Kassenärzte kritisieren Preise |
21.06.2004 00:00 Uhr |
Gegen Daten und Fakten hilft der DocMorris-Truppe auch die beste PR-Maschine nicht. Denn nach einer nüchternen Analyse der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) lohnt sich der Arzneikauf im Internet für die Patienten nicht. Jenseits von Viagra und Diätpillen seien Internet-Apotheken mindestens ebenso teuer wie die Apotheke „um die Ecke“.
„Rezeptpflichtige Medikamente sind im Internet genauso teuer wie in der Apotheke. Die Legalisierung der Bestellung von Medikamenten bei Versandapotheken hat daher die gesetzliche Krankenversicherung bislang kaum entlastet." Kein Geringerer als der Zweite Vorsitzende der KBV, Dr. Leonhard Hansen, verkündete dies den teilweise sichtlich erstaunten Journalisten in Berlin. Pikant ist, dass Hansen zu den deutlichen Befürwortern des Versandhandels gehörte. Denn die KBV hatte sich bereits weit im Vorfeld der GMG-Beratungen für eine Einführung des Versandhandels mit Arzneimitteln in Deutschland ausgesprochen. Wenige Monate später kam die Bundesvertretung der Kassenärzte am Montag zu dem Ergebnis, dass die Euphorie nicht zu Einsparungen geführt habe und wohl auch nicht führen werde.
Wenige Tage zuvor hatte sogar die renommierte „Ärztezeitung“ einmal mehr offensiv für den Internetversender DocMorris geworben. Der bietet demnach nun seine angeblich 500 000 Datenstämme, die er bislang bereits von Patientinnen und Patienten angelegt habe, zur Nutzung durch die Pharmaindustrie an. Das Versandunternehmen wird allem Anschein nach bereits im Juli einen großen Anteilseigner haben. Nach PZ-Informationen werden die bislang maßgeblichen Investoren 3i und TechnoNord ihre Anteile an einen Finanzinvestor verkaufen.
Hansen verwies in Berlin auf eine Analyse der KBV. Die hat die Preise von mehreren Arzneimitteln in vier Internetapotheken verglichen. „Das Ergebnis war eindeutig: Die Händler orientieren sich auf den Cent genau an der Arzneimittelpreisverordnung", erklärte der KBV-Vize. Deutsche Internetapotheken müssten sich an diese Vorgabe halten, ausländische täten dies von sich aus, weil ihre Gewinnspanne sonst zu niedrig wäre, so Hansen.
„Vorteile kann der Patient nur bei rezeptfreien Medikamenten erzielen. Die Einsparungen liegen hier bei 10 bis 30 Prozent“, sagte der KBV-Arzneimittelexperte weiter. Dies helfe allerdings nicht, die Einnahmen der Krankenkassen zu stabilisieren, denn derlei Präparate müssten die Internetkunden ohnehin aus der eigenen Tasche bezahlen. Bei rezeptfreien Arzneimitteln, die weiterhin zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden dürften, orientierten sich die Versandapotheken wieder an der Arzneimittelpreisverordnung.
Der KBV-Mann warnte zudem vor Kosten, die nichts mit der eigentlichen Ersparnis beim Arzneimittel zu tun hätten: Denn der Patient müsse darauf achten, dass bei Bestellungen im Internet meistens Versandkosten anfallen. Diese betrügen gewöhnlich vier bis fünf Euro pro Paket. Vielfach sei es daher sinnvoller, eine Apotheke anzusteuern, statt den Computer anzuschalten. Interessant seien für Patienten bisweilen Kundenboni, die einige Internetanbieter einräumen. Diese quittieren den Kunden bei der Bestellung rezeptpflichtiger Präparate die gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlung, schreiben ihnen aber die Hälfte des Betrags als Bonus gut. Dabei könne der Patient „schon einmal ein paar Euro sparen". Dasselbe gelte, wenn die Krankenkasse einen Vertrag mit einer Internetapotheke über Sonderkonditionen geschlossen habe. Allerdings gebe es bislang nur wenige derartige Verträge.
Hansen kritisierte in der Pressekonferenz allerdings auch den Umgang mancher Apotheken mit dem vom Arzt ausgestellten Grünen Rezept. Es könne nicht angehen, dass Apotheker dem Patienten erklärten, dass ein alternatives Arzneimittel vom Arzt noch verschrieben werde und der Patient daraufhin mit dieser Information in die Praxis komme und auf einer entsprechende Verschreibung bestehe. „Das belastet am Ende lediglich den Etat der einzelnen Praxen“, so Hansen. Das habe man sich anders vorgestellt.
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