Politik
Ob die einst als
"großer Wurf" geplante 3. Stufe der
Gesundheitsreform wirklich gelungen ist, scheint aus
Sicht des BAK-Präsidenten Dr. Hartmut Schmall eher
zweifelhaft. Sicher sei, daß nach derzeitigem Stand der
Dinge dem Patienten finanziell der Schwarze Peter
zugespielt werde, betonte Schmall am 25. Mai bei seiner
Eröffnungsrede zum 35. Pharmacon der
Bundesapothekerkammer in Meran.
Er verwies damit auf die zum 1. Juli in Kraft
tretende erneute Zuzahlungserhöhung für die
Versicherten - bereits die zweite in diesem Jahr. Rund 16
Prozent aller Arzenimittelverordnungen würden so in
Zukunft von den Versicherten komplett selbst bezahlt,
rechnete Schmall vor. Allein in diesem Jahr komme man -
nur für Arzneimittel - bereits auf
Selbstbeteiligungskosten von circa 5 Milliarden DM.
Durch die zum 1. September zusätzlich wirksam werdende
Kopplung der Patientenzuzahlung an Beitragserhöhungen
der Kassen werde die Situation weiter erschwert (1DM mehr
pro 0,1 Prozent Erhöhung), monierte Schmall. Die vom
Gesetzgeber dadurch erhoffte Förderung des Wettbewerbs
zwischen den Kassen hält er für "blauäugig"
und wenig realistisch. Es sei kaum zu erwarten, daß
Patienten die Krankenkassen wechselten wie das Hemd.
Der Apotheker sei derjenige, der die Reaktion der
Versicherten letztendlich zu spüren bekomme und die
Aufklärungsarbeit zu leisten habe, prognostizierte der
BAK-Präsident. Die Berufsorganisationen entwickeln zu
diesem Zweck derzeit Plakate, Handzettel, Aufsteller und
Quittungshefte; eine Kopie dieses Materials wird im Juni
der PZ beiliegen. Zusätzlich solle man die Patienten zur
Nutzung von Härtefallregelungen motivieren, forderte
Schmall auf.
Strukturverträge verschlechtern Versorgungsqualität
Ablehnend äußerte er sich zu dem nach § 73a
SGB V zulässigen Abschluß von Strukturverträgen
zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und
Krankenkassen, in denen risikoabhängige
"Pro-Kopf-Pauschalen" für jeden einzelnen
Patienten vereinbart werden können. Solche Maßnahmen
kämen den amerikanischen HMOs gleich, womit auch in
Deutschland eine Patientenselektion und eine
Verschlechterung der Versorgungsqualität zu befürchten
sei, kritisierte Schmall. Auch hier sei der Patient der
Hauptbetroffene.
Allen Widrigkeiten zum Trotz stehe die ABDA dennoch
weiterhin zu ihrem Konzept, die Zusammenarbeit zwischen
Arzt und Apotheker zum Wohle des Patienten zu
intensivieren. "Wir sollten jede Gelegenheit nutzen,
um mit den Ärzten, beispielsweise im Rahmen der
Arzt/Apotheker-Gesprächskreise, in Kontakt zu
kommen", mahnte Schmall. Der Apotherkerstand müsse
seine Hilfe bei Fragen zur Arzneimittelqualität und bei
der Etablierung eines qualitätsgesicherten Budget- und
Richtgrößenmanagements anbieten, Wenn andere dies
übernähmen, bedeute das einen weiteren Schritt in
Richtung Fremdbestimmung des apothekerlichen Handelns.
"Der Vertriebsweg Apotheke ist in Deutschland ganz
sicher nicht als überteuert anzusehen", betonte der
BAK-Präsident mit Blick auf die Kassen-Forderungen nach
Einführung des Versandhandels. Bezogen auf zu Lasten der
GKV verordnete Arzneimittel sei die durchschnittliche
Handelsspanne der deutschen Apotheken mit etwa 22 Prozent
die zweitniedrigste in der EU. Zum Vergleich:
amerikanische Versandhandlungen rechnen mit einer Marge
von rund 25 Prozent.
Schmall sieht erhebliche Risiken im Hinblick auf die
Arzneimittelsicherheit des Patienten, falls die
Versendung von Arzneimitteln eines Tages wirklich Norm
werden sollte. Auch wenn es nach derzeitigem Stand nahezu
unmöglich erscheine, ein EU-weites Verbot des
Versandhandels zu erwirken, dürfe es dennoch nicht so
sein, daß liberalere EU-Regelungen nationale
Vorschriften konterkarieren, betonte er.
"In der Diskussion um den Stellenwert des
Apothekerberufs müssen wir unseren Nutzen für die
Arzneimitteltherapie des Patienten herausstellen und
unser pharmazeutisches Know-how in die Waagschale
werfen", erinnerte Schmall zum wiederholten Male.
Dabei sei wissenschaftlich und praktisch orientierte
Fortbildung wie bei den Fortbildungskongressen der
Bundesapothekerkammer unverzichtbar.
Zum Schluß noch eine gute Nachricht: Die bereits seit
langem geplante Erneuerung der Approbationsordnung
scheint Form anzunehmen. Eine jetzt vom BMG einberufene
Arbeitsgruppe will sich in den nächsten Monaten mit der
Entwicklung beschäftigen. Schmall: "Die BAK wird
sich dabei dafür einsetzen, daß der Apotheker künftig
bereits mit der Ausbildung so qualifiziert ist, daß er
nicht nur der Fachmann für das Arzneimittel ist, sondern
der Fachmann für das Arzneimittel, das am und vom
Patienten angewandt wird."
PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Meran
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