Die Rolle des Apothekers neu bestimmen |
08.09.2003 00:00 Uhr |
Die Rolle des Apothekers und die Globalisierung waren die politischen Hauptthemen auf dem 63. Internationalen Weltkongress der Pharmazie, den die Fédération Internationale Pharmaceutique (FIP) vom 4. bis zum 9. September in Sydney ausrichtete. An dem Kongress nahmen knapp 2000 Apothekerinnen und Apotheker aus der ganzen Welt teil.
Im Beisein des Premiers der Region New South Wales, Bob Carr, der gleichzeitig australischer Minister für Kunst und Bürgerfragen ist, forderte der Franzose Jean Parrot, seit Anfang 2003 FIP-Präsident, seine Kollegen aus aller Welt auf, neue Kontakte zwischen der Pharmazie und der Gesellschaft zu suchen.
Die Apotheker seien die Arzneimittelexperten, könnten Risikofaktoren ausmachen und dazu beitragen, eine Therapie effektiver zu gestalten. Die Rolle des Apothekers in der Aufklärung über Krankheiten und Prävention dürfe aber nicht auf die individuelle Beziehung zum Patienten beschränkt bleiben. Seine Fähigkeiten sollten zum Vorteil der gesamten Bevölkerung eingesetzt werden. Die Apotheker sollten mehr als in der Vergangenheit gemeinsame vorbeugende Initiativen, wie gegen die Abhängigkeit von Tabak, Drogen oder Alkohol, aktiv begleiten - und das auch außerhalb der Apotheken. Der Apotheker müsse noch stärker als bisher Ansprechpartner für die Gesellschaft und Politik in Gesundheitsfragen werden und an Entscheidungen mitwirken.
Dies sei auch vor dem Hintergrund der fortschreitenden Globalisierung notwendig. Diese habe zwar dazu beigetragen, den Lebensstandard in einer großen Anzahl von Ländern zu erhöhen, sagte Parrot. Sie habe aber auch Nachteile gebracht. Diese sieht er insbesondere in der Qualität der Arzneimittel, die weltweit nicht einheitlich sei. Bestimmte Arzneimittel seien keinen festgelegten Qualitätskontrollen unterworfen. Sarkastisch charakterisierte Parrot die augenblickliche Situation mit der Bemerkung: „Dem Markt illegaler Arzneimittel geht es leider gut.“ Das habe auch die Umleitung großer Mengen antiretroviraler Arzneimittel, die eigentlich für Afrika bestimmt waren, aber dann zu Höchstpreisen auf dem europäischen Märkten verkauft wurden, gezeigt. Es sei inakzeptabel, dass dringend benötigte wirksame Arzneimittel für viele Kranke nicht verfügbar seien.
Gerade in der Abwehr solcher illegalen Geschäfte sehe er eine Aufgabe der FIP. Dazu müsse diese - und damit die gesamte Apothekerschaft - noch stärker Partner der Politik werden. In seiner Antwort sprach sich Minister Bob Carr deutlich für eine Stärkung der Apotheker in der Gesellschaft aus.
In der vor dem Kongress terminierten Council-Sitzung der FIP, an der für Deutschland ABDA-Präsident Hans-Günter Friese teilgenommen hatte, wurde ein Statement zur zukünftigen Rolle des Apothekers diskutiert, sein Inhalt orientiert sich an der Rede des FIP-Präsidenten. Es soll im nächsten Jahr verabschiedet werden.
Aktuelle Situation in Deutschland
Im Rahmen des bereits zur Tradition gewordenen Empfang der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apotheke und in dem Leadership-Meeting konnte ABDA-Präsident Friese den Teilnehmern des FIP-Kongresses die augenblickliche gesundheitspolitische Situation in Deutschland vor dem Hintergrund des Gesundheitssystemmodernisierungsgesetzes (GMG) vorstellen. Trotz des geplanten Versandhandels, der Möglichkeit des Mehrbesitzes, drohender Einzelverträge und der Freigabe der Preise für OTC-Arzneimittel werde die ABDA alles dafür tun, dass der Apotheker Patienten auch in Zukunft als unabhängiger Berater erhalten bleibe. Dem Wettbewerb werde man sich aber stellen. Ziel der ABDA sei es, die Verknüpfung von Logistik und Beratung zu erhalten. Eine Trennung, wie sie bei einem Versandhandel zwangsläufig sei, habe Defizite in der Patienten-Compliance gezeigt. Das könne nicht Ziel eines neues System sein.
Friese geht davon aus, dass zur Steigerung der Compliance die Dienstleistungs- und Beratungskompetenz des Apothekers mit der Möglichkeit der wohnortnahen Arzneimittelversorgung im zukünftigen Gesundheitssystem eine noch entscheidendere Rolle spielen werde. Weltweit seien die Apotheken wichtige Kommunikationszentren und soziale Drehscheiben sowie erste Anlaufstellen für Menschen mit Gesundheitsproblemen. Die ABDA trete dafür ein, dass die Apotheker in Deutschland und weltweit auch in der Zukunft ihre Kunden und Patienten als freie Heilberufler persönlich beraten und ihnen als Ansprechpartner zur Seite stehen können.
Besser als Versandhandel
Die Antwort der deutschen Apothekerschaft auf die strukturverändernde Gesetzgebung in der Bundesrepublik seien ein Home-Service-Konzept und das Hausapothekenmodell, mit dem die individuelle pharmazeutische Betreuung des Patienten bis zum Krankenbett gewährleistet werde. Das könne der Versandhandel nicht. Diesen Vorteil der Apotheken werde die ABDA offensiv herausstellen.
Das geplante neue Honorierungssystem, dass das Entgelt der Apotheker preisunabhängig gestalte, unterstütze den Apotheker in seiner Unabhängigkeit als freier Heilberuf. Ihn könne man in dem neuen System nicht mehr für die Arzneimittelpreise verantwortlich machen. Die Verantwortung trage nun allein die Industrie. Friese begrüßte auch die Einführung der Gesundheitskarte, die eine sichere Arzneimittelversorgung und optimale Betreuung des Patienten durch die Apotheke garantiere. Trotz der Strukturveränderung sieht Friese auch für die deutsche Apotheke eine Zukunft. Die Versorgung sei sicher, kostengünstig und schnell und müsse die Konkurrenz anderer Vertriebskanäle nicht fürchten.
Sydney bot im Kontakt mit Apothekerinnen und Apothekern aus der ganzen
Welt die Möglichkeit des Erfahrungsaustausches. Insbesondere mit
Australien, das vor einigen Jahren den Systemwechsel vollziehen musste. In
einem Titelbeitrag in einer der nächsten Ausgaben der PZ wird das
australische Apothekenwesen ausführlich vorgestellt werden, denn es bietet
hervorragendes Anschauungsmaterial für Deutschland.
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