Gespart wird bei Arzneimitteln |
06.09.2004 00:00 Uhr |
Die Gesetzliche Krankenversicherung hat in den ersten sechs Monaten dieses Jahres einen hohen Überschuss erwirtschaftet. Vor allem sinkende Arzneimittelausgaben sind Ursache des positiven Ergebnisses.
Ministerin Ulla Schmidt sieht die Kassenbilanz vor allem als Bestätigung für die Gesundheitsreform: „Nach einem halben Jahr Gesundheitsreform ist der Trend klar: Sie wirkt. Der Reformzug hat Fahrt aufgenommen. Unser Gesundheitssystem bleibt bezahlbar und die Qualität der medizinischen Versorgung steigt.“ Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung haben die Krankenkassen im ersten Halbjahr 2004 einen Überschuss von 2,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Im ersten Halbjahr 2003 hatten die Kassen noch ein Defizit von einer Milliarde Euro zu verzeichnen.
Ein Großteil der Einsparungen wurde bei Arzneimitteln erwirtschaftet. Um rund 1,4 Milliarden Euro sanken die GKV-Ausgaben für Arzneimittel in den ersten sechs Monaten des Jahres. Im Juli setzte sich der Trend weiter fort. Nach sieben Monaten lag das Minus sogar bei 1,67 Milliarden Euro. Das ist ein Rückgang um 13,16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mehr als die Hälfte des Kassenüberschusses resultiert somit aus Einschnitten bei Apothekern, Großhandel und Arzneimittelherstellern sowie höherer Zuzahlung von Patienten.
Deutliche Rückgänge in den Leistungsausgaben sind auch bei Hilfsmitteln (minus 13,5 Prozent), Krankengeld (minus 10,3 Prozent) und Fahrtkosten (minus 9,4 Prozent zu verzeichnen. Weitaus moderater haben die Kassen bei sich selbst gespart. Mit einem Minus von 1,1 Prozent sanken die Verwaltungskosten der Krankenkassen kaum.
Die Bundesgesundheitsministerin nutzte die Zahlen, um von den Kassen erneut Beitragssatzsenkungen einzufordern. Schmidt „Der Zeitpunkt ist jetzt gekommen. Ich erwarte, dass die Krankenkassen jetzt alle Möglichkeiten nutzen. Da die Versicherten zu einem erheblichen Teil zur guten finanziellen Situation der Krankenkassen beitragen, erwarte ich, dass die Spielräume auch zugunsten der Versicherten genutzt werden.“ Die Verantwortlichen stünden in der Pflicht, dass von deutlich sinkenden Krankenkassenbeiträgen jetzt unmittelbar spürbare und wichtige Impulse für Wachstum und Arbeitsplätze ausgingen.
Die Angesprochenen üben sich in vornehmer Zurückhaltung. Die ansonsten nicht gerade schreibfaulen Presseabteilungen der Kassen und Kassenverbände strafen die so positive Finanzentwicklung mit deutlicher Missachtung.
Eine Senkung auf breiter Front gilt als unwahrscheinlich. Dazu seien die Schulden zu groß, argumentieren die Kassen. Die Gesundheitsreform legte fest, dass die 6 Milliarden Euro Schulden der Kassen innerhalb von vier Jahren abgebaut werden sollen. Damit entfallen 1,5 Milliarden auf dieses Jahr. Nach Ministeriumsangaben erfolgte der Schuldenabbau schneller als gesetzlich vorgesehen. Bereits bis Ende Juni seien die Schulden von knapp 6 auf rund 3,5 Milliarden Euro gesenkt worden.
Insgesamt sollte die Reform schon im ersten Jahr die Kassen um 9 bis 10 Milliarden Euro entlasten. Der Großteil davon sollte eigentlich in Beitragssenkungen fließen. Die Entlastungen sollen auf rund 23 Milliarden Euro im Jahr 2007 steigen.
Beim Beitragssatz blieb die Reform bislang erheblich hinter der Planung. Ziel war ein Rückgang des durchschnittlichen Beitragssatzes der gesetzlichen Kassen in diesem Jahr von 14,33 auf rund 13,6 Prozent und von 2005 an auf unter 13 Prozent. Die bisherige Entwicklung verlief aber schleppend. Im August betrug der Satz nach früheren Ministeriumsangaben 14,18 Prozent. Schmidt hatte zuletzt bis Jahresende mit einem Rückgang unter die 14-Prozent-Marke gerechnet.
Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) müht sich darum, Wasser in Ulla Schmidts Wein zu gießen. Die Einsparungen bei Arzneimitteln gingen auf Kosten der Qualität. „Wer glaubt, dass immer bessere Behandlungsmöglichkeiten für immer weniger Geld zu haben sind, ist Anhänger einer Milchmädchenrechnung“, kommentiert BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp die Einsparungen der Krankenkassen. Neben den Patienten sei die pharmazeutische Industrie zweiter Verlierer der Reform.
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