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Berliner Apotheken auf der öffentlichen Anklagebank

Datum 29.07.2002  00:00 Uhr

Medien

Berliner Apotheken auf der öffentlichen Anklagebank

von Thomas Bellartz, Berlin

Für die Berliner Apothekerinnen und Apotheker hätte der vergangene Donnerstag nicht schlechter beginnen können. Die Schlagzeile der Berliner Morgenpost "Rezeptbetrug in Berliner Apotheken aufgedeckt" war der Startschuss für eine mehrtägige und bundesweit ausstrahlende Medienkampagne.

Die Berliner Morgenpost ist eines der aggressiveren Halbboulevardblätter auf dem hart umkämpften Zeitungsmarkt der Hauptstadt. Am 25. Juli 2002 machte das Blatt auf der Titelseite mit fetten Überschriften zum vermeintlichen Skandal auf. Auch im Innenteil setzte sich die an Fakten relativ dünne Geschichte fort. Die hatte tags zuvor bei der bereits seit 1997 ermittelnden Sonderermittlungsgruppe (Soko) "Medicus" der Berliner Kripo nachgefragt, was es denn Neues gebe.

Das Neue: Gegen sechs Berliner Apotheken wird wegen Betrugsverdacht ermittelt. Drei dieser Apotheken wurden von der Staatsanwaltschaft durchsucht. Gegen keinen Apotheker und keine Apothekerin wurde bislang Anklage erhoben. Das bedeutet: Es wird zwar ermittelt, aber bislang gibt es weder ein Verfahren geschweige denn eine Verurteilung. Soweit gilt grundsätzlich noch die Unschuldsvermutung.

Trotzdem wurde in der Berichterstattung, die noch am selben Tag bundesweit und mehrfach über die Deutsche Presse-Agentur (dpa) verbreitet wurde, mitgeteilt, ein Mitarbeiter der Soko schätze, dass mindestens ein Fünftel der Berliner Apotheken betrügen würden. Erst auf die Nachfrage einer anderen Redaktion hin, sagte der Leiter der Sonderkommission, dass diese Zahl nicht belegt sei. Doch die Feststellung blieb in der Berliner Luft, denn der Kriminalhauptkommissar sagt, er könne die Zahl weder bestätigen noch dementieren.

Berichtet wurde in den Blättern, darunter "Tagesspiegel", "Die Welt", "Berliner Zeitung" und "taz", von verschiedenen Betrugsvarianten. Kriminelle Energie trat in den beschriebenen Fällen, bei denen es insbesondere um die teilweise mehrfache Abrechnung von Rezepten für HIV-Präparate ging, bei beteiligten Patienten wie Apothekern zutage. Geschädigt wurden die Krankenkassen, und zwar in einer Größenordnung, die von der Soko mit "einigen hunderttausend Euro" beziffert wird. Die Hinweise auf den möglichen Abrechnungsbetrug hatten Berliner Krankenkassen gegeben. Die AOK, sonst nicht zwingend auf Seiten der Apothekerschaft, hatte übrigens auf Nachfrage einer Zeitung klar gestellt, dass sie nicht davon ausgehe, dass in Berliner Apotheken flächendeckend betrogen werde.

Rezeptbetrug gegen Sommerloch

Vor der Veröffentlichung in der Morgenpost war die Apothekerkammer Berlin nicht um eine Stellungnahme gebeten worden. Auch in der bundesweiten Verbreitung der Nachricht via dpa waren die Inhalte der Morgenpost nicht mit einer Kammerstellungnahme garniert. Es wurde schlichtweg nicht nachgefragt.

Stattdessen wurden durch die Story der Morgenpost auch die übrigen Berliner Medien auf die Soko und deren Ermittlungen aufmerksam. Hörfunkstationen und Fernsehsender berichteten noch am selben Tag, die übrigen Zeitungen am nächsten von der Story. Die meisten hatten einfach nur die Informationen aus dem Morgenpost-Beitrag übernommen. Die Redaktion der Morgenpost drehte die Geschichte ebenfalls noch einmal nach, packte das Thema noch einmal am Freitag auf die Titelseite und auch in den Innenteil. Nachdem der Präsident der Berliner Apothekerkammer, Norbert Bartetzko, und Geschäftsführer Rainer Auerbach den gesamten Donnerstag Nachfragen beantwortet hatten, schaffte es Auerbach schließlich, eine Pressemitteilung über die dpa abzusetzen. Darin unterstützt die Kammer vorbehaltlos die Ermittlungen, warnte aber auch vor Vorverurteilungen.

Zudem wies die Kammer in ihrer Pressemitteilung darauf hin, dass es immerhin über 4000 Apothekerinnen und Apotheker in Berlin gebe, zudem 869 Apotheken den Patientinnen und Patienten zur Verfügungen stünden. Zur Erinnerung: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen drei Apotheken, drei weitere hat die Soko im Visier.

Problematisch ist aus Sicht der Apotheken nicht die Nachfrage von Journalisten bei der Kripo, sondern die Berichterstattung. Besonders in Fällen, in denen bislang nur ermittelt wird, gilt der Grundsatz: In dubio pro reo - im Zweifel für den Angeklagten. In Berlin sind Apotheken zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal angeklagt. Doch alleine die Fragestellung in den Medien und die Art und Weise der Berichterstattung führt dazu, dass alle Berliner Apotheken auf die Anklagebank verfrachtet wurden.

Unterdessen ist damit zu rechnen, dass in der klassischen "Saure-Gurken-Zeit" einige Journalisten von der Berliner Berichterstattung animiert werden, auch in anderen Städten bei der Kripo nachzufragen, ob auch dort zum Beispiel gegen Apotheken ermittelt wird. Die Öffentlichkeitsarbeiter und Geschäftsführungen in den Kammern und Verbänden werden sich darauf einstellen können, dass auf der Suche nach einer mehr oder minder guten Story die Apotheken weiter ganz oben auf der Themenliste stehen. Top

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