Politik
Der Weg vom
Arzneimittelbudget zu den Richtgrößen, wie er im
2.Neuordnungsgesetz vorgeschrieben wird, ist steinig und
ob das Ziel überhaupt erreicht wird, bleibt zweifelhaft.
Das ist zumindest das Fazit, das nach einer
Forum-Diskussion am 12. Mai in Bonn gezogen werden muß.
Dr. Dieter Thomae, MdB, (FDP) und Vorsitzender
des Gesundheitsausschusses des deutschen Bundestages,
betonte, daß die Ablösung notwendig sei, da das
Arzneimittelbudget teils offen, teils schleichend und
verdeckt in die Rationierung führe und keine Anreize
für qualitätsorientiertes Handeln enthalte. Außerdem
sei die mit dem Budget verankerte Kollektivhaftung der
Ärzte bedenklich und ungerecht, was auch Professor Dr.
Wolfgang Brech, Vorsitzender der KV Südwürttemberg, als
Grund für die überfällige Abschaffung des Budget
anführte. Die Solidarität unter den Ärzten und das
Arzt-Patienten-Verhältnis seien ebenfalls beschädigt
worden.
Thomae gesteht ein, daß die Handhabung der Richtgrößen
schwieriger sei als die des Budgets. Er teilte aber nicht
den Pessimismus der Krankenkassen, daß sich bei
Arzneimittelrichtgrößen Mehrausgaben zwangsläufig
einstellen würden und daß keine Anreize mehr zu
wirtschaftlichem Handeln bestünden. Das Gegenteil sei
der Fall: Die Anreizwirkung der Richtgrößen sei in der
Summe jener der Budgets mindestens gleichwertig.
Brech ging sogar noch weiter, indem er betonte,
Richtgrößen würden wesentlich stringenter als
Globalbudgets gehandhabt. Der einzelne Arzt werde nach
seiner Meinung unter den Richtgrößen noch mehr
stöhnen. Brech verknüpfte mit der Einführung der
Richtgrößen die Forderung nach der Erweiterung der
Negativliste und nach einer Neuformulierung der
Arzneimittelrichtlinien, die dann auch wertende Aussagen
über Arzneimittel enthalten sollten. Auch Brech räumte
ein, daß die Umsetzung der Richtgrößen und die
praktische Handhabung Schwierigkeiten machen werde. Er
hofft aber, daß es nicht zu Prüforgien kommen wird.
Sein Vorschlag zur Vereinfachung des Verfahrens, der sich
auch mit den Vorstellungen des Verbandes der forschenden
Arzneimittelhersteller (VFA) deckt, besteht darin,
unverzichtbare Arzneimitteln, das sind nach Berechnungen
der KBV circa 15 Prozent des Arzneimittelmarktes, aus den
Richtgrößen herauszunehmen und bei den Erhebungen durch
die EDV automatisch auszusteuern. Außerdem müßten
Praxisbesonderheiten hinreichend berücksichtigt werden.
Brech und Thomae begrüßten die im 2.NOG vorgesehenen
Trennung von Arzneimittel- und Heilmittelrichtgrößen.
Professor Dr. Walter Brandstädter, Vizepräsident der
Bundesärztekammer und Mitglied der
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
bezeichnete die Ablösung des Budget durch Richtgrößen
als Schritt in die richtige Richtung. Trotzdem gab er zu
bedenken, daß die Freiheit des Arztes nicht durch
Rationierung eingeschränkt werden dürfe. Außerdem
sollte das ärztliche Handeln nicht an der finanziellen
Situation der Krankenkassen ausgerichtet werden, sondern
an der medizinisch notwendigen Therapie des Patienten.
Therapieempfehlungen dürfen deshalb nicht auf
Kostenminimierung ausgerichtet werden, sondern müssen
primär dem Gesichtspunkt der Qualitätssicherheit der
Therapie genügen. Mehr Wirtschaftlichkeit kann nur eine
sekundäre Folge von Therapieempfehlungen sein.
Große Zweifel am Erfolg der Richtgrößen formulierten
sowohl Karl Jung, Vorsitzender des Bundesausschusses
Ärzte und Krankenkassen, als auch Gerhard Schulte,
Vorstandsvorsitzender des BKK-Landesverbandes Bayern.
Schulte wurde konkret: "Um das Niveau von 26
Milliarden DM Ausgaben im Arzneimittelbereich zu halten,
müssen die Richtgrößen so tief angesetzt werden, daß
sie mit den KVen nicht vereinbart werden können."
Schiedsverfahren seien die Folge, was im Regelfall die
Ausbootung der Selbstverwaltung bedeute. Als Kompromiß,
der auch mit dem 2.NOG vereinbar sei, schlug Schulte vor,
den Budgetgedanken mit den Richtgrößen zu kombinieren:
Die Richtgrößen sollten erst dann zum Tragen kommen,
wenn das Budget überschritten wird.
PZ-Artikel von Hartmut Morck, Bonn
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