mindestens. Verhandelt wird nicht – nicht mit der Union, nicht mit der FDP und auch ansonsten keine Lust auf Konsens. Stattdessen geht’s den Kleinunternehmern und dem Mittelstand weiter an den Kragen. Der Kanzler stellt die Existenzfrage für mehr als 20.000 Unternehmen. Warum? Fragen wir beim Verband forschender Arzneimittel-Hersteller (VFA) nach. Dessen Unternehmen waren beim Kanzler zum Rotwein-Trinken, dessen Programmatik sieht den totalen Wettbewerb auf der Apothekenstufe vor.

Der Autokanzler fände Apotheken vielleicht dann wieder toll und ein Beispiel für die Kraft der deutschen Wirtschaft, wenn die selbstständigen Pharmazeuten vier Räder an ihre Apotheke schrauben und kräftig auf die Hupe drücken. Und dann ne Kiste guten Wein vorbeibringen.

Thomas Bellartz
Leiter der Hauptstadtredaktion

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